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Ärzteschaft

Krankenhausreform hat Auswirkungen auf die Weiterbildung

Donnerstag, 23. März 2023

/sudok1, stock.adobe.com

Berlin – Eine Umgestaltung der Krankenhauslandschaft in Deutschland, die gerade von Bund und Ländern im Rahmen einer Krankenhausreform diskutiert wird, ist alleine schon wegen des demografischen Wandels unumgänglich. Darauf wies der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, gestern auf einer Fachveranstaltung der BÄK zur Krankenhausreform hin.

„Man kann nicht oft genug betonen, dass der Ist-Zustand nicht aufrechtzuerhalten ist“, sagte Reinhardt. „Diese Erkenntnis ist noch nicht überall vorhanden.“ Das deutsche Gesundheitswesen habe ein hohes Maß an Beharrungsvermögen. „Doch das hilft an dieser Stelle nicht“, so Reinhardt. „Wir müssen uns dieser Erkenntnis stellen und mit Verstand dafür sorgen, dass wir auch künftig eine hochwertige Patientenversorgung sicherstellen können.“

Auf die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Gesundheitswesen wies auch Christian Karagiannidis hin, der als Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung an den Vorschlägen der Kommission für eine grundlegende Krankenhausreform federführend mitgewirkt hat.

„Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Der Ist-Zustand wird sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich unter keinen Umständen haltbar sein“, sagte Karagiannidis. „In den 2020er-Jahren werden wir infolge des demografischen Wandels circa 500.000 Arbeitnehmer pro Jahr verlieren, wodurch die Zahl der Beitragszahler sinkt, während die Zahl der Menschen, die im Gesundheitssystem versorgt werden müssen, steigt.“ Die Folge seien „eklatante Personalprobleme“.

Die Weiterbildung mitdenken

Um die deutsche Krankenhauslandschaft umzugestalten, hat die Regierungskommission im vergangenen Dezember vorgeschlagen, sowohl Versorgungslevel als auch Leistungsgruppen inklusive Mindeststrukturvorgaben zu definieren, denen die Krankenhäuser zugeordnet werden. Nur, wer die Strukturvorgaben erfüllt, soll vom Bund eine ebenfalls vorgeschlagene Vorhaltepauschale bekommen, die die DRG-Vergütung ergänzt.

Auf der Basis dieses Vorschlags diskutieren Bund und Länder derzeit, wie die Krankenhausreform genau ausgestaltet werden soll. Bis zur Sommerpause sollen Eckpunkte vorliegen. Heute kam die Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) zu ihrem zweiten Arbeitstreffen zusammen.

Die Bundesärztekammer begrüßte gestern, „dass sich Bund und Länder gemeinsam auf den Weg der Krankenhausreform machen“, so Reinhardt. Denn „wir brauchen mehr Abstimmung zwischen den Krankenhäusern und eine bessere Aufgabenteilung“. Zudem bedürfe es neuer Konzepte, um eine flächendeckende Grundversorgung nachhaltig sicherzustellen. Zugleich forderte die BÄK, dass bei der Reform die ärztliche Weiterbildung mitgedacht werden müsse. Denn die Reform werde unweigerlich Auswirkungen auf die Weiterbildung haben.

Zwei Szenarien für die Weiterbildung

„Zwei Szenarien sind in der Folge der Krankenhausreform für die Weiterbildung möglich“, erklärte der Ärztliche Geschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Markus Wenning. Krankenhäuser, die die noch zu definierenden Mindestvoraussetzungen der Leistungsgruppen nicht erfüllen, dürfen diese Leistungen nicht mehr erbringen. „Sie haben dann ein schmaleres Leistungsspektrum und insofern eine eingeschränkte Weiterbildungsbefugnis“, so Wenning. „Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten müssten in der Folge ihre Weiterbildung in verschiedenen Krankenhäusern absolvieren. Das kann zu Zeit- und vielleicht auch zu Einkommensverlusten führen.“

Die Reform könne aber auch dazu führen, dass Krankenhäuser in bestimmte Leistungsgruppen investieren und die entsprechenden Abteilungen ausbauen. „Dann könnte sich die Weiterbildung in diesen Fächern verbessern und mehr Fachärztinnen und -ärzte könnten weitergebildet werden“, sagte Wenning. Es sei zu erwarten, dass beide Szenarien zugleich eintreten.

Leistungsgruppen sinnvoll voneinander abgrenzen

Der Geschäftsführer Politik der Bundesärztekammer, Ulrich Langenberg, bezeichnete es als naheliegend, dass sich die Leistungsgruppen an den Vorgaben der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren. So habe es auch das Land Nordrhein-Westfalen gemacht, das derzeit eine Reform der Krankenhausplanung umsetzt. Denn die Ärzteschaft arbeite kontinuierlich daran, die Fachbereiche in der Weiterbildungsordnung an aktuellen medizinischen Gesichtspunkten auszurichten.

