Politik
Apotheken sollen bis Ende Juli nicht verfügbare Arzneimittel weiter austauschen können
Dienstag, 14. März 2023
Berlin – Apotheken sollen auch weiterhin Arzneimittel bei Nichtverfügbarkeit flexibel austauschen dürfen. Das sieht ein Änderungsantrag für den Entwurf zur Änderung des Gesetzes zur Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) vor, den die Fraktionen SPD, Grüne und FDP aktuell eingebracht haben.
In dem Änderungsantrag, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, heißt es, dass Apotheken, „wenn das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben“ dürfen.
Wenn allerdings kein wirkstoffgleiches Arzneimittel verfügbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben.
Ohne Rücksprache mit dem Arzt dürfen Apotheken hinsichtlich der Packungsgröße, der Packungsanzahl sowie der Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen oder die Wirkstärke abweichen. Allerdings darf dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten werden. Diese flexiblen Abweichungsmöglichkeiten durch die Apotheken sollen befristet bis zum 31. Juli 2023 gelten.
Diese Regelungen wurden bislang mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung seit April 2020 ermöglicht. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Verordnung aufgrund von Arzneimittellieferengpässen während der Pandemie in Kraft gesetzt. Zuletzt hatte der Bundestag die Verordnung mit den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im September 2022 bis zum 7. April 2023 verlängert.
Die Regelungen des Änderungsantrags sollen nun von der Verordnung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch überführt werden. Der Bundestag will das UPD-Gesetz mit diesem Änderungsantrag am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung beraten und damit verabschieden.
Dank vieler Gespräche hätten die Parlamentarier des Bundestags die drohende Regelungslücke erkannt und wollen diese ab dem 8. April schließen, sagte heute Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), bei einer Pressekonferenz. Damit werde etwas Zeit verschafft, allerdings rette der Änderungsantrag die Versorgung leider nur kurzfristig, so Overwiening.
Sie forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deshalb auf, diese Austauschregeln unbürokratisch und flexibel weiterhin zu ermöglichen und auch über den 1. August hinaus zu verstetigen. Konkret forderte sie, dass entsprechende Änderungen bei dem geplanten Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) mit aufgenommen werden sollen.
Zu bürokratische Regelungen
Aktuell ist darin vorgesehen, dass die flexibleren Regeln nur noch für Medikamente gelten, die auf einer entsprechenden Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführt würden, kritisierte Overwiening. Diese Liste sei aber nicht vollständig, nicht tagesaktuell und bilde keine regionalen Besonderheiten ab. Zudem sei es für die Apotheken ein sehr bürokratischer Akt zunächst die Liste zu überprüfen, bevor ein Arzneimittel ausgetauscht werden dürfe.
In dem Gesetzentwurf sind zudem Informationspflichten für Arzneimittelhersteller vorgesehen, um frühzeitiger Lieferengpässe zu erkennen. Ein entsprechendes Frühwarnsystem soll beim BfArM eingerichtet werden. Der Entwurf gehe aber an der Versorgungsrealität in den Apotheken vorbei, kritisierte Overwiening.
„Wir brauchen und fordern dauerhaft die bewährten und unbürokratischen Austauschregeln für alle Arzneimittel“, so Overwiening. Noch seien rund zwei Wochen Zeit bis der Entwurf in das Bundeskabinett eingebracht werden soll, so die ABDA-Präsidentin. Sie hoffe, dass Lauterbach die Zeit nutze und die Regelungen mit in den Entwurf aufnimmt.
Außerdem forderte sie einen angemessenen Engpassausgleich als Honorar für die Apothekerinnen und Apotheker für die Zeit, die damit aufgebracht werde, vergleichbare Arzneimittel ausfindig zu machen und mit den verordnenden Ärzten Rücksprache zu halten. Dass Lauterbach behaupte, die Lage der Lieferketten habe sich mittlerweile wieder entspannt, sei schlicht falsch, betonte Overwiening. „Auf neudeutsch sind das Fake News.“
Unterschiedliche Reaktionen bei Kassenärzten
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bewertet den erweiterten Austausch von Arzneimitteln hingegen als Coronasonderregel, die zum 7. April auslaufen sollte. „Die Ausnahme muss eine Ausnahme bleiben und darf nicht zum Regelfall werden“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
„Wenn Patienten ein anderes Arzneimittel bekommen, als der Arzt oder die Ärztin verordnet hat, kann es schnell zu Fehlern beispielsweise bei der Einnahme kommen, und es birgt ein hohes Risiko einer Verschlechterung der Compliance“, warnte er. Um die Arzneimitteltherapiesicherheit nicht zu gefährden, müsse die Apotheke die Arztpraxis in jedem Fall auch über den Austausch informieren, so Hofmeister.
„Für eine befristete Zeit war die Sonderregelung eines erweiterten Austauschs tolerabel und sicherlich auch hilfreich“, sagte Hofmeister. Denn während der Pandemie sei es wichtig gewesen, unnötige persönliche Kontakte zu vermeiden, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten und die Praxen nicht zusätzlich zu belasten. „Diese Situation haben wir heute nicht mehr, weshalb auch diese Sonderregelung nun beendet werden kann“, sagte Hofmeister.
Deutsches Ärzteblatt print
- Arzneimittel: Höhere Preise und mehr Regeln gegen Engpässe
- Pandemiekonzept: Schutzmaßnahmen beschlossen
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Andere Kassenärztliche Vereinigungen (KV) befürworten allerdings die flexiblen Austauschmöglichkeiten in den Apotheken. So hat die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen (KVT) gemeinsam mit dem thüringischen Apothekerverband, der Apothekerkammer sowie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ein gemeinsames Positionspapier verfasst.
Darin fordern die Verbände eine Übernahme der flexiblen Austauschmöglichkeiten in das geplante ALBVV. „Ohne diese Sonderregeln hätte die Krise in diesem Winter durch Ärzte, Zahnärzte und Apotheker nicht gestemmt werden können, denn die Mangelsituation bei den Arzneimitteln hat sich in den vergangenen drei Jahren deutlich verschärft“, schreiben die Verbände.
„Wir als KVT haben uns bewusst für die bürokratieärmere Variante der Belieferung von Arzneimitteln in der derzeitigen Mangelsituation der Lieferengpässe entschieden, da unsere Kollegen in den Praxen diesen Weg der Zusammenarbeit mit den Apothekern als Entlastung empfinden“, sagte die erste Vorsitzende der KV Thüringen, Annette Rommel, dem Deutschen Ärzteblatt.
„Wir haben über die Thematik - Austauschmöglichkeiten bei Arzneimitteln – mit dem Apothekerverband diskutiert und eine akzeptable Lösung für beide Seiten gefunden. In Thüringen pflegen wir traditionell eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Apothekern, wie beispielsweise auch im Projekt ARMIN“, so Rommel.
Die Thüringer Ärzte- und Apothekerverbände fordern darüber hinaus eine verkürzte Genehmigungsfrist der Krankenkassen für Einzelimporte von Arzneimitteln aus dem Ausland bei Lieferengpässen ohne Gefährdung der Leistungserbringer durch Retaxationen und Prüfverfahren. © cmk/aerzteblatt.de

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