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Politik

Bundesweite Krankenhausreform soll sich an NRW-Reform orientieren

Donnerstag, 23. März 2023

/picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Die geplante bundesweite Krankenhausreform soll sich stärker an der bereits geplanten Reform der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen (NRW) orientieren. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute nach der dritten Bund-Länder-Runde zur Erarbeitung einer Reform an.

Grundlage sollen dabei zunächst 64 Leistungsgruppen für Behandlungsarten sein, wie sie bereits in Nordrhein-Westfalen erarbeitet wurden. „Es kann sein, dass wir mehr Leistungsgruppen dazu nehmen, die dort aus unserer Sicht nicht ausreichend abgebildet sind“, erklärte Lauterbach.

Die Leistungsgruppen sollen die bislang geltende Fachabteilungsstruktur ersetzen und eine zielgenauere Krankenhausplanung ermöglichen. Die Regierungskommission Krankenhaus hatte im Dezember 2022 die Einführung von 128 Leistungsgruppen vorgeschlagen, um dafür zu sorgen, dass Krankenhäuser auch nur die Fälle behandeln, für die sie eine entsprechende personelle und technische Ausstattung vorhalten können.

Für die Erbringung der Leistungsgruppen in NRW seien zum Teil sehr gute qualitative Voraussetzungen hinterlegt, so der Minister, der zuletzt den Zeitplan der Reform in NRW kritisiert hatte. Heute sagte er, dass die Leistungsgruppen unter anderem bereits gute Vorgaben aus der Weiterbildungsordnung für die Facharzt­prüfung und damit eine „sehr gute Grundlage“ bieten. Zudem soll der weitere Prozess um Erfahrungen aus der Schweiz ergänzt werden.

In einem Orientierungspapier des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, heißt es, dass das BMG mit Unterstützung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) unter Beachtung der Vorschläge der Regierungskommission und den Stellungnahmen der medizinischen Fachgesellschaften auch das Leistungsgruppen-Modell, das in Zürich Anwendung findet, untersuchen will.

Laut BMG-Papier, das als Diskussionsgrundlage für die heutige Runde diente, sollen weiter die Details der Leistungsgruppen im Rahmen einer Rechtsverordnung unter Einbeziehung der Länder festgelegt werden.

Darüber hinaus will Lauterbach in einigen Wochen konkrete Zahlen zu den Auswirkungen vorlegen. Im BMG-Papier heißt es, dass das BMG bis Ende April 2023 erste konkretere Umsetzungsvorschläge hinsichtlich der Reformausgestaltung vorlegen wolle. Diese sollen erlauben, gemeinsam mit den Ländern praktische Folgenabschätzungen vornehmen zu können.

Über den geplanten Basisvorschlag solle deutlich werden, "wieviele Kliniken profitieren, wieviele Kliniken in Probleme kommen und was das für die Versorgungssicherheit bedeutet", sagte Lauterbach. Grundlage der Analyse sollen ebenfalls die Leistungsgruppen aus NRW sein. Damit könne die Debatte „konkreter werden“ und die Vorstellung von Eckpunkten bis zur Sommerpause beschleunigt werden.

Bislang gebe es nur die Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die sich auf die Vorschläge der Regierungskommission Krankenhaus beziehen. „Das ist aber längst nicht mehr der aktuelle Stand“, sagte Lauterbach. Mittlerweile haben sich Bund und Länder bei den geplanten Versorgungsstufen auf Öffnungsklauseln und Abweichungsmöglichkeiten geeinigt. Allerdings ist noch offen, wie konkret diese Ausnahmen aussehen sollen. Auch die Frage nach möglichen Mindestmengen sei noch ungeklärt, so das BMG-Papier.

Abweichungen nur im Einzelfall

Wichtig sei die geplanten Level und Leistungsgruppen miteinander zu verknüpfen, so Lauterbach heute. Im BMG-Papier heißt es dazu: „Es werden hierbei feste Zuordnungen von Leistungsgruppen zu Levels vorgesehen.“ Mit Blick auf ländliche Räume sollen die Länder bundeseinheitliche klar definierte Optionen erhalten, im Einzelfall zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung auch abweichende Zuordnungen treffen zu können, heißt es weiter. Das BMG sehe zudem Abweichungen von Strukturvoraussetzungen kritisch.

