Ausland
Tuberkulose: Rückgang in Europa stagniert
Freitag, 24. März 2023
Stockholm/Kopenhagen – Der Rückgang der Tuberkulosefallzahlen stagnierte im Jahr 2021 im Vergleich zum Jahr 2020 europaweit. Das geht aus einem heute anlässlich des Welt Tuberkulosetages veröffentlichten Bericht des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor.
Die WHO und das ECDC warnen davor, dass die „End TB Strategie“ der WHO nicht erreicht werden kann. Ziel der Strategie ist es, die Tuberkulose(TB)-Inzidenz um 80 Prozent im Vergleich zu 2015 und die Todesrate um 90 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
Doch der starke Rückgang, der die vergangenen zehn Jahre zu beobachten gewesen ist, stagniert seit 2021. Betrachtet man die europaweiten Zahlen ist sogar ein Anstieg von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu vermerken: 2021 gab es 166.000 Fälle, 2020 waren es 164.000. Im Vergleich zu 2019 mit 216.000 Fälle liegt der Rückgang im Jahr 2021 immer noch bei 23 Prozent.
Betrachtet man nur die Länder des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist kein Anstieg zu beobachten, dennoch bleiben die Zahlen relativ stabil und zeigten nicht den gewünschten Rückgang: 2021 meldeten 29 EWR-Länder 33.520 TB-Fälle, was einer Inzidenz von 7,4 pro 100.000 Einwohner entspricht (siehe Abbildung). 2020 waren es mehr als 33.800, während es 2019 sogar noch 45.192 Fälle waren.
In Deutschland lagen die Fallzahlen laut Robert-Koch-Institut (RKI) im Jahr 2021 bei 3.938 und sie sind im Jahr 2022 sogar leicht angestiegen auf 4.076. Das entspricht einer Inzidenz von 4,9 pro 100.000 Einwohner.
Die Zahlen für 2022 liegen der WHO sowie dem ECDC noch nicht vor. Die Länder würden die Zahlen erst ab Mai des Folgejahres an die Organisationen weiterleiten, berichtete die ECDC auf Nachfrage.
Einfluss der Coronapandemie
„2021 hat die COVID-19-Pandemie unsere Mitgliedsstaaten weiterhin stark beeinflusst“, sagte ECDC-Direktorin, Andrea Ammon. Die Pandemie habe dazu geführt, dass Patienten und Patientinnen Schwierigkeiten beim Zugang zu ärztlicher Behandlung gehabt hätten, was möglicherweise zu einer verzögerten Diagnose und Behandlung einiger TB-Fälle geführt habe. So seien 2020 möglicherweise nicht alle Zahlen erfasst worden, weshalb der Rückgang im Vergleich zu 2019 so stark gewesen sei.
„Wir erwarten, dass die Länder in den kommenden Jahren mit der Detektion der TB-Fälle wieder aufholen, sodass mit einem weiteren Anstieg der Melderaten zu rechnen ist,“ erklärte eine Sprecherin des ECDC.
„Wir hoffen aber, dass der Abwärtstrend, den wir seit vielen Jahren sehen, wieder zunehmen wird,“ sagte Marieke van der Werf, Leiterin der Sektion „Sexually transmitted infections, Blood-borne viruses and Tuberculosis.“ Seit 2012 ist die Zahl der gemeldeten Tuberkulosefälle in Ländern des EWR um 45 Prozent gesunken.
Doch auch der Krieg in der Ukraine, werde vermutlich Auswirkungen haben, da es sich um ein Land mit hoher Inzidenz handele, so van der Werf. Anhand der vorliegenden Daten von 2021 könne aktuell jedoch keine Aussage darüber getroffen werden. Der vom RKI berichtete Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2022 zeigt diesen Zusammenhang bereits.
Prävention und Behandlung stärken
Um das Ziel zu erreichen, TB auszurotten, brauche es politische und finanzielle Verpflichtungen, sagte Ammon. „Wir müssen spezifische Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört zum Beispiel Fallfindung, die Verstärkung der Prävention, menschenzentrierte Ansätze sowie die vollständige Behandlung von multiresistenten TB-Fällen.“
Im September dieses Jahres gäbe es ein Treffen von Mitgliedern der UN-Generalversammlung zum Thema Tuberkulose, um neue Ziele zu vereinbaren. „Diese neuen Vereinbarungen müssen zu Handlungen führen“, forderte Ammon. Denn die Daten deuteten darauf hin, dass die Fortschritte ins Stocken geraten seien und die für 2015 und 2018 gesetzten Ziele nicht erreicht wurden.
Behandlungserfolg unter Erwartung
So lag der Behandlungserfolg einer TB in Europa bei 73,4 Prozent. Für Rifampicin- und Multiresistente TB betrug die Erfolgsrate sogar nur 57,2 Prozent, obwohl es auch für multiresistente Erreger gute Behandlungsmöglichkeiten gibt.
„Genau wie die standardmäßige Therapie dauere die Behandlung der multiresistenten TBC mittlerweile meist auch sechs anstelle von 18 Monaten“, sagte Stela Bivol, die Leiterin der WHO-Abteilung „Joint Infectious Diseases“ für Europa.
Vor allem eine Resistenz gegen Rifampicin ist nicht selten: Einer von drei Fällen pulmonaler TB sprach nicht auf Rifampicin an. 30 Prozent dieser Patienten hatten zusätzlich eine Resistenz gegen Fluorchinolone.
Die HIV-Prävalenz bei den TB-Fällen betrug 13 Prozent im Jahr 2021 und hat sich somit im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. Einen starken Anstieg hatte es in den Jahren 2007 bis 2016 von vier auf zwölf Prozent gegeben. © mim/aerzteblatt.de

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