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Medizin

Long COVID: Kompensationen im Gehirn erklären psychische Probleme

Freitag, 28. April 2023

/Crystal light, stock.adobe.com

Baltimore – Patienten, die 7 Monate nach der akuten Erkrankung an COVID-19 noch über neuropsychiatrische Symptome klagten, erzielten in kognitiven Tests keine schlechteren Ergebnisse als eine Kontrollgruppe.

Die Untersuchungen mit der funktionellen Magnetresonanztomografie zeigten jedoch, dass die betroffenen Patienten größere neuronale Ressourcen aufbringen mussten, was laut der Studie in Neurology (2023; DOI: 10.1212/WNL.0000000000207309) die stärkere psychische Anspannung erklären könnte. Defizite in der ma­nuellen Geschicklichkeit und in der Ausdauer konnten die Patienten nicht kompensieren.

Die Ursache für die Abgeschlagenheit („fatigue“), die Konzentrationsstörungen („brain fog“) und die psychi­schen Langzeitfolgen von COVID-19 sind noch immer ungeklärt. Hirnforscher der University of Maryland School of Medicine in Baltimore haben in einer Studie versucht, mit der funktionellen Magnetresonanzto­mografie (fMRT) etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Die fMRT misst die Veränderungen in der Durchblutung des Gehirns, zu der es bei bestimmten Aufgaben kommt, die die Teilnehmer durchführen, während sich ihr Kopf in der Röhre des Magnetresonanztomografen befindet. Da aktive Hirnzellen stärker durchblutet werden, erlaubt die Untersuchung Rückschlüsse auf die regionale Hirnleistung.

An der Studie nahmen 29 Personen teil, die durchschnittlich 7 Monate zuvor an COVID-19 erkrankt waren und über mindestens ein anhaltendes neuropsychiatrisches Symptom klagten. 9 der 29 Personen waren im Kran­kenhaus behandelt worden. Die Long-COVID-Gruppe wurde mit 21 Personen verglichen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren, aber ein ähnliches Alter, einen ähnlichen Gesundheitszustand und einen ähnlichen Impfstatus hatten.

Die Teilnehmer nahmen zunächst an ausführlichen Tests mit der Toolbox der „National Institutes of Health (NIHTB) für Kognition (NIHTB-CB), Emotionen (NIHTB-EB) und Motorik (NIHTB-MB) teil. Außerdem wurden sie mit dem „Patient-Reported Outcomes Measurement Information System“ (PROMIS) genau nach ihren Symp­tomen befragt. Die Ergebnissen wurden dann mit den Leistungen in einem Test zum Arbeitsgedächtnis und zur Aufmerksamkeit verglichen, den die Teilnehmer im MRT durchführten.

Dem Team um Linda Chang fiel auf, dass die Ergebnisse im NIHTB-CB zur Kognition nicht schlechter waren als in der Kontrollgruppe, obwohl die meisten kognitive Beschwerden (Konzentrationsprobleme 92,9 %, Gedächtnisprobleme 78,6 % und Verwirrtheit 64,3 %) angegeben hatten. Defizite wurden nur bei Emotionen (NIHTB-EB) sowie Geschicklichkeit und Ausdauer (NIHTB-MB) gefunden.

Die Ergebnisse in der fMRT lieferten eine mögliche Erklärung. Bei den einfachen Tests gab es keine Auffällig­keiten. Bei den schwierigen Aufgaben war die Aktivierung in den für die kognitiven Leistungen benötigten Zentren vermindert. In anderen Hirnregionen war die Aktivität dagegen höher als bei den gesunden Proban­den.

Dazu gehörte der Gyrus frontalis superior. Er ist am Arbeitsgedächtnis beteiligt und wird bei schwierigeren Aufgaben aktiviert. Chang vermutet, dass es sich um eine kompensatorische Leistung des Gehirns handelt. Die verminderte Aktivität in den kognitiven Zentren wird durch eine vermehrte Aktivität in andern Zentren ausgeglichen.

Auffallend war auch eine verminderte Deaktivierung des „Default Mode Network“. Diese Regionen sind in Ruhe oder beim Tagträumen vermehrt aktiv. Bei Aufgaben, die eine erhöhte Konzentration erfordern, werden sie abgestellt. Dies scheint den Patienten mit Long COVID nicht so gut zu gelingen.

Eine Folge könnte der vermehrte Stress sein, den die Patienten im NIHTB-EB angegeben hatten. Die Defizite in der Geschicklichkeit im NIHTB-MB erklärt Chang durch die verminderte Aktivität im Gyrus postcentralis, in dem die sensorischen Nervensignale aus dem Körper eintreffen, die für eine zielgerichtete Feinmotorik benötigt werden.

Die Ergebnisse deuten insgesamt auf eine Schädigung des Gehirns während der akuten Erkrankung hin. Be­weisen kann die Studie dies allerdings nicht. Es ist auch möglich, dass die Langzeitschäden, die Radiologen in den Lungen beschrieben haben, die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn verschlechtern, was ebenfalls die vermin­der­ten kognitiven Leistungen erklären würde.

Die Studie wurde an Patienten durchgeführt, die sich mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2 infiziert hatten. COVID-19 verlief bei diesen Patienten deutlich schwerer als derzeit in der Omikron-Welle. Es gibt Hinweis, dass auch die Long-COVID-Symptome mittlerweile milder ausfallen. © rme/aerzteblatt.de

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