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Medizin

SARS-CoV-2: Ist das kardiale Sterberisiko junger Menschen nach der Impfung erhöht?

Mittwoch, 29. März 2023

/abhijith3747, stock.adobe.com

London – In England sind Jugendliche und junge Erwachsene in den ersten 12 Wochen nach einer Impfung nicht häufiger an kardialen oder anderen Erkrankungen gestorben als in der Zeit danach. Nur bei Frauen, die einen Nicht-mRNA-Impfstoff erhalten hatten, kam es nach der 1. Dosis zu einem Anstieg der kardialen Todes­fälle.

Die in Nature Communications (2022; DOI: 10.1038/s41467-023-36494-0) publizierten Zahlen der Statistik­behörde ONS zeigen auch, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 in der Altersgruppe von 12 bis 29 Jahren das kardiale Sterberisiko erhöhen kann, wenn auch nur minimal. Interessant sind die Unterschiede zu einer Unter­suchung, die die Gesundheitsbehörde von Florida im Oktober letzten Jahres veröffentlicht hatte.

Die Coronaimpfungen von jungen Menschen sind umstritten, da die Gefahr von schweren Erkrankungen an COVID-19 gering ist und der persönliche Nutzen der Impfung deshalb niedriger ist als in anderen Alters­gruppen. Impfkomplikationen könnten die Nutzen-Risiko-Bilanz schnell umkehren und die Akzeptanz in der Bevölkerung gefährden.

Als im Frühjahr 2021 erste Fälle von thrombotischen Komplikationen auftraten (sie werden inzwischen als Vakzin-induzierte immune thrombotische Thrombozytopenie bezeichnet), entschied die britische Impfkom­mission JCVI Anfang April, dass bei Erwachsenen unter 30 Jahren bevorzugt mRNA-Impfstoffe verwendet werden sollten.

Doch die mRNA-Impfstoffe gerieten später in den Verdacht, in seltenen Fällen eine Myokarditis auszulösen, wobei vor allem junge Männer nach der 2. Impfung betroffen zu sein schienen. Diese Komplikation hatte keine Änderungen der Impfempfehlungen zur Folge, da es keine Alternative zu dem mRNA-Impfstoffen gab.

Die Myokarditiden stehen seither im Fokus der Diskussion zur Sicherheit der Impfstoffe. Die Gesundheitsbe­hörde von Florida veröffentlichte im Oktober 2022 die Ergebnisse einer Fall-Kontrollstudie im „self-controll­ed case series“ (SCCS)-Design. Bei dieser Untersuchung werden die Ereignisse bei denselben Personen in verschiedenen Zeiträumen verglichen.

Dies vermeidet Fehlerquellen, die sich in Fall-Kontrollstudien ergeben können, wenn verschiedene Personen­gruppen miteinander verglichen werden. Die Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass es in den ersten 28 Tagen nach der Impfung in Florida nicht zu einem Anstieg von Todesfällen gekommen war. Bei den über 60-Jährigen war es sogar zu einem leichten Rückgang gekommen, der ein erster Hinweis auf eine Schutzwirkung sein könnte.

Die Studie ermittelte jedoch einen leichten Anstieg der kardialen Todesfälle mit einer relativen Inzidenz (RI) von 1,07, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,03 bis 1,12 statistisch signifikant war. Er war vor allem auf die Altersgruppe von 25 bis 39 Jahren begrenzt (RI 2,16; 1,35-3,47). Betroffen waren Männer im Alter von 18 bis 39 Jahren (RI 1,97; 1,16-3,35), vor allem wenn sie mRNA-Impfstoffe erhalten hatten (RI 1,84; 1,05-3,21).

Die Studie, die bisher nicht in einem Journal publiziert wurde, hatte den „Surgeon General“ des Staates, Joseph Ladapo, veranlasst, Männern im Alter von 18 bis 39 Jahren von einer Impfung abzuraten. Dies löste eine Debatte aus, da die Studie und auch Ladapo bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hatten, dass die Impfung auch bei jüngeren Männern einen Nutzen haben kann.

Jetzt stellt das „Office for National Statistics“ eine Studie zur Auswirkung der Impfung auf die Sterberate in England vor. Vahé Nafilyan und Mitarbeiter verglichen ebenfalls in einem SCCS-Design die Todesfälle von Personen im Alter von 12 bis 29 Jahren in den ersten 12 Wochen nach der Impfung mit einem 12-Wochen-Zeitraum danach. Neben den Todesbescheinigungen wurden auch die Todesfälle in den Kliniken ausgewertet. Anders als in Florida wurden die beiden Impftermine einzeln betrachtet.

