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Ewige Chemikalien: Problem offenbar größer als bekannt

Donnerstag, 23. Februar 2023

/Canaan, stock.adobe.com

Hamburg – Das Problem mit den oft gesundheitsschädlichen ewigen Chemikalien ist einem Bericht zufolge in Deutschland offenbar größer als bekannt.

NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichteten heute, per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) könnten an mehr als 1.500 Orten in Deutschland Boden und Grundwasser verseuchen. Sie kritisierten, die Bevölkerung werde oftmals nicht darüber informiert.

Zur Gruppe der PFAS gehören mehrere tausend Chemikalien. Sie kommen in zahlreichen Produkten wie Sham­poos oder Pizzakartons zum Einsatz und sind in der Natur extrem langlebig. Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass PFAS Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben oder zu Entwicklungs­verzö­gerungen bei Kindern führen können. Auch ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten wird angeführt.

Bislang werde in der Öffentlichkeit über einige wenige PFAS-Hotspots diskutiert, berichteten NDR, WDR und SZ. Sie nannten Felder in Rastatt in Baden-Württemberg, auf denen mutmaßlich belasteter Papierschlamm verteilt wurde, oder den Düsseldorfer Flughafen, wo bei einem Großbrand PFAS-haltiger Löschschaum in Boden und Grundwasser floss.

Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen ließen vermuten, dass in der Nähe von bestimmten Indus­trie­standorten die Gewässer und Böden mit PFAS verunreinigt sein könnten, berichteten die Medien. In ver­schiedenen US-Staaten und in Frankreich hätten Behörden in der Nähe solcher Standorte ganz gezielt nach PFAS-Rückständen gesucht.

NDR, WDR und SZ nutzten die Kriterien und übertrugen sie „soweit wie möglich auf Deutschland“. So identi­fizierten sie „hunderte Orte, an denen Boden oder Grundwasser ebenfalls verschmutzt sein könnten“.

Dazu erklärte Armin Grau (Grüne), Mitglied im Umwelt- und im Gesundheitsausschuss und Berichterstatter für Chemikalienpolitik und Umwelt und Gesundheit, die Recherche zeige, wie „bestürzend“ das Ausmaß der Verschmutzung mit PFAS in Deutschland und Europa sei. „Das zeigt: unsere bisherigen Regelungen waren zu langsam und greifen viel zu kurz. Diejenigen, die weiter schmutzig und gefährlich produzieren wollen, dürfen sich nicht durchsetzen. Es braucht jetzt den Innovationsbooster für sichere und nachhaltige Chemikalien.“

Die Medien beteiligten sich am Forever Pollution Project, das in ganz Europa mehr als 17.000 möglicherweise mit ewigen Chemikalien belastete Orte identifizierte. Dazu gehören Flughäfen und Militärstandorte, wo früher PFAS-haltiger Löschschaum eingesetzt wurde, Kläranlagen und Deponien. Dazu kommen Industrie­unterneh­men, die PFAS verwenden, etwa die Textilindustrie, die Metallveredelung oder Altpapier verarbeitende Betri­be.

Laut Forever Pollution Project sind die meisten dieser Unternehmen in Deutschland angesiedelt: Solvay in Bad Wimpfen, Daikin in Frankfurt am Main, Lanxess in Leverkusen sowie 3M, W.L. Gore und Archroma im bayerischen Chemiepark Gendorf.

Alle Unternehmen versicherten gegenüber den Medien, sie hielten sich an die gesetzlichen Vorschriften und bemühten sich um eine Reduzierung der Schadstoffe. Der US-Technologiekonzern 3M kündigte bereits an, bis Ende 2025 aus der PFAS-Produktion auszusteigen.

NDR, WDR und SZ kritisierten, dass in vielen Verdachtsfällen die Behörden die Bevölkerung vor Ort nicht informiert hätten. Im Hamburger Altlastenkataster seien etwa 50 mit PFAS belastete Flächen erfasst.

Die Stadt erklärte dazu: Es habe bisher keine relevante Gefährdung oder direkte Betroffenheit von Bürgerin­nen und Bürgern durch PFAS kontaminierte Flächen gegeben, die eine Informationspflicht ausgelöst hätte. In Sachsen sollen laut Bericht dieses Jahr bis zu 56 Flächen auf PFAS untersucht werden. Eine aktive Informa­tion der Menschen sei nicht erfolgt.

Deutschland, Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Schweden fordern ein Verbot der ewigen Chemika­lien. Sie reichten dies im Januar bei der EU-Chemikalienagentur ECHA ein. Eine Regelung müsste die EU-Kommission ausarbeiten, die sie dann den Mitgliedstaaten vorschlägt. Mit einer Umsetzung des Verbots wird daher frühestens 2026 gerechnet.

Die fünf europäischen Länder schätzen, dass in den kommenden 30 Jahren mindestens 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen, wenn es keine Regelung für die risikoreichen Chemikalien gibt. Unternehmen sollen je nach Verwendungszweck und Verfügbarkeit zwischen anderthalb und zwölf Jahren Zeit bekommen, um auf alternative Stoffe umzustellen. © afp/aerzteblatt.de

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