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Politik

Erhöhte Aufmerksamkeit bei der Vogelgrippe angebracht

Mittwoch, 29. März 2023

/panyawat, stock.adobe.com

Berlin – Derzeit besteht keine unmittelbare Bedrohung, dass das Vogelgrippevirus H5N1 regelhaft auf den Menschen überspringt. Angeraten ist aber eine engmaschige Beobachtung der Lage. Das war der Tenor heute eines Webinars der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auch der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat sich mit H5N1 befasst.

Die Vogelgrippe grassiert derzeit in bislang nicht bekanntem Ausmaß: Außer in Australien und der Antarktis gibt es auf allen Kontinenten Nachweise. Zig Millionen Tiere starben bereits, insbesondere Seevögel. Zudem ist das Virus bei rund 30 Säugetierarten entdeckt worden. Es hat Nerze, Füchse, Waschbären, Marder, Bären und andere Tiere infiziert und getötet.

Es gebe keinen „Anlass zur Panik“, sagte die Direktorin der WHO-Abteilung für die Vorbereitung auf Infektions­gefahren, Sylvie Briand, heute in Genf. „Aber wir müssen prüfen, wie gut wir vorbereitet sind.“ „Das Virus brei­tet sich nicht nur aus, es überspringt auch leichter die Artenschranken“, sagte Briand. „Das stellt ein höheres Risiko auch für Menschen dar.“ Je stärker ein Virus sich ausbreite, desto höher sei auch die Gefahr, dass es sich verändere und für den Menschen gefährlicher werden könne.

Der WHO wurden seit den ersten tödlichen H5N1-Fällen bei Menschen in Hongkong 1997 873 Fälle gemel­det. 458 der Infizierten starben, sagte der niederländische Virologe Ron Fouchier. Er warnte aber davor, daraus abzuleiten, dass das Virus beim Menschen oft zum Tod führt. Denn Ansteckungen ohne oder mit milden Symptome würden in der Regel nicht gemeldet und daher bei der Berechnung nicht gezählt.

„Eine Pandemie steht vielleicht nicht direkt vor der Tür, aber es wäre keine schlechte Idee, die Notfallpläne zu überprüfen“, sagte er. Bei der derzeit kursierenden H5N1-Entwicklungslinie 2.3.4.4b ist nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) erst ein Todesfall bei Menschen erfasst: Im Oktober starb eine 38-jährige Chinesin nach Kontakt zu infiziertem Hausgeflügel.

Vorarbeiten für einen Impfstoff für potenzielle Massenimpfungen liefen zwar, sagte Richard Webby vom St. Jude Kinderkrankenhaus in Memphis in den USA. Aber ohne die genaue Art zu kennen, die sich im Menschen vermehren kann, sei es nur möglich, die ersten Bausteine für Impfstoffe anzufertigen.

H5N1: Wie weit die Vorbereitung eines humanen Impfstoffs ist

Berlin – Die aviäre Influenza H5N1 breitet sich derzeit vor allem bei Vögeln aus, aber auch Säugetiere sind immer häufiger betroffen. Zuletzt wurde das hochansteckende Vogelgrippevirus erstmals bei Füchsen in Deutschland nachgewiesen. Regierungen auf der ganzen Welt sollten jetzt in einen H5N1-Impfstoff investieren und Phase-1/2-Studien durchführen, um sich auf einen möglichen Ausbruch beim [...]

Das Ebola- und das Mpox-Virus sowie höchstwahrscheinlich auch das Coronavirus SARS-CoV-2 sind alle von Tieren auf den Menschen übergesprungen. Warum wächst die Gefahr solcher Zoonosen? „Das hat mit dem menschlichen Verhalten zu tun“, sagte Tierärztin May Hokan von der Umweltstiftung WWF. Die Ausweitung der Wohngebiete, des Straßennetzes, die Entwaldung – das schränke den Lebensraum wilder Tiere immer mehr ein. Wichtig seien mehr Schutzgebiete als Rückzugsraum für Wildtiere.

Abgesehen von der Gefahr für den Menschen ist die Wissenschaft auch so über die Ausbreitung des Virus unter Wildvögeln besorgt: Das Drama sei, dass das Virus viele Arten befalle. „Es löscht ganze Kolonien aus, wir müssen mit schweren Folgen für die Biodiversität rechnen“, sagte Wildtierexpertin Ursula Höfle von der Universität Kastilien-La Mancha in Spanien in einem früheren WHO-Seminar.

Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt müsse auf allen Regierungsebenen viel stärker zusammen­ge­dacht werden, verlangt die WHO. Sie treibt den Ansatz One Health (Eine Gesundheit) mit der Vernetzung mit den UN-Organisationen für Agrar (FAO), Umwelt (UNEP) und Tiergesundheit (WOAH) voran und hat Regierun­gen in aller Welt aufgerufen, diesen Grundsatz in ihrer eigenen Politik umzusetzen. Sie sei zuversichtlich, dass dieses Bewusstsein nach der COVID-Pandemie auch in der deutschen Politik angekommen sei, sagte Hokan. „Es wird sich zeigen, wie das umgesetzt wird“, sagte sie.

Mareike Petersen vom Verein ProVieh fordert, die Tierhaltung müsse dringend geändert werden, auf kleinere Gruppen. Das verringere die Ausbreitung von Krankheiten und erlaube den Tieren arteigene Verhaltensweisen auszuleben: freies Laufen, Flattern und ungestörtes Ruhen.

Die Bedeutung der Geflügelhaltung hält auch das FLI für zentral. Zwar verdiene auch die mögliche Anpassung an Säugetiere wie etwa Seelöwen sehr große Aufmerksamkeit, sagte Timm Harder vom FLI. Geflügelhaltun­gen böten jedoch die größten Schnitt­stellen mit dem Menschen. Hier gebe es immer ein Risiko, dass das Virus direkt auf den Menschen über­springe.

„Wir dürfen nicht nachlassen in unseren Aktivitäten, dem Virus auf der Spur zu bleiben und vor allen Dingen die Infektionen aus Haltungen – klein oder groß – herauszuhalten“, sagte Harder, der das Nationale Referenz­labor für Aviäre Influenza am FLI leitet. Je größer die Verbreitung des Virus sei, desto wahrscheinlicher sei ein tatsächliches Überspringen. Deshalb müsse es um die Reduzierung der Infektionen gehen. „Das ist das Ziel der Tierseuchenbekämpfung.“

Das derzeitige Infektionsgeschehen in Deutschland beschrieb Harder als stetig, aber geringer im Vergleich zu früheren Infektionswellen während der kalten Jahreszeit. Das könne ein Hinweis auf eine Teilimmunität sein, die sich inzwischen bei einigen Vögeln herausgebildet habe.

Jahrelang grassierte die Vogelgrippe hierzulande im Zusammenhang mit dem Vogelzug nur saisonal. Zuletzt gab es ganzjährig Infektionen. Das FLI registriere derzeit etwa 20 bis 40 Fälle bei Wildvögeln in Deutschland pro Woche. „Erstmal deutet sich da kein Nachlassen an“, sagte Harder.

Im Gesundheitsausschuss berichtete Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) heute, weltweit wür­den vermehrt die Subtypen der Influenza-A-Viren H5N1 und H7N1 bei Geflügel und Säugetieren beobachtet. Auffallend sei, dass neben Vögeln auch vermehrt Säugetiere von der Infektion betroffen seien.

So sei unlängst in Deutschland erstmals bei Füchsen die Vogelgrippe nachgewiesen worden. In Europa seien zudem unerwartet viele hochpathogene Influenza-A-Viren bei Seevögeln festgestellt worden, vor allem bei Möwenarten, die in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Italien zudem eine hohe Sterblichkeit aufge­wiesen hätten.

Echte Belege für die Übertragung zwischen Säugetieren gibt es den Angaben zufolge bisher nicht, es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden. Übertragungen auf den Menschen kämen bislang nur sporadisch vor. Seit dem Jahreswechsel 2022/23 sei von acht Übertragungen berichtet worden, darunter in Kambodscha, China, Ecuador und Vietnam.

Nach Angaben Dittmars schätzt das europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) das Risiko einer Übertragung der Vogelgrippe auf Menschen aktuell in Europa für die Bevölkerung weiter als gering ein.

Das Auftreten bestimmter Mutationen und das Massensterben von Tieren deuteten jedoch auf ein größeres Risiko der Ausbreitung unter Säugetieren hin. Es sei daher wichtig, Ausbrüche in Tierbeständen früh zu erkennen und zu untersuchen. © dpa/aks/may/EB/aerzteblatt.de

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