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Politik

„Reform soll gute Versorgung sichern. Das heißt nicht, Krankenhäuser zu schließen“

Samstag, 4. März 2023

Hannover – Der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) ist seit Ende Januar 2023 im Amt. Der Facharzt für Chirurgie will in seiner Amtszeit einen Schwerpunkt auf die anstehenden Krankenhausreformen, sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene setzen.

Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt betonte er, dass mit der Reform in Niedersachsen keine Krankenhäu­ser geschlossen werden sollen. Stattdessen seien in Niedersachsen bereits für dieses Jahr erste Umwandlungen in Regionale Gesundheitszentren mit etwa 20 Betten vorgesehen. Diese sollen den stationären und ambulanten Sektor verbinden.

Außerdem spricht er sich für Kompromisse bei der geplanten bundesweiten Reform aus. Insbesondere die Be­dürfnisse von Flächenländern müssten durch Abweichungsmöglichkeiten von geplanten Versorgungslevels aber auch Leistungsgruppen berücksichtigt werden.

5 Fragen an Andreas Philippi, niedersächsischer Gesundheitsminister

Seit Anfang Januar laufen die Beratungen für eine bundesweite Kran­kenhausreform, wo Sie seit kurzem mit am Tisch sitzen. Die Länder sollen von den bundesweit vorgesehenen Regeln abweichen können. Droht damit aber nicht auch die Gefahr, dass alle wieder einen eigenen Plan aufstellen?
Andreas Philippi: Wir sind uns alle einig, dass wir eine Reform brauchen. Die letzte Bera­tung war sehr spannend, weil sich gerade jeder auf seiner Ebene posi­tioniert.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiß genau, dass diese Reform nur dann eine Chance hat, wenn man sie föderal angeht. Das ist auch richtig, weil die Reform über die Grenzen hinweg jedes einzelne Bundesland betrifft.

Ich glaube aber, dass die eine oder andere Gegenposition der Länder nicht nur durch Sachlichkeit geprägt, sondern auch politisch von aktu­ellen Wahlkampfsituationen in den einzelnen Bundesländern abhängig ist. Es gibt Positionen, die insbesondere vonseiten Bayern aber auch vom grünen Gesundheitsminister in Baden-Württemberg noch nicht ganz kongruent mit den Formulierungen der Ampelregierung sind. Geklärt werden muss auch, ob der Bund aufgrund dessen was er fordert, nicht auch die eine oder andere Milliarde bezuschusst.

Für die unterschiedlichen Strukturen in den einzelnen Bundesländern, vor allem in den Flächenländern, benöti­gen wir aber andere Maßnahmen als für Stadtstaaten. Deshalb sind die Ausnahmen von der Regel wichtig, um insbesondere in ländlichen Regionen Strukturen vorzuhalten.

Es kann nicht sein, dass es hektar- und kilometerweit nur Krankenhäuser gibt, die keinen Knochenbruch mehr versorgen oder keine Geburt mehr durchführen können. Wir werden zudem nicht das gesamte Leistungsgesche­hen in 64 oder 128 Leistungsgruppen reinpressen können, manche Fachdisziplinen müssen außen vor bleiben. Deswegen wird es meiner Ansicht nach auch bei den Leistungsgruppen Kompromisse geben müssen.

In Niedersachsen können wir die Diskussion zudem etwas zurückgelehnt anschauen, weil wir schon ein gutes Stück weiter sind. Zum 1. Januar 2023 ist das neue niedersächsische Krankenhausgesetz in Kraft getreten. Gerade haben wir alle Beteiligten im Zuge der Verbandsanhörung der neuen Krankenhausverordnung nochmal angehört.

Im Frühjahr soll die Verordnung die Weichen so stellen, dass wir über den Sommer die Krankenhäuser in ihre Stu­­fen einteilen können. Darauf folgt der Prozess zur Neuaufstellung unseres Krankenhausplanes. Diese Umstruk­turierung soll in den nächsten zwei bis drei Jahren vollzogen werden.

Wie passen die Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform zu Ihren Plänen in Niedersachsen?
Philippi: Die Vorschläge der Kommission bieten eine unheimlich gute Diskussionsgrundlage, aber ich glaube, dass es in der Realität noch einige Bedarfsanpassungen braucht. In Niedersachsen haben wir den Vorteil, dass wir nicht nur große Städte wie Hannover, Göttingen, Osnabrück und Oldenburg, sondern auch viele ländliche Regio­nen haben. Deshalb fällt es uns in Niedersachsen immer etwas leichter das im Ganzen zu denken, als wenn man die Reform nur aus der großen Stadt heraus denkt.