Zu diesen Formulierungen gab es heute aber noch keine Einigung, sagte Lauterbach. Entsprechende Änderungen der Formulierungen werden nun erarbeitet. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) bekräftigte heute: „Wir sind der Einigung näher als der Nichteinigung.“

Um die Versorgung auf dem Land und in der Stadt sicherzustellen brauche es Flexibilität, aber umgekehrt müssten die „qualitativen Bedingungen klar definiert sein“, sagte Lauterbach. Die bereits vorliegende Struktur der Krankenhäuser müsse mitbedacht werden, „weil wir das Personal nicht einfach umpflanzen können“, sagte Lauterbach. „Wir brauchen das gesamte Personal, da haben wir keine Spielräume.“ Auch Lucha erwähnte die Notwendigkeit der Berücksichtigung von regionalen Bedürfnissen. Eine Forderung der Länder sei deshalb Level und Leistungsgruppen nicht statisch zueinanderzufügen, so Lucha.

Der Grünen-Politiker nimmt nach eigener Aussage aus seinem Beteiligungsprozess in Baden-Württemberg mit der Selbstverwaltung, den Krankenhäusern aber auch mit kommunal verantwortlichen Politikerinnen und Politikern mit, dass die Angebote, auf die sich Bund und Länder verständigen, auch so finanziert werden müssen, dass sie den Qualitäts- und Quantitätsansprüchen auch gerecht werden. Damit müssten die Kliniken Planungssicherheit haben und nicht in die Schieflage geraten, in der sie sich jetzt befänden, so Lucha.

Weiter Gegenwind aus Bayern

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte, es sei erfreulich, dass bestimmte Leistungsgruppen nun flexibler erbracht werden können sollen. „Aber klar ist auch: Krankenhaus­planungshoheit ist Ländersache. Deshalb brauchen die Länder auch maximale Beinfreiheit bei der Zuordnung der Leistungsgruppen an die Krankenhäuser. Das heißt: Die Länder müssen die Zuordnung der Leistungsgruppen selbst festlegen können – und das muss so glasklar vereinbart werden. Aktuell will der Bund Ländern nur im Einzelfall und unter vorab definierten Voraussetzungen die Freiheit überlassen, Leistungsgruppen den Versorgungsleveln zuzuordnen. Das ist zu wenig.“

Lauterbach kündigte zudem an, dass die Bundesregierung derzeit prüfe, ob die Energiekosten der Krankenhäuser etwas anders kompensiert werden können, als im Moment gesetzlich geregelt ist. Mit dem Gesetz zur Einführung der Gaspreisbremse waren sechs Milliarden Euro Energiehilfen von Oktober 2022 bis April 2024 für die Krankenhäuser vorgesehen. Die DKG hatte zuletzt kritisiert, dass diese Hilfen aber nicht bei den Kliniken ankämen.

Bei der Erarbeitung der Krankenhausreform sind monatliche Beratungen geplant, bis sich Bund und Länder bis zur Sommerpause auf gemeinsame Eckpunkte einigen. Die Reform soll bis Ende des Jahres schließlich in ein zustimmungspflichtiges Gesetz münden, das Bundestag und Bundesrat gleichermaßen verabschieden müssen. Künftig sollen die Kliniken statt nur über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) nach drei neuen Kriterien vergütet werden: Vorhalteleistungen, Versorgungslevels und Leistungsgruppen. Alle Krankenhäuser in Deutschland sollen künftig einem Versorgungslevel zugeordnet werden: Vom Level 1i für Grundversorger bis zum Level 3 für Maximalversorger.

Bei Versorgungsstufen soll es Ausnahmen geben

Ende Februar hatten Bund und Länder bereits über die geplanten Versorgungsstufen beraten. Konsens bestand darin, dass die Bundesländer das Recht auf Abweichungsmöglichkeiten der geplanten Stufen erhalten sollen. Allerdings ist nach wie vor kein gemeinsames Papier zu dieser Frage verabschiedet worden.

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, bei der geplanten Krankenhausreform von den bereits in NRW entwickelten Konzepten auszugehen. „In NRW hat die Landesregierung in enger Abstimmung mit den Ärztekammern, der Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen ein praktikables Modell für eine medizinisch-fachlich fundierte neue Krankenhausplanung erarbeitet“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.

