Politik
Minister und Verbände fordern Stärkung der Patientenrechte
Montag, 27. Februar 2023
Berlin – Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes fordern der Patientenrechtebeauftragte der Bundesregierung sowie mehrere Parteien und Verbände weitere gesetzliche Regelungen für die Stärkung von Patientenrechten.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht Handlungsbedarf: „Wir stimmen im Haus gerade ein Patientenrechtegesetz ab, dass das Gesetz von vor zehn Jahren fortschreibt“, sagte der Minister anlässlich eines Festaktes zum zehnjährigen Jubiläum des Patientenrechtegesetzes.
Das Gesetz von 2013 regelt ärztliche Aufklärungs- und Dokumentationspflichten. Es schreibt das Recht der Patienten auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen, auf freie Arzt- und Krankenhauswahl sowie das Recht auf Unterstützung bei vermuteten Behandlungsfehlern fest.
Aus der Sicht des Ministers werden Patientenrechte auch durch andere Gesetze, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) derzeit auf den Weg bringt, gestärkt. Dazu gehöre die neue Stiftung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD), die momentan im Parlament beraten wird. Außerdem sollen die Rechte der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gestärkt werden, für die, so deutete es Lauterbach an, auch Veto-Rechte bei gewissen Entscheidungen geben solle.
Auf weitere Details ging er in seiner Rede nicht ein. Die Patientenrechte würden auch durch die ausgeprägte Ökonomisierung in Kliniken geschwächt. „Hier werden Patientenrechte sehr häufig verletzt“, sagte Lauterbach.
Auch Medizinier seien eingeschränkt durch die Ökonomie. Ähnliches befürchtet der Minister auch bei den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die durch Investoren aufgekauft werden. Laut Lauterbach sollen sich „Patienten darauf verlassen können, dass nur das getan wird, was medizinisch sinnvoll ist“.
Auch bei der geplanten Gesetzgebung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen müssten die Patientenrechte geachtet werden. „Es wird eine wesentliche Stärkung der Patientenrechte und der Transparenz geben“, so Lauterbach. Besonders bei der Einsicht in die eigene Patientenakte über das Smartphone oder den Computer machten dann auch Systeme für die Zweitmeinung Sinn.
Forderungen, die auch viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Podiumsdiskussion unterstützen. So sieht die heutige Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, dass das Gesetz vor zehn Jahren zwar ein riesiger Schritt gewesen sei, aber bis heute nicht im Alltag gelebt werde. Dazu zählen besonders Aufklärungsgespräche, aber auch die erschwerte Beweislastumkehr.
„Die Ungewissheit über etliche Jahre hinaus sowie lange Verfahrensdauern bei Behandlungsfehlern darf es nicht geben." Aus ihrer Sicht müssten gerade auch bei Medizinprodukten noch weitere Einsichtserlaubnisse gegeben werden. Auch individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) müssten in Zuge dessen kritisch betrachtet werden. Beim Patientenrechtegesetz 2013 war Reimann noch für die SPD Mitglied im Bundestag und dort die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit.
Aus der Sicht von Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK), hat sich durch das Gesetz der Blick der Ärzteschaft auf das Thema verändert. „Wir haben unseren Blick sensibilisiert und auch unser Fehlermanagement gestärkt. Somit hat das Gesetz der Ärzteschaft sehr geholfen“, so Lundershausen.
Aus ihrer Sicht müssen Beschwerden gegen eine Behandlung allerdings auch bei den entsprechenden Stellen vorgetragen werden. Es sei selbstverständlich, dass Patienten das Recht auf Einsicht ihrer Akten haben.
Kritik an der derzeit gelebten Praxis sieht auch Martin Danner, Geschäftsführer der BAG Selbsthilfe. Zwar sei es gut, dass die Patientenrechte seit zehn Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben seien. „Allerdings fehlt es oft an dem reibungslosen Durchsetzen der Rechte“, so Danner.
Es sei auch gut, dass es nun Aufklärungspflichten bei Operationen gebe, allerdings fehlten diese noch bei der allgemeinen Untersuchung oder bei medizinischen Prozeduren. Es werde auch noch nicht sanktioniert, wenn es keine Aufklärung gebe.
Für den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwarze (SPD), sind gerade die hohen Hürden beim Nachweis von Behandlungsfehlern ein Problem, dass Politik künftig angehen sollte. Die Einsicht in die eigenen Akten müsse als eine Selbstverständlichkeit gelten.
Er geht auch noch weiter: So müsste es – gerade auch im Falle eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler – auch Einsichtsrechte auf Dienst- und Hygienepläne sowie dem Wartungsstand der medizinischen Geräte geben. Gerade auch Menschen mit Verständnisschwierigkeiten müssten ebenso gut aufgeklärt werden. Auch müsse es ein „Never-Event-Register" für medizinische Berufe geben, damit sich Abläufe verbessern.
Auch andere Politikerinnen und Politiker sowie Vertreter von Verbänden forderten anlässlich des zehnjährigen Jubiläums mehr Aktivitäten bei den Rechten von Patienten. So erklärte Gesundheitspolitikerin der Grünen, Linda Heitman, neben der Veränderung bei der UPD müsse auch die Repräsentanz von Patientenvertretern im G-BA gestärkt werden.
Aus ihrer Sicht müsse ein Härtefallfonds für Betroffene von Behandlungsfehlern geschaffen werden. Die Linken-Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler forderte eine Beweislastumkehr, damit Opfer von Behandlungsfehlern vor Gericht eine Chance hätten, Ansprüche umzusetzen.
Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende Sozialverband Deutschland (SoVD), fordert in einer gemeinsamen Erklärung von AOK Bundesverband, BAG Selbsthilfe und dem Verband der Medizinrechtsanwälte zügige Veränderungen.
„Ein Konstruktionsfehler des Gesetzgebers bei Einführung des Patientenrechtegesetzes führt dazu, dass Patientinnen und Patienten seit zehn Jahren im Beweisrecht systematisch benachteiligt werden. Ihnen wird eine viel strengere Beweispflicht auferlegt, als es für Rechtsstreitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis die Regel ist“, sagte sie.
Der ehrenamtliche Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Uwe Klemens, sieht noch einen anderen Punkt, den die Politik bei der Gesetzgebung berücksichtigen sollte: So müsse der Unterstützungsanspruch durch die Krankenkasse bei Behandlungsfehlern auch auf schadhafte Medizinprodukte ausgeweitet werden.
In den vergangenen zwanzig Jahren wurden etwa 135.000 Medizinprodukte erstmals zugelassen, sagte Klemens. Parallel dazu habe sich die Zahl sogenannter Risikomeldungen von etwa 8.200 auf über 32.000 fast vervierfacht. © bee/aerzteblatt.de

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