Ausland
Türkei und Syrien: Internationale Hilfe nach Erdbeben angelaufen
Dienstag, 7. Februar 2023
Berlin – Nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die internationale Hilfe angelaufen. Auch die Bundesregierung und deutsche Hilfsorganisationen haben Unterstützung mobilisiert. Bei dem schweren Erdbeben sind nach türkischen und syrischen Angaben bisher mehrere Tausend Menschen in der Türkei und in Syrien ums Leben gekommen.
„Das Technische Hilfswerk kann Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungseinheiten bereitstellen“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie nannte auch „Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken“. Deutschland stimme sich bei der Hilfe mit den türkischen Behörden und den EU-Partnern ab.
Der türkische Botschafter in Berlin, Ahmet Basar Sen, bedankte sich „für die immense Welle der Solidarität der Deutschen“. Er erklärte, für die Hilfs- und Bergungsarbeiten würden dringend Ärzteteams, medizinische Ausrüstung sowie Rettungsteams mit Suchhunden benötigt.
Das Auswärtige Amt unterstützte die anfängliche Soforthilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nach dessen Angaben mit 500.000 Euro. Es stimme „mit Hochdruck“ Hilfsmaßnahmen mit Partnern in der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ab, erklärte das DRK.
Das Bündnis „Aktion Deutschland hilft“ kündigte eine Soforthilfe von einer Million Euro an. Neben medizinischer Hilfe würden auch Zelte, Heizstrahler, Decken, Thermokleidung sowie Grundnahrungsmittel für mindestens 5.000 Menschen dringend benötigt, die über Partnerorganisationen bereitgestellt werden sollten.
Die Diakonie Katastrophenhilfe stellte für Nothilfemaßnahmen „in einem ersten Schritt 500.000 Euro“ bereit. Ein Team eines türkischen Partners sei auf dem Weg in die stark betroffene Region Hatay. Es müsse sichergestellt werden, „dass die Überlebenden bei derzeit einstelligen Temperaturen eine Unterkunft finden“. Auch auf der syrischen Seite seien die Zerstörungen enorm. Hier sei gleichfalls eine Partnerorganisation in die Gebiete entsandt worden.
Caritas international stellte 250.000 Euro zur Verfügung. „Unsere Partnerorganisationen in beiden betroffenen Ländern arbeiten unter Hochdruck daran, die genauen Bedarfe zu erheben“, erklärte das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes. Das gesamte Ausmaß des verheerenden Erdbebens sei unklar. Vor allem die Informationen aus Syrien kämen sehr verzögert.
Die Hilfsorganisation Misereor sagte vorerst 100.000 Euro Soforthilfe zu, ebenso wie die Welthungerhilfe. Das Beben habe eine Region getroffen, „in der Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien Schutz gesucht haben“, teilte die Welthungerhilfe mit. „Es wird damit gerechnet, dass noch viele Opfer unter den Trümmern liegen.“
Grünen-Chef Omid Nouripour drängte auf Hilfe nicht nur für die Erdbebenopfer in der Türkei, sondern auch in Syrien, vor allem in der weitgehend abgeschnittenen Region Idlib. Vor allem Russland müsse seine Blockade von Grenzübergängen beenden, um „mehr humanitäre Hilfe nach Idlib hereinzulassen“, wo vier Millionen Menschen derzeit eingeschlossen seien.
Ausmaß wird immer stärker sichtbar
Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden in der Türkei mittlerweile mehr als 4.500 Todesopfer gefunden. In Syrien zählten Behörden und Rettungskräfte in den von der Regierung in Damaskus kontrollierten Gebieten und in Territorien unter der Kontrolle von Rebellen mehr als 1.700 Todesopfer. Damit überstieg die vorläufige Opferbilanz insgesamt die Marke von 6.000 Toten.