Es sei richtig, dass die starre Verknüpfung von Versorgungsleveln und Leistungsgruppen gelockert werden soll. „Das macht die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten möglich, ohne die jede Reform scheitern muss. Auch das Bekenntnis zu einer höheren Vorhaltefinanzierung und zur Sicherung der Daseinsvorsorge sind gute Signale. Bund und Länder müssen die weiteren Schritte nun im guten Austausch mit den Partnern in der Selbstverwaltung planen.“ Zugleich forderte die BÄK, dass bei der Reform unbedingt die ärztliche Weiterbildung mitgedacht werden müsse. Denn die Reform werde unweigerlich Auswirkungen auf die Weiterbildung haben.

Anschubfinanzierung benötigt

Aus Sicht des Marburger Bundes (MB) wird die Reform der Krankenhausversorgung nur gelingen, wenn sie von realistischen Annahmen ausgeht. „Krankenhäuser werden in Zeiten des Fachkräftemangels noch mehr als bisher um qualifiziertes Personal werben müssen. Weite Anfahrtswege, befristete Beschäftigungsverhältnisse und eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind kein Anreiz für den Arbeitsplatz Krankenhaus“, erklärte heute die Ärztegewerkschaft. „Wer mehr Mobilität von Beschäftigten erwartet, muss bereit sein, bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen zu schaffen.“

Weiter brauche es bei der vorgeschlagenen Umstrukturierung eine Anschubfinanzierung. „Das knappe Geld lediglich neu zu verteilen, kann die Verhältnisse nicht verbessern“, betonte der MB.

Die DKG befürchtet eine unzureichende Versorgung, wenn zu viele Krankenhäuser in das niedrigste Level fallen würden. Das würde vor allem in der Fläche zu Versorgungsengpässen führen, so die DKG. Zudem pochte sie heute auf den Bürokratieabbau in der Medizin. „Wir können nicht Fachkräftemangel und Überarbeitung beklagen, und gleichzeitig unser hervorragend qualifiziertes Personal für ausufernde Bürokratie statt für die Patientinnen und Patienten einzusetzen.“

Aus Sicht des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) sind die Leistungsgruppen der zentrale Baustein der Krankenhausreform. Der Verband begrüßte den differenzierten, über die Fachabteilungsstruktur hinausgehenden Ansatz.

„Die Krankenhausreform ist die Chance, eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Versorgung für alle Patientinnen und Patienten zu gestalten - unabhängig ob auf dem Land oder in der Stadt“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Die Leistungsgruppen hätten zur Folge, dass sich besonders komplexe Operationen und Behandlungen an dafür geeigneten Krankenhäusern konzentrieren. Ziel müsse deshalb sein, dass zukünftig nur dort behandelt wird, wo es auch die passende personelle und technische Ausstattung gibt, und dass die Krankenhäuser wirtschaftlich zukunftsfähig aufgestellt sind, so Stoff-Ahnis.

G-BA sollte an Definition beteiligt werden

Dabei pochte der GKV-SV auf eine zeitnahe und konkrete Ausgestaltung der Leistungsgruppen. „Die Leistungsgruppen und ihre Anforderungen sollten durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) definiert werden, denn hier liegt mit der Notfallstufenregelung bereits die Blaupause für bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben vor. Die Kriterien müssen akzeptiert, legitimiert und rechtssicher sein, und sie sollten zudem die Voraussetzung sein, damit Krankenhäuser ihre Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen dürfen.“ Weiter forderte der GKV-SV auch eine stärkere Einbindung der Selbstverwaltung inklusive des G-BA in den Reformprozess.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, erklärte: „Wenn die Krankenhausreform ein Erfolg werden soll, müssen Bund und Länder eng zusammenarbeiten und sich aufeinander zubewegen. Die Länder dürfen keine zu starren Vorgaben aus Berlin übergestülpt bekommen, die den Erfordernissen vor Ort nicht gerecht werden.“ Trotzdem brauche es für das Gelingen der Reform eine verbindliche Planungssprache, die auf bundeseinheitlichen Leistungsbereichen und Leistungsgruppen basiere.

Reimann sprach sich für einheitlich definierte Leistungsgruppen aus, weil diese eine enge Verzahnung von fallunabhängiger Vorhaltefinanzierung und Krankenhausplanung ermöglichen. „Unterschiedliche Planungssystematiken in den einzelnen Bundesländern würden gleichgerichtete Anreize für die Vorhaltung guter Versorgungsstrukturen erschweren und den notwendigen Modernisierungsschub verhindern.“ © cmk/aerzteblatt.de

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