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Ärzteschaft

Ärzte mit Nachfragen zum ärztlich assistierten Suizid konfrontiert

Mittwoch, 15. März 2023

/picture alliance

Berlin – Das Thema Sterbehilfe ist hochkontrovers – nicht erst, seit das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig erklärt hat. Eine nicht repräsentative Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) zeigt jetzt, wie Ärzte zu dem Thema stehen und welche Erfahrungen sie bereits gemacht haben

Die Befragung der Fachgesellschaft startete im September des vergangenen Jahres und wird noch bis zum September dieses Jahres laufen. Einen Zwischenstand der Ergebnisse hat DGS-Vizepräsident Norbert Schür­mann gestern auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023 vorgestellt.

Zur „Sterbehilfe“ zählt die „aktive Sterbehilfe“, das ist die absichtliche Beendigung des Lebens eines Patienten durch einen Arzt, der auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten Medikamente verabreicht. Davon zu unter­schei­den ist der ärztlich assistierte Suizid, bei dem ein Arzt Medikamente verschreibt oder zur Verfügung stellt, da­mit der Patient sein Leben beenden kann. Die DGS-Umfrage bezieht sich auf diesen ärztlich assistierten Suizid.

Bislang haben 444 Teilnehmer die 16 Fragen der laufenden Umfrage beantwortet. „Wie ist Ihre Haltung zum ärztlich assistierten Suizid?“ lautet die erste Frage. 18,3 der Teilnehmer meinen, dass diese nicht möglich sein sollte, 65,8 Prozent meinen, sie sollte bei kranken Menschen möglich sein und 15,9 Prozent meinen, dass sie auch bei Gesunden möglich sein sollte.

„Folglich sprechen sich 81,7 Prozent der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte für die grundsätzliche Möglichkeit zum ärztlich assistierten Suizid aus“, fasste Schürmann zusammen. Entscheidend ist dafür aber offenbar die Krankheitssituation des Patienten.

Nur 5,7 Prozent der Teilnehmer meinen, der ärztlich assistierte Suizid sollte bei akuten körperlichen Erkrankun­gen möglich sein, 52,7 Prozent hingegen vertreten die Auffassung, er sollte bei chronischen körperlichen Er­kran­kungen möglich sein, und sogar 88,7 Prozent wollen die Möglichkeit bei einer erfolglosen Palliativversor­gung einräumen, gleich nach welcher Krankheit (Mehrfachantworten möglich).

Auch bei psychiatrischen Erkrankungen sehen Teilnehmer eine Option im ärztlich assistierten Suizid: 13,1 Pro­zent meinen, er sollte bei akuten psychiatrischen Erkrankungen möglich sein, und 34,5 Prozent denken, er sollte bei chronischen psychiatrischen Erkrankungen eine Option darstellen.

Psychiatrische Erkrankungen sind laut Umfrage ein Bereich, bei dem sich die Geister scheiden: 49,3 Prozent der Teilnehmer geben an, in diesen Fällen einen ärztlich assistierten Suizid nicht zu unterstützen. Ebenfalls rund 50 Prozent wäre aber dazu bereit – die meisten aber nur in Ausnahmesituationen (40,1 Prozent).

Die Teilnehmer geben an, zu einem Großteil bereits Erfahrungen mit Patientenfragen nach einem ärztlich assistierten Suizid zu haben: 61,3 Prozent von ihnen wurden bereits darum gebeten, 38,7 Prozent nicht.

Von den Ärzten, die bereits solche Anfragen hatten, berichten 29,2 Prozent, bislang ein bis zweimal danach gefragt worden zu sein. 39,9 Prozent wurden drei bis fünf Mal gefragt, 12,9 Prozent sechs bis zehn Mal. 18 Prozent wurden bislang schon mehr als 19 Mal nach einem ärztlich assistierten Suizid gefragt.