Die hochrangige WHO-Vertreterin Adelheid Marschang teilte dem Exekutivkomitee der UN-Organisation in Genf mit, ein Überblick über die betroffenen Gebiete in der Türkei und Syrien ergebe, dass potenziell 23 Millionen Menschen“ den Folgen des Bebens ausgesetzt seien, darunter fünf Millionen ohnehin besonders verletzliche Menschen. Die WHO sicherte den betroffenen Gebieten langfristige Unterstützung zu.
Griechenland schickte trotz der Spannungen mit der Türkei eine Rettungsmannschaft mit Spürhunden in das Erdbebengebiet. EU-Staaten wollen sich untereinander abstimmen. Hilfszusagen kamen unter anderem auch aus Großbritannien, Indien, Pakistan, Finnland, Schweden, Russland, der von Russland angegriffenen Ukraine sowie den USA.
US-Präsident Joe Biden sicherte Erdogan persönlich Unterstützung zu. Die beiden hätten telefoniert, teilte das Weiße Haus mit. In dem Gespräch habe Biden versichert, dass die USA dem Nato-Verbündeten Türkei „jede erforderliche Unterstützung“ zur Bewältigung der Tragödie zukommen ließen. Rettungsteams aus den USA würden schnell in die Türkei entsandt, um die Rettungs- und Bergungsarbeiten in dem Erdbebengebiet zu unterstützen und den Menschen vor Ort zu helfen.
Eines der am schwersten vom Erdbeben betroffenen Gebiete war die Region Idlib in Syrien, die von Rebellen gehalten wird. Dies dürfte dort die staatliche Nothilfe erschweren. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Regierungstruppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad wieder rund zwei Drittel des Landes.
Überwältigender Bedarf nach Erdbeben
Ärzte ohne Grenzen hat ein Team zusammen mit lokalen Partnern mobilisiert und auf die zunehmende Not in dem Gebiet reagiert. Die medizinische Hilfsorganisation hat selbst Opfer zu beklagen. Einer der Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen wurde unter den Trümmern seines Hauses in Idlib tot aufgefunden, andere haben Familienangehörige verloren.
Sebastien Gay, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Syrien, wies darauf hin, dass die Gesundheitseinrichtungen betroffen und überfordert seien. Das medizinische Personal in Nordsyrien arbeite rund um die Uhr, um auf die große Zahl von Verwundeten zu reagieren, die in den Einrichtungen ankommen würden.
„In den ersten Stunden haben unsere Teams rund 200 Verwundete behandelt, und wir haben 160 Verletzte in den Einrichtungen und Kliniken aufgenommen, die wir in Nord-Idlib betreiben oder unterstützen. Unsere Krankenwagen sind ebenfalls im Einsatz, um der Bevölkerung zu helfen", berichtet Gay.
Spendenaufruf der KBV
Tief betroffen zeigten sich auch die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Thomas Kriedel. „Die schlimmen Nachrichten aus der Erdbebenregion haben alle niedergelassenen ärztlichen und psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen sehr getroffen“, sagte Gassen. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern und allen Angehörigen.“
„Tausende Tote, Zehntausende Verletzte – und noch mehr Menschen, die jetzt ohne Strom, Essen und Dach über dem Kopf in der Kälte ausharren müssen. Ihnen allen muss schnell und unbürokratisch geholfen werden“, sagte Hofmeister. „Helfen Sie, wenn Sie können. Jeder Euro hilft!“
Die KBV-Vorstände sprachen allen Ärzten und Rettungskräften, die sich aus Deutschland ins Katastrophengebiet aufgemacht haben, um zu helfen, ihren tief empfundenen Dank aus. Diverse Hilfsorganisationen bieten direkte Hilfe über Geldspenden, darunter etwa die Aktion Deutschland Hilft oder das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe.
Mit der Spende finanzieren sie unter anderem die Rettung Verschütteter, medizinische Nothilfe für Verletzte, Lebensmittel, Trinkwasser, Medikamente und warme Kleidung. Über die Spendenformulare lassen sich auch kleinere Geldbeträge schnell und unkompliziert versenden. © dpa/afp/may/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema



Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.