Politik
Mehrwert der Digitalisierung statt Datenskandale in den Vordergrund stellen
Freitag, 17. März 2023
Berlin – Datenschutz bei Digitalisierungsfragen im Gesundheitswesen sei zwar notwendig, sagte gestern Abend die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, bei einer Diskussionsrunde in der Bayerischen Landesvertretung. „Aus ethischer Perspektive haben wir uns aber Jahrzehnte mit den Risiken der Datennutzung beschäftigt und nicht mehr mit dem Nutzen. Das ist inzwischen eine zutiefst unethische Disbalance“, sagte sie.
Damit gingen wichtige soziale Güter nicht nur für einzelne Patientinnen und Patienten, sondern für die ganze Gesellschaft verloren. „Was uns fehlt sind die guten, positiven Geschichten über Datennutzung. Stattdessen hören wir ständig etwas über Datenskandale“, sagte Buyx.
Gerade wenn jemand ins Krankenhaus käme und eine Medikamentenunverträglichkeit habe, würde eine funktionierende elektronische Patientenakte (ePA) kurz aufblinken und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte informieren. Stand heute, wüssten die behandelnden Ärzte aber oftmals nichts von dieser Unverträglichkeit, dies sei sehr gefährlich.
Auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bekräftigte gestern, dass der Nutzen und Mehrwert von digitalen Prozessen mehr in den Vordergrund rücken müssten. Er begrüßte, dass der Bund kürzlich seine neue Digitalisierungsstrategie vorgelegt hat. „Gut, dass das Papier und der Wille da ist, nach vorne zu gehen und entsprechende Dinge umzusetzen.“
Allerdings betonte Holetschek, dass es neben der Digitalisierungsstrategie auch eine Kommunikationsstrategie brauche, um der Bevölkerung zu erläutern, welchen Mehrwert die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat. Dafür brauche es nicht nur eine Internetseite, sondern entsprechende Kommunikationstools von einer Hotline bis zur Beratung, forderte Holetschek. „Sonst wird es nicht gelingen.“ Auch für die Leistungserbringer müssten digitale Lösungen einfach und gut gestaltet sein, sonst gebe es keine Akzeptanz.
Prozesse in Arztpraxis müssen gut funktionieren
Für die Hausärzte sei wichtig, dass digitale Prozesse in der Praxis auch funktionieren, bekräftigte Markus Beier, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Die ePA müsse intuitiv ins Primärsystem laufen, so Beier. „Wir lechzen danach Prozesse an vielen Stellen digitalisieren zu können.“ Es fehle aber oft die Voraussetzung der Benutzerfreundlichkeit für Ärztinnen und Ärzte, das müsse Teil des Prüfprozesses sein.
Dass das Verfahren der ePA bald auf ein Opt-out-Prozess umgestellt werden soll, begrüßte Holetschek. Die ePA sei der „Nukleus der Digitalisierung“. Seit Anfang 2021 gibt es die E-Akte, allerdings bislang nutzen nur sehr wenige Versicherte diese auf freiwilliger Basis. Die Beantragung bei der Krankenkasse ist derzeit sehr umständlich, zudem ist der Nutzwert der Akte noch nicht sehr hoch.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die bereits bestehende ePA in ein Opt-out-Verfahren ummodeln, ab 2024 soll sie zudem für alle verbindlich werden. Ziel sei, dass bis 2025 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePA haben und bis Ende 2025 ebenfalls 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen.
Es sei aber noch nicht ganz klar, wie das Opt-out-Verfahren aussehen werde, so Holetschek. Er warnte davor, zu früh zu viel zu differenzieren, sondern es müsse eine einfache Lösung mit guten Schnittstellen geben, so der bayerische Politiker. In diesem Bereich werde auch die Forschung gut angeschlossen werden müssen. In Deutschland sei vieles, was Studien betrifft zu komplex, deshalb müsse man sich oft auf Daten aus dem Ausland berufen, kritisierte Holetschek. Dies müsse aber künftig stärker auch in Deutschland möglich sein. „Es geht darum mit Daten die beste Medizin für die Menschen sicherzustellen“, so Holetschek.
Beier sieht die geplante Opt-out-Regelung der ePA auch als Verbesserung, pochte aber darauf, dass es eine strukturierte Akte sein müsse und nicht bloß eine Sammlung von PDFs. Klar sei zudem, dass die Ärzte auch eine gewisse Rolle bei der Erklärung der ePA bei den Patienten übernehmen werden. „Wir sind soweit pragmatisch und realistisch, dass uns dabei auch eine Rolle zukommen wird“, so Beier.
Alle Akteure miteinbeziehen
Allerdings forderte auch Beier einen Einführungsprozesse, der kommunikativ so gestaltet sei, dass es in der Bevölkerung bereits Bereitschaft und Bewusstsein für die E-Akte gebe. Digitale Prozesse in der Praxis müssten Ärzten Zeitersparnis bringen und etwa die Möglichkeit von Red Flags, also Warnungen im Praxisverwaltungssystem, geben, um sich um die Patienten verstärkt zu kümmern, die besonders gefährdet seien.
Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen müssten insgesamt alle entsprechenden Akteure mit einbezogen werden, warb Holetschek. „Wir müssen die Leistungserbringer mit einbeziehen, weil sie direkten Kontakt mit den Patienten haben.“ Es sei ein Fehler in der Politik, nicht mit den Leuten zu sprechen, die betroffen sind, sagte er und spielte damit offensichtlich auf die jüngste Vorgehensweise des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) an.
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- Digitalisierung: Lauterbachs Turboschub
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Lauterbach hatte im Zuge der Krankenhausreform bislang vor allem mit einer wissenschaftlichen Kommission sowie den Bundesländern zusammengearbeitet. Vonseiten der Selbstverwaltung kam immer wieder die Kritik, dass diese nicht ausreichend Gehör beim Minister finden würden. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland liege Holetschek zufolge aber nicht in telemedizinisch assistierten Gesundheitskiosken. Stattdessen seien und blieben die Hausärzte im System zentral, so Holetschek.
Er sprach sich zudem dafür aus im Zuge des europäischen Gesundheitsdatenraumes (EHDS) Impulse aus Deutschland zu liefern, um diesen Prozess aktiv mitzugestalten. „Der europäische Gesundheitsdatenraum ist ein Booster, weil wir dadurch sehen, dass wir weiter vorangehen müssen“, so Holetschek. Der EHDS gebe die Chance, das deutsche System anzudocken und interoperabel zu gestalten. © cmk/aerzteblatt.de

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