Medizin
Metformin schützt übergewichtige und adipöse Menschen in Studie vor Long COVID
Donnerstag, 16. März 2023
Minneapolis/Minnesota – Eine frühzeitige Behandlung von COVID-19 bei übergewichtigen und adipösen Patienten hat in einer Phase-3-Studie nicht nur die Zahl der schweren Verläufe vermindert. Nach den auf dem SSRN-Server des Lancet (2023; DOI: 10.2139/ssrn.4375620) veröffentlichten Ergebnissen kam es in den folgenden Monaten auch seltener zu einer Long-COVID-Diagnose.
Metformin, das bevorzugte Erstmedikament zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, gehört derzeit nicht zu den empfohlenen Medikamenten zur Behandlung von COVID-19. Daran änderten auch die im August im New England Journal of Medicine (NEJM 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2201662) publizierten Ergebnisse einer Phase-3-Studie nichts.
Dort waren seit Anfang 2021 drei „Repurpusing“-Kandidaten (Wirkstoffe, die bereits bei anderen Erkrankungen zugelassen waren) auf ihre Wirkung bei COVID-19 untersucht worden. Für Ivermectin, Fluvoxamin und Metformin waren zuvor in Laborstudien Hinweise auf eine Wirkung gegen SARS-CoV-2 gefunden worden.
In der Studie „COVID-OUT“ wurden 1.323 Patienten auf die verschiedenen Wirkstoffe oder Placebo randomisiert. Alle Teilnehmer im Alter von 30 bis 85 Jahren waren übergewichtig oder adipös und hatten deshalb ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19. Der positive Test auf SARS-CoV-2 durfte nicht länger als drei Tage und der Symptombeginn nicht länger als sieben Tage zurückliegen.
Die Behandlung mit Metformin erfolgte über 14 Tage. Sie begann am ersten Tag in einer Dosis von 500 mg. Danach wurde die Dosis für vier Tage auf 2 x 500 mg verdoppelt. An den weiteren Tagen erhielten die Patienten morgens 500 mg und abends 1.000 mg.
Die Behandlung senkte die Zahl der Patienten, die eine Hypoxämie erlitten oder auf einer Notaufnahme beziehungsweise im Krankenhaus behandelt werden mussten, von 27,4 % auf 23,6 %. Die adjustierte Odds Ratio von 0,84 verfehlte jedoch mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,66 bis 1,09 das Signifikanzniveau. Damit war der primäre Endpunkt (zu dem auch ein Tod gehörte, der aber niemals auftrat) verfehlt.
Dies war allerdings vor allem auf die in etwa gleich hohe Zahl von Hypoxämien zurückzuführen (die von den Patienten selbst mit einem Pulsoxymeter bestimmt wurden). Im sekundären Endpunkt aus Notfallaufnahme, Krankenhausaufenthalt oder Tod war mit einer Odds Ratio von 0,58 (0,35-0,94) eine signifikante Wirkung zu erkennen, auf die Carolyn Bramante von der Universität von Minnesota in Minneapolis und Mitarbeiter in der aktuellen Publikation noch einmal hinweisen.
Die Forscher haben die Teilnehmer auch nach dem Ende der Erkrankungen alle 30 Tage per E-Mail kontaktiert. Die Rücklaufquote war mit 95,1 % sehr hoch, was eine verlässliche Analyse zu den Long COVID-Symptomen ermöglichte. Die Analyse umfasste 564 Patienten in der Metformingruppe und 561 Patienten in der Placebogruppe. Das mittlere Alter der Patienten war 45 Jahre und 56 % waren weiblich, davon 7 % schwanger. Der mittlere BMI betrug 30 kg/m2.
In der Metformingruppe gaben 6,3 % der Teilnehmer an, dass ein medizinischer Dienstleister („medical provider“) bei ihnen die Diagnose Long COVID gestellt habe. In der Placebogruppe waren es 10,6 %. Bramante ermittelt eine Hazard Ratio von 0,58, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,38 bis 0,88 signifikant war. Metformin hatte damit in der relativ jungen Gruppe von übergewichtigen und adipösen Patienten das Risiko auf Long COVID um relativ 42 % und absolut 4,3 %-Punkte gesenkt.
zum Thema
aerzteblatt.de
- Typ-2-Diabetes: Erstbehandlung mit Metformin erzielt nicht immer die erhoffte Wirkung
- Kann Metformin in der Frühphase eine Hospitalisierung verhindern?
- Typ-2-Diabetes: Glargin und Liraglutid senken Blutzucker in Kombination mit Metformin am besten
- Triple-Agonist: Deutliche Gewichtsreduktion in erster klinischer Studie
Wenn die Behandlung mit Metformin innerhalb der ersten vier Tage nach Einsetzen der Symptome begonnen wurde, betrug die Hazard Ratio 0,37 (0,15 bis 0,95). Die Teilnehmer erkrankten dann zu 63 % seltener an Long COVID.
Die Studie bestätigte auch einige bekannte Risikofaktoren für Long COVID. Frauen erkrankten zu 11,1 % und damit mehr als doppelt so häufig wie Männer mit 4,9 % (vielleicht gingen sie aber nur häufiger wegen derselben Beschwerden zum Arzt). Patienten, die mindestens eine Grundimmunisierung erhalten hatten, erkrankten zu 6,6 % gegenüber 10,5 % der Ungeimpften. Von den 57 Teilnehmern, die bereits eine Auffrischung erhalten hatten, erkrankte nur ein einziger an Long COVID.
Die Ergebnisse dürften die Entscheidung, junge und übergewichtige/adipöse Patienten im Fall von COVID-19 „off label“ mit Metformin zu behandeln, bestärken, zumal sich das Medikament in der Behandlung des Typ-2-Diabetes als sicher erwiesen hat. Bei Personen ohne Typ-2-Diabetes dürfte das Risiko eines Blutzuckerabfalls ohnehin minimal sein. © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.