Vermischtes
Nicht anerkannte Behandlungen auch zum Schutz Ungeborener möglich
Dienstag, 24. Januar 2023
Kassel – Schwangere können auch zum Schutz des ungeborenen Kinds Anspruch auf Medikamente oder andere Behandlungen haben, die noch nicht zugelassen und allgemein anerkannt sind. Voraussetzung ist aber eine „notstandsähnliche Situation“, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied.
Im konkreten Fall lehnte es eine Behandlung der Klägerin mit Cytomegalie-Immunglobulin ab (Az: B 1 KR 7/22 R). Bei der damals in der neunten Woche schwangeren Klägerin wurde 2015 eine Infektion mit dem humanen Zytomegalievirus festgestellt. Nach den gerichtlichen Feststellungen kann dies in etwa 16 Prozent der Fälle zu einer schweren oder gar tödlichen Schädigung des ungeborenen Kinds führen.
Die Klägerin beantragte bei ihrer Krankenkasse daher die Behandlung mit Cytomegalie-Immunglobulin. Die Kasse lehnte dies ab, weil das Medikament für solche Behandlungen nicht zugelassen ist. Die Klägerin ließ sich dennoch dreimal mit Immunglobulin behandeln und brachte dafür 8.754 Euro selbst auf. Mit ihrer Klage begehrte sie nun die Erstattung dieser Kosten.
Laut Gesetz müssen die Krankenkassen im Einzelfall auch nicht zugelassene Medikamente oder Behandlungsmethoden bezahlen. Voraussetzung ist eine lebensbedrohliche oder tödliche oder eine wertungsmäßig zumindest vergleichbare Erkrankung. Zudem muss „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf“ bestehen.
Das BSG entschied nun, dass dies nicht nur für die Versicherten selbst, sondern auch für Schwangere zum Schutz des ungeborenen Kinds gilt. Voraussetzung sei aber auch dafür eine „notstandsähnliche Situation“ mit Zeitdruck und einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ schwerer oder tödlicher Schäden.
Dies sei in diesem Fall nicht erfüllt gewesen, urteilten die Kasseler Richter. Hier seien nur 16 Prozent der Kinder betroffen, und auch dies teils mit vorübergehenden Schäden wie etwa einer später weichenden Gelbsucht. Dies könne nicht als „hohe Wahrscheinlichkeit“ gelten. Zudem habe es keine Erkenntnisse gegeben, die auf positive Auswirkungen hätten hoffen lassen. © afp/aerzteblatt.de

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