10,3 Prozent der Umfrageteilnehmer haben das Vorhaben des Patienten unterstützt, 47,7 Prozent haben diese Unterstützung abgelehnt – aber 42 Prozent haben die Unterstützung in Erwägung gezogen.

Die teilnehmenden Ärzte sind zum größten Teil 46 Jahre und älter. Lediglich 12,4 Prozent sind 25 bis 45 Jahre alt. 30 Prozent von ihnen kommen aus der Anästhesiologie, 24 Prozent aus der Allgemeinmedizin, 7,6 Prozent aus der Neurologie, 4,4 Prozent aus der Orthopädie und 40 Prozent kommen aus weiteren Fachrichtungen. 63 Prozent von ihnen geben an, Palliativpatienten zu versorgen, davon betreut mehr als die Hälfte mehr als 25 Palliativpatienten pro Jahr. 40,2 Prozent hat die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin erworben.

Die DGS ermuntert alle Ärzte, sich an der anonymisierten Umfrage zu beteiligen. Die Beantwortung der 16 Fragen dauern rund fünf Minuten.

Wie aber stellt sich die Bevölkerung in Deutschland zu diesem Thema? Eine Einschätzung ermöglicht eine laufende Umfrage der Deutschen Schmerzliga. Zwischenergebnisse stellte der Präsident der Liga, Michael Überall, auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023 vor.

An der Umfrage unter dem Titel „Selbstbestimmung (gerade) auch am Lebensende!“ haben sich seit Oktober 2021 rund 5.700 Teilnehmer beteiligt, 57 Prozent von ihnen Frauen. 27,2 Prozent gaben an, gesund zu sein, 69,2 Prozent sind chronisch und 3,7 Prozent lebensbedrohlich krank.

Rund drei Viertel von ihnen (76,5 Prozent) haben sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, wie ihr Leben enden soll – 91,6 Prozent der Frauen und 55,9 Prozent der Männer. Bei den Teilnehmern mit einer Krankheit geben rund 90 Prozent an, sich mit der Frage beschäftigt zu haben, bei den Gesunden sind es nur rund 36 Prozent.

Insgesamt vertreten rund 65,3 der Umfrageteilnehmer die Auffassung, dass jeder Mensch in allen Phasen seines Lebens über den Zeitpunkt und die Umstände seines Lebensendes selbst bestimmen können sollte.

Die Frage, ob jeder schwerkranke Mensch über den Zeitpunkt und die Umstände seines Lebensendes selbst bestimmen können sollte, beantworten sogar rund 95 Prozent der Befragten mit „ja“. Nur 2,9 Prozent meinen dezidiert, dass Menschen ihr Lebensende nicht selbst bestimmen sollten.

2021 hatte der Deutsche Ärztetag aus verfassungsrechtlichen Gründen beschlossen, das Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe in der Musterberufsordnung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Den Landesärztekammern hatte er eine solche Änderung in ihrem Berufsrecht empfohlen, dabei gleichzeitig aber betont, dass Suizidbeihilfe keine ärztliche Aufgabe sei.

Dies hatte auch Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlands und Vorsitzender des Berufsordnungs­ausschusses der Bundesärztekammer, im Oktober des vergangenen Jahres bekräftigt. Entsprechend der Genfer Deklaration stehe für Ärztin­nen und Ärzte die Wahrung des Lebens ihrer Patienten klar im Vordergrund.

Dies finde sich auch in den Berufsordnungen wieder, denen zu entnehmen sei, dass die ärztliche Tätigkeit – un­ter Achtung des Selbstbestimmungsrechtes der Patienten – darauf ausgerichtet sei, Leben zu erhalten, Gesund­heit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen.

Um Ärztinnen und Ärzten zu unterstützen, wenn an sie der Wunsch herangetragen werde, „Hilfe zum Suizid“ zu leisten, hat die Bundesärztekammer „Hinweise zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB“ erstellt. © hil/aerzteblatt.de

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