Die Vorschläge der Regierungskommission ähneln an vielen Stellen dessen was die Parlamentarier in einer Enquetekommission Niedersachsen erarbeitet haben. Ich glaube, dass die grundsätzliche Neustrukturierung richtig ist. Ob wir das jetzt Level oder Stufen nennen, ist erstmal nur technisch und kann auf der politischen Ebene diskutiert werden. Wichtiger ist, dass man hinterher den Menschen erklärt, was dies bedeutet.

Und bezüglich des Gutachtens von Boris Augurzky für die Deutsche Krankenhausgesellschaft habe ich mich gefragt, ob das eine Analyse oder eher ein vorher bereits festgelegtes Zusammentragen von Fakten war. Denn das Gutachten führt dazu, dass sich die Flächenländer massiv erschrecken.

Für Niedersachsen würde das Gutachten eins zu eins übersetzt bedeuten, dass es nach einer Reform von 60 Ge­burtshilfen nur noch 20 geben würde, weil diese immer an Level-2-Krankenhäuser gebunden wären. Das ist in einem Flächenland wie in Niedersachsen gar nicht vorstellbar. Das gleiche gilt für die Stroke-Unit-Stationen.

Wenn man diese nur in Level-2-Krankenhäuser einordnen würde, hätte man in Niedersachsen aber auch in an­deren Flächenländern ebenfalls ein Problem. Und doch bin ich insgesamt sehr zuversichtlich und setze mich ent­schieden dafür beim Bund ein, dass solche Szenarien nur das bleiben, was sie sind – ein erstes Denkmodell.

In Niedersachsen soll es künftig ähnlich wie bei den bundesweiten Plänen drei Versorgungsstufen geben. Aller­dings sind keine Leistungsgruppen wie etwa in Nordrhein-Westfalen geplant. Werden hier Umstrukturierungen und Schließungen von Standorten folgen und wie kann mit diesem Vorgehen die Qualität sichergestellt werden?
Philippi: Unsere Reform hat das Ziel, die gute Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten in Nieder­sachsen zu sichern. Und das heißt nicht, Krankenhäuser zu schließen. Die Krankenhäuser werden zunächst so eingestuft, wie sie jetzt sind und wir diskutieren gerade auch über die mögliche Einführung von Leistungs­gruppen.

Darüber hinaus müssen wir prüfen, welches Krankenhaus sich für eine andere Stufe qualifiziert. In der höchsten Stufe sind zwar die Maximalversorger beispielsweise mit einem zertifizierten onkologischen Zentrum wichtig, aber diese werden nicht an jeder Ecke gebraucht. Genauso benötigen wir Krankenhäuser mit einem erweiterten Spektrum sowie Grund- und Regelversorger, die in der Regel eine Chirurgie und Innere sowie ein paar Intensiv­betten und darüber hinaus auch andere kleinere Fachbereiche haben.

Wir haben außerdem gesehen, dass wir im Rahmen der Coronapandemie zwischenzeitlich viele Intensivbetten für COVID-19-Patientinnen und -patienten gebraucht haben, aber insgesamt ist die Belegung der allermeisten Krankenhäuser in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich zurückgegangen. Aufgrund des Anreizsystems des diagnosebezogenen Fallpauschalensystems (DRG), also der ökonomischen Orientierung der Krankenhäuser, sind dadurch eine ganze Menge an Leistungen weggebrochen, die nicht mehr bezahlt worden sind.

Zudem gehen wir davon aus, dass alle in der Medizin für eine gute Qualität sorgen. Für die Qualitätssicherung sind insbesondere Zertifizierungen oder Mindestmengen wichtig. Bezüglich möglicher Leistungsgruppen wollen wir nicht zu viele Dinge vorwegnehmen und uns an der bundesweiten Reform orientieren. Uns interessiert ins­besondere, wie das mit den Vorhaltekosten funktionieren soll. Das ist auch ein wesentlicher Punkt in der Lau­terbachschen Reform, rund 60 Prozent über Vorhaltekosten und 40 Prozent nach wie vor über ökonomische Anreize, also DRGs zu finanzieren.

