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Politik

Europäischer Gesundheits­datenraum: Standesvertreter fordern Opt-out

Donnerstag, 27. April 2023

/ipopba, stock.adobe.com

Berlin – Eine breite Allianz aus Heilberufsorganisationen warnt vor einer Aufweichung der Hoheit von Patien­ten über ihre Daten, sollte der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) wie bisher geplant umgesetzt wer­den. Sie fordern deshalb von der deutschen und europäischen Gesundheitspolitik die Einrichtung einer Opt-out-Möglichkeit.

Der EHDS soll einen europaweiten Datenaustausch im Gesundheitswesen ermöglichen und so nicht nur die Versorgung stärken, sondern auch bessere Bedingungen für Forschung und Entwicklung schaffen. Das könnte allerdings auf Kosten der Hoheit der Patienten über ihre Gesundheitsdaten geschehen, befürchten mehrere Kammern und Standesvertretungen, die sich unter dem Dach des Bundesverbands der freien Berufe (BFB) versammelt haben.

Mit einem gemeinsamen Brief fordern deshalb die Bundesärztekammer (BÄK), die Kassenärztliche Bundesver­einigung (KBV), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kas­sen­zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wesentliche Nachbesserungen am bisherigen EHDS-Konzept.

Das sieht nämlich gemäß dem vor fast genau einem Jahr vorgelegten Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission eine Datenweitergabe auch ohne Zustimmung der Patienten vor.

Gerichtet an die Bundesminister für Gesundheit, für Bildung und Forschung und für Justiz sowie an mehrere EU-Abgeordnete, die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestags und den Vorsitzenden der Ge­sund­heitsministerkonferenz, also den baden-württembergischen Grünenpolitiker Manne Lucha, betonen sie ihre Offenheit für das Projekt, warnen aber davor, dass die Pläne in ihrer bisherigen Form das Vertrauensver­hältnis zwischen Patienten und Leistungserbringern untergraben könnten.

„Der EHDS kann einen wertvollen Beitrag zur Qualitätssteigerung der Gesundheitsversorgung leisten, sofern er nicht lediglich eine Sekundärdatennutzung adressiert“, heißt es in dem Schreiben, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Vielmehr müssten die bereitgestellten digitalen Werkzeuge durch den EHDS die Abläufe für die Patientenversorgung unterstützen und erleichtern. „Voraussetzung hierfür ist eine Garantie höchster Sicherheitsstandards für die sensiblen Gesundheitsdaten.“

So müssten das Vertrauensverhältnis und die heilberufliche Schweigepflicht bewahrt werden und keinen Aufweichungen oder Gefährdungen ausgesetzt werden. „Eine Nutzung dieser Daten durch Dritte im Wege der Sekundärnutzung darf diese Vertrauensbasis nicht infrage stellen“, fordern die Heilberuflerinnen und Heilberufler.

Die Verarbeitungstätigkeit für sekundäre Zwecke dürfe die Einhaltung der Schweigepflicht, des Berufsge­heimnisses und der Zustimmungserfordernisse der Patienten nicht schwächen, aufheben oder umgehen. Würden hier Zweifel aufkommen, würde das demnach unweigerlich dazu führen, dass Patienten Informatio­nen nicht mehr zur Verfügung stellen.

Demnach würden sie diese schlimmstenfalls nicht einmal mehr ihrem Arzt mitteilen, da sie befürchten, dass die Informationen nicht vertraulich bleiben, so die Warnung: „Dies hätte unter Umständen schwerwiegende Auswirkungen für ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer. Wir empfehlen daher, direkte Datenab­fragen bei einzelnen Gesundheitsdienstleistern auszuschließen.“

Bei Zugriffen auf die Primärdokumentation von Heilberuflern müsse sichergestellt werden, dass kein Risiko eines Datenverlusts besteht. Auch der Zugriff von Unbefugten auf die Gesundheitsdaten der Patienten und ein Kompromittieren der bestehenden technischen Infrastruktur der Praxen oder sonstiger Gesundheitseinrich­tungen müsse technisch ausgeschlossen werden.

„Die im BFB vertretenen Körperschaften, Kammern und Standesvertretungen der Heilberufe fordern daher da­zu auf, bei den weiteren Beratungen des Verordnungsvorschlags über den europäischen Gesundheitsdaten­raum ein besonderes Augenmerk auf die Garantie der heilberuflichen Schweigepflicht, den Schutz der Privat­sphäre und der personenbezogenen Daten der Patientinnen und Patienten zu legen“, schreiben die Standes­ver­­treter.

Konkret brauche es deshalb ein Opt-out-Verfahren – also die Möglichkeit der Patienten, der Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten insgesamt oder teilweise zu widersprechen, auch nach einer gegebenenfalls bereits erfolg­ten Zustimmung. Dazu müsse auch im Interesse der Rechtssicherheit für alle Beteiligten eine zweifelsfreie Festlegung des Verhältnisses der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zum EHDS erfolgen.

Außerdem dürften Einführung und Betrieb des EHDS nicht zulasten der Leistungserbringer erfolgen. Es müsse deshalb darauf geachtet werden, dass die damit verbundenen technischen Anpassungen, notwendigen Schu­lungen und der administrative Aufwand „auf das Notwendige zu begrenzen und finanzielle Ausgleiche zu leisten sind“. © lau/aerzteblatt.de

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