Politik
Pflegereform: Lauterbach will Pflegeleistungen erhöhen
Freitag, 24. Februar 2023
Berlin – Um die Pflegeversicherung finanziell zu stabilisieren, will das Bundesgesundheitsministerium den Beitragssatz zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte erhöhen. Das entspricht jährlichen Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro.
Das geht aus dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz, PUEG) hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Mit diesem Geld sollen unter anderem das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge ab dem kommenden Jahr um fünf Prozent angehoben werden.
Jeweils zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen zudem entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung angehoben werden. „Für die langfristige Leistungsdynamisierung wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Höhere Beiträge für Kinderlose
Zudem soll die Bundesregierung dazu ermächtigt werden, mittels einer Rechtsverordnung die Beitragssätze zügig anpassen zu können, falls es einen „kurzfristigen Liquiditätsbedarf“ in der Pflegeversicherung geben sollte.
Mit Gesetz soll der Beitragssatz für Kinderlose weiter angehoben werden: um 0,25 auf 0,6 Beitragssatzpunkte. Mitglieder mit mehreren Kindern sollen hingegen ab dem zweiten bis zum fünften Kind in Höhe von 0,15 Beitragssatzpunkten je Kind entlastet werden. „Bei Mitgliedern ohne Kinder tritt der Beitragszuschlag für Kinderlose an die Stelle der Erziehungsleistung“, heißt es dazu in dem Gesetzentwurf. „Bei einem Beitragszuschlag für Kinderlose in Höhe von 0,6 Beitragssatzpunkten erbringen Mitglieder ohne Kinder einen um knapp 18 Prozent höheren Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung als Mitglieder ohne Beitragszuschlag.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom April 2022 eine Beitragssatzdifferenzierung nach Kinderzahl gefordert.
Höhere Zuschüsse für Heimbewohner
Darüber hinaus sollen die mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) im Jahr 2021 eingeführten Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen erhöht werden, die die Bewohner von Pflegeeinrichtungen bezahlen müssen. Derzeit erhalten die Bewohner im ersten Jahr einen Zuschuss zum einrichtungseinheitlichen Eigenanteil von fünf Prozent, im zweiten Jahr von 25 Prozent, im dritten Jahr von 45 Prozent und ab dem dritten Jahr von 70 Prozent.
Künftig soll der Zuschuss im ersten Jahr um zehn Prozentpunkte und der Zuschuss ab dem ersten Jahr um jeweils fünf Prozentpunkte erhöht werden. Auf diese Weise soll unter anderem die Zahl der Heimbewohner reduziert werden, die Sozialhilfe beantragen müssen, um den Aufenthalt im Pflegeheim bezahlen zu können.
Mehr Unterstützung bei der Akutpflege von Angehörigen
Mit dem Gesetz soll auch der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld ausgeweitet werden, das Arbeitnehmer erhalten können, wenn sie Familienmitglieder akut pflegen müssen. Wenn die Voraussetzungen für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung vorliegen, soll das Pflegeunterstützungsgeld künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können, heißt es in dem Gesetzentwurf. Bislang konnten insgesamt zehn Tage pro Jahr in Anspruch genommen werden.
Künftig sollen zudem die bislang getrennten Leistungsbeträge für Leistungen der Verhinderungspflege und Leistungen der Kurzzeitpflege in einem gemeinsamen Jahresbetrag zusammengeführt werden.
Und Einrichtungen der ambulanten und der stationären Pflege sollen verpflichtend an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden. Bislang war die Anbindung an die TI freiwillig. Außerdem sollen pflegebedürftige Personen, ihre Pflegepersonen, weitere Angehörige und vergleichbar Nahestehende, Mitarbeitende in Krankenhäusern sowie in Beratungseinrichtungen künftig durch ein elektronisches Informationsportal bei der Suche nach freien Plätzen und Angeboten wohnortnaher ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen sowie flankierender Unterstützungs- und Beratungsangebote unterstützt werden.
Kassen kritisieren Leistungsausweitung als zu niedrig
Der GKV-Spitzenverband lobte das Vorlegen des Gesetzentwurfs, kritisierte jedoch die Höhe der angedachten Leistungsausweitung. „Der Entwurf ist ein Signal, dass die Bundesregierung die Probleme der Pflegebedürftigen und der Pflegeversicherung versucht anzugehen“, kommentierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands, Gernot Kiefer. „So sind geplante Leistungsverbesserungen wie durch die Zusammenlegung der Budgets Kurzzeit- und Verhinderungspflege sinnvoll. Sie entsprechen der Lebensrealität der Pflegebedürftigen und verbessern die Situation der Betroffenen.“
Allerdings sei die vorgesehene Höhe der Anpassung der Leistungsansprüche bei Weitem unzureichend. Sie bleibe hinter der erheblichen Kostenentwicklung deutlich zurück. „Offensichtlich sind die Bundesregierung und ebenso die Länder nach wie vor nicht bereit, ihren Finanzverpflichtungen gerecht zu werden“, kritisierte Kiefer. „Was Bundesaufgabe ist, muss vom Bund finanziert werden. Was Länderaufgabe ist, haben die Länder zu schultern. Es gilt: gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen kann man nicht allein den Pflegebedürftigen aufbürden.“
Die Pflegeversicherung mit Steuermitteln unterstützen
Auch der AOK-Bundesverband forderte eine Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch den Bund. „Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelregierung nicht nur auf Leistungsverbesserungen, sondern auch auf eine dauerhafte finanzielle Stärkung der Pflegeversicherung verständigt“, betonte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. „Mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf wird dieses Versprechen aber nicht eingelöst. Es fehlt die im Koalitionsvertrag zugesagte Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen durch den Bund.“
Zwar sollen Leistungsverbesserungen wie beispielsweise die Dynamisierung der ambulanten Leistungsbeträge und die Ausweitung des Anspruchs auf Pflegeunterstützungsleistungen kommen. In dem Entwurf fehle aber die Refinanzierung der coronabedingten Mehrkosten durch den Bund in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Vor allem aber fehle die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die bislang von der Pflegeversicherung bezahlt werden. Damit müssten sämtliche reformbedingte Mehrausgaben und das strukturelle Defizit durch die Beitragszahlenden finanziert werden, so Reimann.
Krankenkassen und Sozialverbände haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor diesem Hintergrund in einem Brandbrief aufgefordert, die Pflegeversicherung mit Steuermitteln zu unterstützen. © fos/aerzteblatt.de

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