Vermischtes
Flutkatastrophe im Ahrtal: Kinder und Jugendliche leiden immer noch an den Folgen
Freitag, 24. März 2023
Mainz – Die Situation der von der Flutkatastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal im Sommer 2021 betroffenen psychisch kranken Kinder und Jugendlichen ist nach wie vor schwierig. Darauf hat Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer (LPK) Rheinland-Pfalz, gestern bei der Onlinetagung „Psychisch gesund aufwachsen: Kinder und Jugendliche in multiplen gesellschaftlichen Krisen“ hingewiesen.
Maur betonte, die Naturkatastrophe habe zudem verdeutlicht, dass es keine geeigneten Strukturen für die Psychologische Erste Hilfe und für den geregelten Übergang in andere Sektoren, wie dem Gesundheitswesen der Jugendhilfe und den Schulen gebe. Außerdem seien hilfsbedürftige Menschen auf eine bereits unzureichende psychotherapeutische Versorgung gestoßen.
Das Extremwetterereignis in der Ahrregion kann man auf den Klimawandel zurückführen. Entsprechend konstatierte die LPK-Präsidentin: „Die Klimakrise ist zu einer Kinderschutzkrise geworden.“
Der psychologische Impact der Flutkatastrophe dürfe nicht unterschätzt werden. Die überlebenden Kinder und Jugendlichen hätten vielfach den Tod von Angehörigen, Freunden, Mitschülern, Nachbarn oder Lehrern und Tieren erleben müssen, ebenso wie das Ertrinken selbst, Leichenfunde und Todesangst.
Die Flutwelle zerstörte neben Wohnhäusern die Infrastruktur von Straßen, Schienen und Brücken, ebenso wie Schulen, Kindertagesstätten und Sportstätten, Arzt- und Psychotherapeutenpraxen und auch eine psychiatrische Klinik, die Dr. von Ehrenwall’sche Klinik in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Maur wies darauf hin, dass Kinder und Jugendliche in der Folge psychisch belastete oder traumatisierte Eltern, Großeltern oder Geschwister erleben mussten. Die finanziellen und beruflichen Sorgen der Eltern hätten auch Auswirkungen auf die Kinder. Hinzu kämen möglicherweise häufige Umzüge und auch der Wegzug von Freunden.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) aus der Region berichteten der Landespsychotherapeutenkammer, dass viele ihrer Patienten sie wegen depressiven Störungen, sozialen Phobien und Suchtstörungen durch Cannabiskonsum aufsuchten.
Sie seien zudem belastet durch die Situation der Eltern, was oftmals zu Rollenumkehr beziehungsweise Parentifizierung führe. Auch berichteten die Schülerinnen und Schüler von einem enormen schulischen Druck.
Die KJP gaben weiter an, dass es für viele der jungen Patientinnen beziehungsweise ihre Eltern immer noch schwierig sei, die Praxen wegen der teilweise noch zerstörten Infrastruktur überhaupt zu erreichen. Darüber hinaus seien die Eltern vielfach mit der Organisation der Therapiestunden überfordert. Videotherapie werde vielfach abgelehnt, oder sei wegen fehlendem Internet nicht möglich.
Problematisch sind im Ahrtal den KJP zufolge auch die fehlenden Jugendhilfeangebote, wenig psychosoziale Angebote, zum Beispiel auch an Schulen, sowie die fehlende Vernetzung zu den KJP. Auch gebe es zu wenig Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche in der Region.
„Wir haben damals sofort reagiert und Kontakt zur Landesregierung und zur Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz aufgenommen“, berichtete LPK-Präsidentin Maur. Unter anderem seien dadurch fünf zusätzliche Kassensitze für Erwachsenentherapeuten und zwei für KJP mittels Sonderbedarf geschaffen worden. „Es laufen zurzeit Bemühungen um mehr Sitze, weil sie dringend gebraucht werden“, sagte Maur.
Darüber hinaus haben damals die beiden Psychotherapeutinnen Daniela Lempertz und Susanne Leutner das Netzwerk „Soforthilfe Psyche“ geschaffen, bei dem mehr als 400 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihre Hilfe für Betroffene der Flutkatastrophe angeboten haben. © PB/aerzteblatt.de

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