Langenberg betonte, dass die Definition der einzelnen Leistungsgruppen der Kern der künftigen Krankenhausplanung sei. Die Regierungskommission hatte 128 Leistungsgruppen vorgeschlagen. In NRW gibt es 60 somatische Leistungsgruppen. Eine Zahl vorab festzulegen, sei nicht sinnvoll, betonte Langenberg. Stattdessen müsse man sich vor einer Reform darüber klar werden, was man aus planerischer Sicht mit den Leistungsgruppen erreichen will.

„Möchte ich Mengen oder Standorte begrenzen?“, fragte Langenberg. „Möchte ich die Versorgung sicherstellen, wo eine Unterversorgung droht? Möchte ich die Qualität sichern? Möchte ich ein bestimmtes Fachgebiet möglichst flächendeckend in Deutschland abbilden?“

Essenziell sei bei der Reform zudem, wie die einzelnen Leistungsgruppen sinnvoll voneinander abgegrenzt werden. „Diese Diskussion muss geführt werden“, betonte Langenberg. Die Schweiz habe jeder Behandlung nur eine Leistungsgruppe zugeordnet. „Dafür bräuchte man einen Algorithmus“, so Langenberg. „Dafür muss zum Beispiel geklärt werden, welcher Leistungsgruppe ein Patient zugeordnet wird, der seine Hüfte gebrochen hat.“

Anschubfinanzierung für den Umbau

Die Regierungskommission hatte vorgeschlagen, dass die Vorhaltepauschalen künftig in den meisten Fachrichtungen 40 Prozent der gesamten Betriebsmittel stellen sollen. Der Rest soll weiterhin über Fallpauschalen abgerechnet werden. Susanne Johna, Mitglied im Vorstand der BÄK und 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), sprach sich dafür aus, das DRG-System noch deutlicher zu reformieren.

„Wir sind der Meinung, dass die gesamten patientennahen Personalkosten aus dem System ausgegliedert werden müssen“, sagte sie heute auf einer Pressekonferenz des MB in Berlin. „Denn jetzt sehen wir, dass sich der Druck, bei dem Personal einsparen zu müssen, auf die Berufsgruppen überträgt, die nicht aus dem DRG-System ausgegliedert sind.“ Bislang hat die Politik nur die Pflege am Bett aus den DRGs ausgegliedert.

Heute würden für das hochkomplexe DRG-Systeme viele personelle und finanzielle Ressourcen verbraucht, so Johna weiter. „Wenn wir das System beibehalten, werden diese Ressourcen weiterhin für die Patientenversorgung verlorengehen. Es wäre deshalb besser, die Finanzierung ganz neu aufzustellen.“

Zudem forderte sie von Bund und Ländern eine Anschubfinanzierung für die Umsetzung der Reform. „Wenn Krankenhäuser Leistungsgruppen tauschen sollen, bedeutet das immer auch, dass Strukturen neu aufgebaut werden müssen“, sagte Johna. „Das dafür notwendige Geld können die Krankenhäuser nicht selbst aufbringen. Diese Kosten müssen Bund und Länder übernehmen.“

„Scheitern ist keine Option“

Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Henriette Neumeyer, forderte von der Politik ein Vorschaltgesetz vor der Krankenhausreform, das den Krankenhäusern finanziell hilft. Durch die unzureichende Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer, durch die niedrigen Fallzahlen und durch die gestiegene Inflation stehen viele Krankenhäuser aktuell stark unter Druck. Die Unterfinanzierung setze die Krankenhäuser unter einen maximalen Stress, sagte Neumeyer.

Um die Krankenhausreform überhaupt wie geplant umsetzen zu können, brauche es zunächst eine schnelle Stabilisierung des Systems. Denn nur dann könnten die Krankenhäuser überhaupt die Ressourcen aufbringen, um eine große strukturelle Umstellung des Systems umzusetzen.

Auch Karagiannidis von der Regierungskommission betonte, dass es den Krankenhäusern wirtschaftlich zusehends schlechter gehe. Es sei zu erwarten, dass 60 Prozent der Häuser rote Zahlen schreiben. „Deshalb brauchen wir bis zum Ende des Jahres unbedingt einen Gesetzentwurf für die Krankenhausreform. Ohne eine Reform werden wir es nicht schaffen, die Kliniken zu stabilisieren. Und das heißt: Ein Scheitern ist für Bund und Länder keine Option.“ © fos/aerzteblatt.de

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