Politik
Bundeskabinett beschließt Empfehlungen zur Kindergesundheit
Mittwoch, 8. Februar 2023
Berlin – Die Bundesregierung will die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nach der Pandemie fördern. Das geht aus einem vom Bundeskabinett beschlossenen Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe „IMA“ vor, den Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute vorstellten.
„Dreiviertel aller Kinder und Jugendlichen geben an, dass sie heute noch unter mehr Stress leiden als vor der Pandemie,“ sagte Paus und weist damit auf Studienergebnisse der COPSY-Längsschnittstudie hin (DOI: 10.2139/ssrn.4304666).
Diese Mehrbelastung erlebten Kinder in der Schule, aber auch in der Familie und in den Beziehungen zu Freunden, so die Ministerin. „Wie so oft trifft es Kinder aus ärmeren Familien besonders hart: Kinder von Alleinerziehenden, aus Familien mit Migrationshintergrund, diejenigen, die in beengten Wohnverhältnissen leben oder psychisch belastete Eltern haben.“
Aktuell seien die Erkrankungen und Störungen der Kinder und Jugendlichen jedoch noch gut behandelbar, sagte Lauterbach. Falls Kinder Auffälligkeiten zeigten, solle zeitnah psychologische Hilfe gesucht werden. Besonders wichtig seien zudem die U-Untersuchungen: „Ich rufe daher die Eltern auch dazu auf, die U-Untersuchungen auf jeden Fall wahrzunehmen.“ Das geschehe zu selten, so der Minister.
Die Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ hat Handlungsempfehlungen für fünf Bereiche erarbeitet, um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken: Gesundheitswesen, Schule, Jugend- und Familienhilfe, Kindertagesbetreuung und frühe Hilfen. Der Abschlussbericht benennt Maßnahmen des Bundes, die geplant sind oder bereits umgesetzt werden.
Sonderbedarfszulassung für Psychotherapeuten
Im Bereich Gesundheitswesen sind mehr Therapieplätze für Kinder und Jugendliche mit stärkeren psychischen Belastungen geplant: „Wir bereiten derzeit Sonderbedarfszulassung für Psychotherapeuten vor, die sich Kindern widmen, die sehr schwer krank sind“, sagte Lauterbach.
Johannes Wagner (Grüne), Mitglied im Gesundheitsausschuss, fordert dafür schnelles Handeln: „Im Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, die psychotherapeutische Bedarfsplanung zu reformieren, insbesondere um für Kinder- und Jugendliche die Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz deutlich zu reduzieren.“
Lauterbach wies zudem auf verschiedene kurzfristige Maßnahmen hin, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bereits auf den Weg gebracht habe. Dazu gehöre die Erlösgarantie für die Jahre 2023 und 2024 für die pädiatrische Versorgung in Krankenhäusern und zusätzliche finanzielle Mittel für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Höhe von jeweils 300 Millionen Euro.
Mental Health Coaches in Schulen
Mit einem Modellprojekt des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) sollen Schulen Unterstützung erhalten, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern: Sogenannte Mental Health Coaches sollen Schulen ab dem Schuljahr 2023/24 bei Fragen zur mentalen Gesundheit und bei akuten Krisen unterstützen.
„Für das Programm werden Fachkräfte aus sozialpädagogischen oder vergleichbaren Berufsgruppen gezielt in Mental Health und Mental First Aid fortgebildet,“ berichtete Paus. Als Teil des „Zukunftspaktes Bewegung, Kultur und Gesundheit“ wird das Projekt mit zehn Millionen Euro gefördert.
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen plädiert aufgrund des Fachkräftemangels für unkonventionelle Lösungen: „Dazu gehören beispielsweise Psychologie- und Pädagogik-Studierende, die Schulpsychologen unterstützen.“
Auch ehrenamtlich engagierte ältere Menschen könnten als Mentor und „Ersatz-Großeltern“ niedrigschwellig junge Menschen an die Hand nehmen, so Jensen. Sie fordert daher einen „Mental-Health-Gipfel“ von Bund, Ländern und Kommunen.
Im Handlungsfeld Jugend- und Familienhilfe geht es laut BMFSFJ unter anderem darum, vom Bund mit dem Jugendstärkungsgesetz geschaffene Rechtsansprüche für Kinder, Jugendliche und Familien auf Beratung und Unterstützung umzusetzen. Kinder könnten nun psychosoziale Beratung beim Jugendamt in Anspruch nehmen, ohne dass ihre Eltern darüber informiert würden. Psychisch kranke Eltern sollen niedrigschwellig Hilfe von den Erziehungsberatungsstellen erhalten.
Zu einer krisenresilienteren Kindertagesbetreuung soll das Kita-Qualitätsgesetz, Investitionsprogramme des Bundes zum Kita-Ausbau und eine Fachkräftestrategie beitragen.
Beim Handlungsfeld Frühe Hilfen will der Bund Familien mit Belastungen direkt nach der Geburt über Willkommensbesuche oder Lotsendienste erreichen und zum Beispiel durch Familienhebammen unterstützen. Gleichzeitig soll der Instragramkanal „Elternsein Info“ Eltern gezielt über kommunale Angebote für junge Familien informieren. Zudem will der Bund Fachkräfte mit digitalen Sprechstunden zu den Themen Flucht, psychische Gesundheit und Ernährung stärken.
Forschung zu Kindergesundheit als Datenbasis
Die IMA hatte im November 2022 gemeinsam mit Vertretern der Länder sowie mit Fachleuten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft über Maßnahmen zur Unterstützung eines gesunden Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen beraten. Grundlage für die Beratungen waren unter anderem verschiedene Studien zum Thema Kinder und Jugendliche und die psychosozialen Folgen der Pandemie.
Lauterbach macht für die schlechtere Gesundheit der Kinder und Jugendlichen unter anderem zu lange und zu häufige Schulschließungen verantwortlich: „Das war sicherlich wichtig, aber die Länge und die Häufigkeit war vermutlich ein Fehler und hat den Kindern geschadet.“
Bei Jungen und Mädchen hat die Pandemie unterschiedliche Folgen: Während bei Mädchen häufiger als zuvor Essstörungen, Angst, Depressionen diagnostiziert wurden, erkrankten Jungen häufiger an Adipositas. © mim/aerzteblatt.de

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