Ärzteschaft
Bundesärztekammer erhöht bei der GOÄ den Druck auf die Politik
Donnerstag, 30. März 2023
Berlin – Ärzte sollten künftig die Honorierung ihrer privatärztlich erbrachten Leistungen mithilfe von Steigerungsfaktoren und individuellen Honorarvereinbarungen an den aktuellen Stand der medizinischen Entwicklung anpassen.
Diese Empfehlung für insbesondere zuwendungsintensive Leistungen haben heute die Bundesärztekammer (BÄK), Ärzteverbände und Fachgesellschaften ausgesprochen. Hintergrund ist, dass sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) weiterhin weigert, die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu modernisieren.
„Die GOÄ wurde zuletzt vor 27 Jahren aktualisiert. Sie ist komplett veraltet und trotzdem weigert sich der Bundesgesundheitsminister, sie zu aktualisieren“, kritisierte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt heute vor Journalisten in Berlin. „Der Unmut in der Ärzteschaft über das Nichthandeln des Ministers ist groß – zumal wir nichts Illegitimes einfordern, sondern schlicht eine angemessene Bewertung unserer Arbeit.“
Während die Gebührenordnung anderer freier Berufe vom Gesetzgeber in den vergangenen Jahrzehnten bereits teils mehrfach angepasst worden sei, weigere sich die Politik, die GOÄ zu aktualisieren. „Das ist ein Affront gegenüber dem ärztlichen Berufsstand“, betonte Reinhardt. „Und es ist auch ein Versäumnis gegenüber den Versicherten der privaten Krankenversicherung, die einen Anspruch auf eine verständliche und rechtssichere Gebührenordnung haben.“
Gravierende Unterbewertungen
Gestern sei die BÄK zusammen mit den ärztlichen Verbänden und Fachgesellschaften zu dem Schluss gekommen, dass sie den Ärztinnen und Ärzte in Deutschland empfehlen wollen, ihre Patienten über die Problematik und das bewusste Nichthandeln von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu informieren.
„Zur Sicherung gerade von zuwendungsintensiven Gesprächs- und Untersuchungsleistungen sehen sich die ärztlichen Verbände und Organisationen gezwungen, ihren Mitgliedern Hinweise zu rechtskonformen Möglichkeiten von höheren Steigerungsfaktoren und individuellen Honorarvereinbarungen zu geben“, heißt es in einer Resolution, die BÄK, Verbände und Fachgesellschaften gestern getroffen haben.
„Nur so lassen sich die gravierenden Unterbewertungen gerade in diesen zuwendungsintensiven Bereichen zumindest teilweise ausgleichen.“ Die Ärzte würden ihre Patienten über diese Maßnahmen informieren und klarstellen, dass es in der Hand des Bundesgesundheitsministers liege, diese belastende Notlösung schnellstmöglich unnötig zu machen.
Sprechende Medizin ist unzureichend abgebildet
„Die GOÄ ist eine staatliche Verordnung. Es steht nicht im Belieben des Bundesgesundheitsministers, eine Reform der GOÄ aus ideologischen Gründen zu verweigern“, heißt es weiter in der Resolution. „Als Verordnungsgeber ist es seine Pflicht gegenüber Patienten, Ärzteschaft und Kostenträgern, eine transparente und rechtssichere Abrechnung privatärztlicher Leistungen auf Grundlage einer stets aktuellen Gebührenordnung sicherzustellen.“
Mit der jetzt gültigen GOÄ könnten viele moderne Untersuchungs- und Behandlungsverfahren nur auf dem Umweg von Analogbewertungen berechnet werden, heißt es weiter. Das führe bei Patienten, Krankenversicherern, Beihilfe und Ärzteschaft zu Verunsicherungen, unnötigen Rechtsstreitigkeiten und Bürokratie. Hinzu komme, dass die sprechende Medizin völlig unzureichend abgebildet sei.
Umfangreiche Vorarbeiten
In der Resolution wird darauf hingewiesen, dass die Bundesärztekammer, der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und die Beihilfe bereits umfangreiche Vorarbeiten für die Regierung geleistet haben.
„Gemeinsam mit 165 Berufsverbänden und Fachgesellschaften haben sie in jahrelanger Detailarbeit ein Konzept für eine moderne, rechtssichere und transparente Gebührenordnung erarbeitet.“ Dieses Konzept könne sofort als Grundlage für eine Reform genutzt werden.
Reinhardt erklärte, dass sich der PKV-Verband und die BÄK bei der Erarbeitung der neuen GOÄ angenähert hätten, dass es aber unterschiedliche Erwartungen dazu gebe, welchen Preiseffekt die neue GOÄ haben werde. Vorwürfe von Privatversicherern, die BÄK würde der PKV nicht entgegenekommen, wies er aber zurück.
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„Die BÄK geht davon aus, dass die neuen Gebührenordnungsziffern zu einer Steigerung der Ausgaben der PKV um 18 bis 19 Prozent führen würden“, sagte Reinhardt. „Der PKV-Verband kommt hingegen zu einem Preiseffekt, der bei über 20 Prozent liegt.“ Die BÄK habe aber auch mit Abstimmung mit den Verbänden mit technischen Maßnahmen ein Angebot von circa zehn Prozent gemacht, sei damit sehr wohl der PKV entgegengekommen.
Die Patienten einbeziehen
„Einem Beschluss des Deutschen Ärztetags folgend haben wir dem Minister Ende 2022 unsere arzteigene neue GOÄ vorgelegt, die die Bedürfnisse der PKV daher nicht berücksichtigt“, sagte Reinhardt. „Ungeachtet dessen sind wir an einem konsensualen Entwurf der neuen GOÄ interessiert, an dem wir auch weiterhin gemeinsam mit dem PKV-Verband und der Beihilfe arbeiten werden.“ Es bleibe aber dabei, dass es am Ende alleine die Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums sei, die GOÄ nach 27 Jahren endlich zu aktualisieren.
„Weil sich der Minister weigert zu handeln, wollen wir dieses Versäumnis jetzt öffentlich machen“, erklärte Reinhardt. „Wir fordern die Ärztinnen und Ärzte dazu auf, immer dann, wenn eine rechtliche Grundlage dafür gegeben ist, einen Steigerungsfaktor anzusetzen, um eine angemessene Vergütung für die erbrachte Leistung zu erhalten – oder den Patienten eine individuelle Honorarvereinbarung vorzuschlagen.“ Diese biete sich immer dann an, wenn es um die Honorierung einer individuellen Betreuung, eines persönlichen Gespräches oder eines Hausbesuchs gehe.
„Ich bin davon überzeugt: Wenn wir unseren Patientinnen und Patienten die Hintergründe erklären, werden sie Verständnis haben und die Probleme, vor denen wir stehen, nachvollziehen können“, sagte Reinhardt. „Wir wollen die Menschen nicht überfordern und wir wollen sie nicht unter Druck setzen. Aber wir wollen sie darüber informieren, dass es auch unter den Bedingungen der aktuell geltenden, veralteten GOÄ eine Möglichkeit gibt, eine angemessene Honorierung unserer Leistungen zu erhalten. Dabei kommen wir aber nicht daran vorbei, unsere Patientinnen und Patienten mit einzubeziehen.“ © fos/aerzteblatt.de

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