Die Bundesländer bleiben den Krankenhäusern seit Jahren bei der Investitionskostenfinanzierung Milliarden schuldig. Ihre Vorgängerin Daniela Behrens hatte Anfang Januar den Investitionsstau öffentlich eingeräumt. Was planen Sie, um den Investitionsstau zu lösen?
Philippi: Bei den Koalitionsverhandlungen in Niedersachsen im Oktober 2022 wurde festgelegt, dass die Investi­tionsreserve aufgrund der infrastrukturellen Probleme der Krankenhäuser deutlich erhöht werden muss. Wir ha­ben die Höhe der Investitionen von ehemals jährlich 120 Millionen Euro kontinuierlich gesteigert.

Für dieses Jahr haben wir im zweiten Nachtragshaushalt nochmals 210 Millionen Euro zu den bereits geplanten 150 Millionen Euro aufgerufen. Das heißt wir werden 380 Millionen für das Jahr 2023 für Investitionsmaßnah­men binden können.

Bei der Zusammenlegung oder Schließung von Krankenhäusern sind zudem wir Länder gefordert. Muss ein Kran­kenhaus schließen oder umgewandelt werden, besteht die Möglichkeit für Ausgleichszahlungen, soweit diese er­forderlich sind, um die Schließung oder Umwandlung zu unterstützen oder unzumutbare Härten zu vermeiden.

Im Laufe dieses Jahres geht in Niedersachsen etwa ein Krankenhaus vom Netz und wird in ein Regionales Ge­sundheitszentrum umgewandelt. Dafür gibt es einen finanziellen Ausgleich für die einzelnen Betten sowie zu­sätzliche Förderungen, um das Regionale Gesundheitszentrum aufzubauen.

Welche Leistungen sollen diese Regionalen Gesundheitszentren (RGZ) erbringen? Wie sieht die ärztliche Beset­zung aus und wie stellen Sie die Attraktivität der Zentren sicher?
Philippi: Grundsätzlich können Träger von Krankenhäusern, die bereits vor dem 1. Januar 2023 im niedersächsi­schen Krankenhausplan aufgenommen waren, aufgrund des neuen niedersächsischen Krankenhausgesetzes ihr Haus in ein RGZ umwandeln. Das muss natürlich dem Bedarf in der jeweiligen Region entsprechen. Um eine Förderung beantragen zu können, müssen die Häuser dafür die Bettenzahl auf maximal 25 Betten reduzieren, stationäre und ambulante Angebote kombinieren und eine 24/7-Erreichbarkeit gewährleisten.

RGZ stellen aus Sicht der Landesregierung eine wichtige neue Versorgungsform dar, die interdisziplinäre und sektorenübergreifende Kooperationsformen ermöglicht, ambulante und stationäre Elemente unter einem Dach vereint und für Patientinnen und Patienten eine zentrale Anlaufstelle in ihrer Region bietet. Das Ziel ist, Modelle zu etablieren, die die spezifischen Bedarfe und Voraussetzungen vor Ort berücksichtigen. Deshalb wird es nicht „das RGZ“ geben, sondern unterschiedliche Umsetzungen, die aber die gerade genannten Kernkriterien erfüllen.

Im Laufe dieses Jahres soll in Niedersachsen das erste RGZ in Ankum in der Nähe von Osnabrück nach einer Um­wandlung des Marienhospitals eröffnet werden. Hier wird die ambulante fachärztliche und hausärztliche Ver­sorgung mit einem stationären medizinischen Bereich, einer Pflegeeinrichtung und einem ambulanten OP- und Diagnostikzentrum vereint. Weitere Leistungen wie eine Physiotherapiepraxis, ein Café und Beratungsangebote sind in Planung.

Zunächst sind 15 bis 25 Betten geplant. Weitere Standorte sind zudem in der Entwicklung. RGZ bieten eine sek­torenübergreifende Versorgung und richten sich auch an Patienten, die bei Dehydrierung oder nach einer ambu­lanten Operation eine Nacht überwacht werden müssen.

Für Ärztinnen und Ärzte ist es aufgrund oftmals befristeter Verträge und ökonomischen Drucks zum Teil hochin­teressant nicht mehr in einer großen Klinik zu arbeiten. Als Facharzt findet man sich in einem RGZ oder MVZ ganz gut wieder. © cmk/aerzteblatt.de

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