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Politik

Ampelkoalition will flexibler werden beim Klimaschutz

Mittwoch, 29. März 2023

Stellten gestern die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vor: Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne) und Lars Klingbeil (SPD) /picture alliance, dpa, Michael Kappeler

Berlin – Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP will mehr Flexibilität bei der Erreichung der deutschen Klimaziele ermöglichen. Das geht aus dem gestern Abend veröffentlichten Beschlusspapier des Koalitionsaus­schusses hervor. Gesundheit und Pflege spielten keine Rolle. Das stieß auf Kritik.

Bisher wird der jährliche Ausstoß an Treibhausgasen für die Wirtschaftsbereiche wie Energie, Industrie, Ver­kehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges erhoben. Überschreitet ein Bereich (Sek­tor) die mit den deutschen Klimazielen vereinbaren Jahresmengen, müssen die zuständigen Bundesministe­rien Sofortprogramme für mehr Klimaschutz ausarbeiten.

An dieser jährlichen Erhebung der Treibhausgasemissionen für jeden Sektor will die Ampel zwar festhalten. Nachsteuern soll die Bundesregierung künftig aber erst, wenn die Daten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf eine Verfehlung der Klimaziele für das Jahr 2030 hindeuten – und zwar für alle Sektoren zusammen. Bis 2030 will Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sen­ken.

„Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien, insbesondere jene, in deren Zuständigkeitsbereich die Sektoren liegen, die die Zielverfehlung verursacht haben, haben zu den Maßnahmen der Minderung bei­zu­tragen“, heißt es im Einigungspapier. „Die Sektorziele bleiben bestehen als Prinzip des Klimaschutzgesetzes. Es wird aber einfacher, sich untereinander zu helfen“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang.

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als wieder gespeichert werden können. Dabei werde die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2) eine Rolle spielen, heißt es in dem Papier. „Die Bundesregierung wird für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativ­emis­sionen festlegen.“ Das soll erstmals 2024 passieren.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nannte die Reform eine „absolute Katastrophe“ und forderte den Bundestag auf, das „Desaster“ zu verhindern. „Ohne dass die verantwortlichen Ministerien zu jährlichen Minderungen ver­pflichtet werden, verkommt das Klimaschutzgesetz zum Papiertiger – und das wird dazu führen, dass Deutsch­land seine Verpflichtungen des Pariser Klimaschutzvertrages zur Begrenzung der Erderhitzung reißt“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) monierte, dass sich der Koalitionsausschuss in seinen Marathonverhandlungen nicht mit dem Zukunftsthema Pflege auseinandergesetzt hat. Zudem war er Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, sich bei der Pflegereform von anderen Ministerien hineinregieren zu lassen.

„Die Bilanz ist für alle Pflegebedürftigen und die Angehörigen enttäuschend“,sagte Holetschek. Wenn die Bun­desregierung das Großthema Pflege nicht rasch mit einer wegweisenden Reform und einer soliden Finanzie­rung angehe, bekomme man in wenigen Jahren einen echten Generationenkonflikt.

Holetschek verwies darauf, dass Lauterbach Berichten zufolge bis Ende Mai zur Finanzierung der Pflegereform dem Finanzminister, dem Wirtschaftsminister, dem Sozialminister und der Familienministerin einen Kompro­miss abringen muss. „Das wirkt wie eine Bankrotterklärung des Bundesgesundheitsministers.“ Lauterbach solle sich nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Gesundheits- und Pflegepolitik dürften nicht nach Kassenlage gestaltet werden.

Die Spitzen der Ampelkoalition hatten ihre Gespräche über eine Reihe von Streitthemen am vergangenen Sonntagabend aufgenommen, sie am Montag aber am frühen Nachmittag unterbrochen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere Minister zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam reisen mussten. CDU, CSU, AfD und Linke werteten die Unterbrechung als Blamage und Armuts­zeugnis.

Scholz begründete die Verschiebung mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben. Es gehe um die Moderni­sie­rung Deutschlands. „Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen“, sagte er in Rotterdam.

„Die gemeinsame Überzeugung der Regierung ist, dass die gesetzlichen Regeln, die wir über die letzten Jahr­zehnte so allmählich zusammengeschraubt haben, nicht zu der Geschwindigkeit passen, die wir heute benöti­gen.“ Er verwies auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Verkehrsinfrastruktur.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja stellte im Tagesspiegel die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Mediengruppe Bayern: „Aus der Streitampel wird jetzt auch noch die Streikampel, weil es ja an Arbeitsverweigerung grenzt, wenn es nach so vielen Stunden kein einziges Ergebnis gibt.“ Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampelbündnis im Gespräch mit dem Redaktions­netzwerk Deutschland als „Blockadekoalition“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert betonte dagegen in der Sendung „RTL Direkt“: „Es ist besser, zwei Tage lang hart um Lösungen in wichtigen Fragen zu ringen, als zwei Jahre lang ohne Lösungen in diesen Bereichen regieren zu müssen. Das könnten wir dem Land nicht zumuten. Die zwei Tage sind, glaube ich, mit viel Augen-Zudrücken schon zumutbar.“ © dpa/may/aerzteblatt.de

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