Politik
Bundesgesundheitsministerium offen für weitere Schutzimpfungen in Apotheken
Dienstag, 21. März 2023
Berlin – Schutzimpfungen gegen Grippe und COVID-19 in Apotheken haben sich aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bewährt und werden künftig einen zunehmenden Teil der Regelversorgung stellen. Das erklärte BMG-Staatssekretärin Sabine Dittmar heute in Berlin.
Sie könne sich vorstellen, das Angebot auf weitere Schutzimpfungen zu erweitern, akut geplant sei das aber noch nicht. „Ich denke die Coronapandemie hat uns in den letzten drei Jahren vor Augen geführt, wie wichtig niedrigschwellige Impfangebote sind“, erklärte Dittmar heute auf einem Symposium der Bundesapothekerkammer (BAK) in Berlin.
Es sei ihr schon seit langem ein Anliegen, Impfquoten zu erhöhen und vor allem die Apothekerschaft könne dabei einen großen Beitrag leisten. „Es geht hier nicht um eine Trennung der Zuständigkeiten zwischen Ärzteschaft und Apothekerschaft, sondern um ein Angebot für die Bevölkerung“, beteuerte sie.
Denn gerade bei der Influenzaschutzimpfung sei die Praxisinfrastruktur in Deutschland schon allein wegen der Öffnungszeiten nicht niedrigschwellig genug. Für arbeitstätige Menschen sei es viel sinnvoller, wenn sie eine Impfung morgens oder abends ohne Aufwand durchführen lassen könnten.
Außerdem sei die Apothekerschaft in der Lage, derartige Angebote schnell und unkompliziert auszurollen, was man beispielsweise auch an den Impfzertifikaten während der Coronapandemie habe sehen können: „Da waren sie schneller als manche Praxis mit ihrem Praxisverwaltungssystem. Da muss man mal sagen, dass sie da technisch sehr gut aufgestellt sind“, lobt sie die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker.
Resultat seien 330.000 Impfungen in Apotheken zwischen Februar 2022 und März 2023. Das solle aber nur der Anfang sein: „Wahrscheinlich ist bei der Zahl der impfenden Apotheker noch Luft nach oben“, sagte Dittmar. „Aber da muss man auch schauen, wo es vielleicht die eine oder andere Hürde noch aus dem Weg zu räumen gibt.“
Paula Piechotta, Berichterstatterin für Arzneimittel und Apotheken für die Grünen im Bundestag, erklärte im Anschluss an das Symposium ihre Unterstützung für Dittmars Auffassung: „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es gut, dass der Gesetzgeber den Apotheken diese zusätzliche Leistung unkompliziert ermöglicht hat“, sagte sie. „Impfungen sind gutes Beispiel dafür, wie Apotheken in Ergänzung zu Arztpraxen die medizinische Grundversorgung gerade in unterversorgten Regionen mit absichern können.“
Ziel sei weiterhin, die Impfquoten mit Hilfe der Apotheken zu steigern, betonte Dittmar. Eine Ausweitung auf andere Schutzimpfungen wie Tetanus oder Tollwut könne sie sich zwar gut vorstellen, sie sei jedoch aktuell nicht auf der politischen Agenda. Lediglich Mehrfachimpfungen bei Kindern sehe sie potenziell nicht in Apotheken.
Konflikte zwischen Ärzte- und Apothekerschaft sehe sie dabei nicht. „Mein Eindruck ist, dass es an der Basis vor Ort gut klappt“, erklärte die ehemals niedergelassene Hausärztin. „Da wo es immer knirscht, sind die verfassten Organisationen.“
Das bekräftigte auch BAK-Präsident Thomas Benkert: Einer kürzlich im Auftrag der BAK durchgeführten Befragung zufolge war der Widerstand, den Apotheken vonseiten der Ärzteschaft wahrgenommen haben, spürbar geringer als zuvor erwartet.
Nur 18 Prozent der mehr als 2.700 befragten Apothekeninhaber und -angestellten gaben an, dass die Ärzte in ihrem Umfeld überwiegend ablehnend auf das neue Angebot reagiert haben. Demgegenüber stehen 22 und 29 Prozent, die von überwiegend zustimmenden bis gemischten Reaktionen berichten.
41 und 34 Prozent der Befragten hatten angegeben, dass sie Influenza- beziehungsweise COVID-19-Schutzimpfungen anbieten oder planen, das in Kürze zu tun. 51 Prozent sprachen sich dafür aus, in Apotheken weitere Impfungen bei ausgewählten oder bei allen in Frage kommenden Indikationen anzubieten.
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Auch Benkert zeigte sich offen: „Wenn die Politik an uns heranträgt, dass wir mehr können, wären wir bereit, mehr zu tun“, erklärte er, um im Anschluss zu beteuern: „Wir wollen nicht im Hoheitsgebiet der Ärzteschaft wildern. Wir bieten eine niederschwellige Ergänzung.“
Rückendeckung erhielt er dabei von Matthias Bollinger, einem Kinderarzt aus der Flughafenklinik in Frankfurt am Main. „COVID hat es gezeigt und Grippe zeigt es jedes Jahr: Es geht darum, in einem engen zeitlichen Rahmen möglichst viele Menschen geimpft zu bekommen“, erklärte er. „Und das kann unser bestehendes System aus Arztpraxen gar nicht leisten. Da brauchen wir viel Unterstützung, wenn wir das als gesellschaftliche Aufgabe sehen.“
Das Impfen selbst sei kein Hexenwerk. Es brauche lediglich ein paar Überlegungen und gut Planung, wie man das umsetzt – selbst bei den aktuellen Regularien. „Das geht sicherlich nicht in jeder Ecke, aber dass man da Raumvorgaben macht, ist natürlich Nonsens auf hohem Niveau“, kritisierte er. „Das muss Struktur haben und dann kann das in der Apotheke genauso laufen wie in jeder Arztpraxis.“
Er sehe jedenfalls keine fachlichen Gründe, die dem entgegensprächen, insbesondere nicht die oft angebrachten anaphylaktischen Schocks. „Die Versorgung von Notfällen ist in der Apotheke nicht dramatisch schlechter als in etlichen Arztpraxen. Aber sie stehen natürlich unter einer anderen Beobachtung“, erklärte Bollinger.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Bundesärztekammer (BÄK) und der Deutsche Hausärzteverband sehen das anders. Sie aben unisono immer wieder darauf hingewiesen, dass das Impfen eine urärztliche Aufgabe ist. © lau/aerzteblatt.de

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