Politik
Bessere und vernetztere Versorgung bei Post COVID benötigt
Freitag, 17. März 2023
Berlin – Bei der Behandlung von Coronalangzeitfolgen wie Post COVID braucht es ein besseres und vernetzteres Vorgehen. Das betonte heute unter anderem der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bei einem Expertentreffen in der bayerischen Landesvertretung in Berlin.
„Post und Long COVID beschäftigen uns weit über die akute Coronapandemie hinaus. Deshalb müssen wir die Langzeitfolgen der Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten dringend stärker erforschen“, sagte Holetschek. Es müsse aber auch darum gehen, Impulse für die Regelversorgung zu setzen und Rahmenbedingungen für eine langfristige Finanzierung in der Versorgung von Post- und Long-COVID-Betroffenen zu schaffen.“
Holetschek forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, eine nationale Long-COVID-Strategie aufzulegen. Dieser hatte bereits vor einigen Tagen angekündigt, ein entsprechendes Hilfsprogramm für Betroffene zu planen.
Auch die Internistin und Hämatoonkologin Carmen Scheibenbogen forderte, dass die Versorgung von Long- und Post-COVID-Patienten in die gesamte Breite der Gesundheitsversorgung gehen müsse. „Die Patientinnen und Patienten, die bei uns anrufen, sind verzweifelt bis wütend“, erklärte sie. „Wir haben Versorgungskonzepte, brauchen aber mehr Personal“, sagte die Ärztin, die die Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité leitet.
Um hier Kapazitäten aufzustocken, sei sie auch etwa im Gespräch mit dem Berliner Senat für Gesundheit, doch hier gebe es bislang keine Unterstützung, so Scheibenbogen. „Das Teuerste ist aber, nichts zu tun. Denn sonst rutschen viele Betroffene in die Arbeitslosigkeit ab oder werden sogar zu Pflegefällen.“
Sie befürwortete insbesondere die Einrichtung von Zentren für postinfektiöse Erkrankungen, in denen alle Menschen mit entsprechenden komplexen Symptomen behandelt werden könnten, also etwa Post COVID oder auch ME/CFS-Patienten.
Manche Patienten kommen im Rollstuhl aus der Reha
Weiter sei es wichtig, weitere Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und verstärkt Ärztinnen und Ärzte über die Erkrankung zu informieren, so Scheibenbogen. „Es gibt nach wie vor Ärzte, die die Erkrankung nicht ernst nehmen, falsch diagnostizieren und therapieren“, kritisierte sie. Dies mache manche Menschen nach einer falschen, aber wohlgemeinten Therapie kränker.
Auch Rehabilitationskonzepte seien oft noch nicht an die Erkrankung angepasst. Dies führe dazu, dass Patienten teilweise im Rollstuhl aus der Reha kommen, kritisierte Scheibenbogen. Zudem gebe es noch sehr wenige Medikamente für die Behandlung von Post COVID.
David Herr von der Abteilung Ressortforschung aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), betonte, dass die Regierung die Versorgung von Long und Post COVID bereits im Blick habe. So habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis Ende 2023 die Aufgabe in einer Richtlinie Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long COVID zu erarbeiten.
Diese soll dafür sorgen, dass eine sektorübergreifende Versorgung leichter möglich wird. Zudem plant das BMG eine zentrale Webseite mit verständlichen Ergebnissen und Orientierungshilfen zu diesem Thema sowie eine Telefonhotline, so Herr.
Holetschek forderte darüber hinaus, dass auch Menschen nicht alleine gelassen werden dürfen, die nach einer Coronaimpfung beeinträchtigt seien. „Mein Eindruck ist, dass viele Betroffene nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Deswegen richten wir in Bayern in Kürze eine Hotline ein, an die sich Betroffene wenden können.“
Die Hotline werde keine individuelle medizinische Beratung darstellen. Aber sie könne allgemeine Informationen geben, Hinweise zu den Versorgungspfaden und Abklärungsmöglichkeiten der Beschwerden vermitteln und ein erster Ansprechpartner sein.
Einrichtung eines Impfregisters solle geprüft werden
Zudem werde das bayerische Gesundheitsministerium voraussichtlich kommende Woche eine Internetseite zur Post-Vac-Thematik starten. Die Hotline und die Internetseiten sollen, wie Lotsen durchs Thema führen und hilfreiche Informationen bieten.
Darüber hinaus forderte er Lauterbach auf, die Einrichtung eines bundesweiten Impfregisters zu prüfen. Eine bessere Datenlage zum Impfgeschehen wäre auch im Umgang mit möglichen Impfschäden für die Versorgung und Forschung hilfreich.
In Bayern wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) mehr als 350.000 Menschen mit der Diagnose Post- oder Long-COVID-Syndrom ambulant erstversorgt. Im gesamten Jahr 2021 waren es rund 150.000, so das bayerische Gesundheitsministerium.
Der Begriff Long COVID umfasst Symptome, die mehr als vier Wochen nach der akuten Infektion fortbestehen, sich verschlechtern oder neu auftreten. Als Post-COVID-Syndrom werden Symptome bezeichnet, die mehr als zwölf Wochen nach der Infektion andauern und nicht durch eine alternative Diagnose erklärt werden können. Als Coronalangzeitfolgen werden inzwischen mehr als 200 mögliche Symptome beschrieben.
Bayern hatte im Juni 2021 eine Förderinitiative zur Versorgungsforschung bei Coronalangzeitfolgen mit einer Fördersumme von fünf Millionen Euro aufgelegt. Damit wurden sieben Projekte unterstützt. Die Förderung wurde nun verlängert, Projektanträge können noch bis zum 27. März 2023 beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gestellt werden. Für die zweite Förderrunde sind ebenfalls fünf Millionen Euro vorgesehen.
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- Immungedächtnis nach SARS-CoV-2: Eine COVID-Infektion schützt mindestens so gut wie die Impfung
- Post-COVID-Syndrom
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Bundesweit werden zudem seit 2021 zehn Forschungsverbünde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 6,5 Millionen Euro gefördert. Diese sollen Daten aus der Versorgung analysieren und Erkenntnisse möglichst schnell in die Verbesserung der Versorgung der Menschen fließen lassen.
Zudem fördert das BMBF seit Oktober 2022 eine Nationale Klinische Studiengruppe zu Post-COVID-Syndrom und ME/CFS mit rund zehn Millionen Euro. Ziel ist die Durchführung von klinischen Pilotstudien mit bereits zugelassenen Arzneimitteln und Medizinprodukten, deren Wirkung bei ME/CFS und Post COVID erprobt werden sollen. An dieser Gruppe ist auch Scheibenbogen beteiligt. Diese Förderung sei noch für dieses Jahr gesichert, so Scheibenbogen. Es gebe aber noch keine Anschlussförderung für 2024. © cmk/aerzteblatt.de

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