Auch die britischen Zahlen zeigen keinen Anstieg der Mortalität in den Wochen nach den Impfungen. Im Ge­genteil: Die relative Inzidenz (IRR) betrug 0,88 (0,80-0,97), was auf einen leichten Rückgang der Sterbefälle im Anschluss an die Impfung hindeutet. Bei den registrierten Herztodesfällen gab es einen tendenziellen An­stieg (IRR 1,11; 0,87-1,42) und bei den Todesfällen im Krankenhaus einen tendenziellen Rückgang (IRR 0,89; 0,77-1,04).

In den Subgruppen wurde dann ein potenzielles Signal gefunden. Betroffen waren aber anders als in der US-Studie nicht die Männer, sondern die jungen Frauen. Für die ersten Wochen nach der ersten Dosis ermittelt Nafilyan eine IRR von 1,79, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,05 bis 3,05 signifikant war. Auf 363.419 Impfungen käme demnach ein zusätzlicher Todesfall. Für die Zeit nach der 2. Dosis wurde kein An­stieg gefunden. Es gab auch keinen Hinweis auf einen Anstieg der Gesamtsterblichkeit nach der 1. Dosis.

Der zweite Unterschied zur Studie aus Florida war, dass nicht die mRNA-Impfstoffe betroffen waren, sondern die Vektor-basierten Impfstoffe. Nafilyan ermittelt eine IRR von 3,52 (1,71-7,26). Das wäre ein zusätzlicher kardialer Todesfall auf 16.486 erste Dosen eines nicht-mRNA-Impfstoffs.

Ein weiterer Unterschied zur US-Studie war, dass Nafilyan auch den Nutzen der Impfung untersucht hat. In den ersten 12 Wochen nach einem positiven SARS-CoV-2-Test kam es bei nicht geimpften Personen zu einem Anstieg der kardialen Todesfälle (IRR 2,35; 1,09-5,06), vor allem in der ersten Woche (IRR 11,56; 3,93-33,99).

Anders als in der Analyse zu den Impfstofffolgen kam es auch zu einem Anstieg der Gesamtmortalität sowohl für registrierte Todesfälle (IRR 2,50; 1,93-3,23) als auch für Krankenhaustodesfälle (IRR 4,50; 3,09-6,54), wobei auch hier die IRR in der ersten Woche am höchsten war (6,87 für Gesamtmortalität und 9,02 für die Krankenhaustodesfälle).

Auch Personen, die geimpft waren, hatten im Falle einer Infektion ein erhöhtes Sterberisiko. Die IRR waren jedoch geringer: IRR 1,94 (1,03-3,67) für alle registrierten Todesfälle und 2,76 (1,14-6,71) für Krankenhaus­todesfälle aller Ursachen.

Dies bedeutet, dass auf 11.936 ungeimpfte Personen im Alter von 12 bis 29 Jahren, die sich mit SARS-CoV-2 infizierten, ein zusätzlicher Todesfall kam. Bei den Personen, die sich trotz Impfung mit SARS-CoV-2 infizier­ten, war es nur 1 zusätzlicher Todesfall auf 55.661 Personen.

Zu den Einschränkungen der beiden Studien gehört sicherlich, dass die Angaben zu den Todesursachen in den Sterbeurkunden notorisch unzuverlässig sind. So ist es denkbar, dass die öffentliche Debatte über die kardiale Sicherheit der Impfstoffe dazu geführt hat, dass bei einem Todesfall in Kenntnis des Impfstatus in dem einem oder anderen Zweifelsfall eher eine kardiale Todesursache vermutet wurde.

Der einzige sichere Endpunkt ist der Todesfall selbst. Hier kommen beide Studien zu einem signifikanten Rückgang in den ersten Wochen nach der Impfung. Die britische Studie zeigt zudem, dass die Sterberate bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 auch bei jüngeren Menschen höher ist, wenn sie nicht geimpft sind.

Eine weitere Einschränkung ist, dass beide Analysen auf den Zeitraum vor der Omikron-Variante beschränkt sind. Die Ergebnisse sind deshalb primär von „historischem“ Interesse. © rme/aerzteblatt.de

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