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Ärzteschaft

„Ziel ist, von Ärzten weltweit zu lernen, wie sie etwa ihre Arztpraxis klimaneutral gestalten“

Dienstag, 2. Mai 2023

Mombasa – Die Themen Klima, Gesundheit und Krieg sollten stärker zusammengedacht werden. Darüber waren sich mehr als 180 Ärztinnen und Ärzte und Medizinstudierende aus aller Welt auf dem 23. Weltkongress der Orga­nisation IPPNW (Internatio­nale Ärzte für die Ver­hütung des Atomkrieges) einig.

In einer gemeinsamen Abschlusserklärung sprachen sie sich für eine friedliche und gerechte Welt aus. Insbesondere die Gefahr eines Atomkriegs und die Veränderungen des Weltklimas führten auch zu mangelndem Zugang zu Bildung und Gesundheit, bemängelten die IPPNW-Delegierten in einer Abschlusserklärung.

Wie die IPPNW ihre Ziele hin zu Weltfrieden und der Eindämmung der Klimakrise erreichen will und wie bereits heute viele Ärztinnen und Ärzte die Folgen der Klimakrise bei ihrer Arbeit spüren, berichtete die Vorsitzende der IPPNW Deutschland und Präsidentin der IPPNW Europa, Angelika Claußen, dem Deutschen Ärzteblatt.

Claußen sieht zudem bei der Ärzteschaft bezüglich dieser Fragen großes Potenzial. Insbesondere hinsichtlich gesundheitlicher Folgen der Klimakrise sollten Ärztinnen und Ärzte verstärkt voneinander lernen und werden eine wichtige Rolle einnehmen, so Claußen.

5 Fragen an Angelika Claußen, Vorsitzende von IPPNW-Deutschland und IPPNW Europa

Am Wochenende ist in Mombasa der IPPNW-Weltkongress zu Ende gegangen. Wie lief der Kongress und weshalb fand er in Kenia statt?
Die IPPNW hält etwa alle drei Jahre einen Weltkongress ab, um die weltweiten Sektionen und Mitglieder zusammenzubringen und über gemeinsame Themen zu beraten. Ursprünglich war der Kongress bereits 2020 in Kenia geplant, coronabedingt wurde er allerdings verschoben.

Wir haben Kenia gewählt, weil wir bis dato noch nie einen Kongress in Afrika veranstaltet haben. Zudem haben sich in den vergangenen zehn Jahren zunehmend Sektionen in Afrika gebildet. In Kenia gibt es eine relativ starke IPPNW-Organisation.

Inhaltlich wollten wir das Thema Atomwaffen und Frieden weltweit mit der Klimakrise verbinden. Diesbezüglich erschien uns Afrika als sehr geeigneter Veranstaltungsort, weil der Kontinent von der Klimakrise besonders betroffen ist, aber den Klimawandel am wenigsten mit verursacht hat. Das haben vor allem die Länder des globalen Nordens zu verantworten.

Auf dem Kongress herrschte optimistische Stimmung. Das liegt vor allem daran, dass viele junge Afrikanerinnen und Afrikaner teilgenommen haben, die motiviert Dinge anstoßen und umsetzen wollen. Die Klimakrise und auch die Sorge, dass die Regierung Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, sind schrecklich, aber damit kann man nur leben, wenn man sich eigene Ziele setzt, um etwas gegen politische Strömungen zu unternehmen. Der Atomwaffenverbotsvertrag oder auch das Klimaabkommen von Paris sind positive Beispiele, die zeigen, dass Organisationen und engagierte Menschen Staaten dazu bringen können, entsprechend gegenzusteuern.

Welche Themen standen beim Kongress im Vordergrund?
Wie bereits erwähnt, steht für uns die Bekämpfung der Klimakrise ganz oben auf der Agenda. Ein möglicher Atomkrieg und die Klimakrise sind die beiden größten Bedrohungen im 21. Jahrhundert. Deswegen setzen wir uns auch für die Verhütung eines Atomkriegs in Europa ein. Nur mit internationaler Zusammenarbeit, Verträgen, dem Einbeziehen der Zivilbevölkerung und auch der Ärzteschaft wird es gelingen, entsprechende Lösungen zu finden.

Zudem eint uns der Einsatz für Gesundheit, beziehungsweise globale Gesundheit. Hier gibt es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Wo Armut besonders groß ist, etwa in Indien, entwickeln Ärztinnen und Ärzte beispielsweise konkrete Projekte, um dazu beizutragen, den Zugang zu Gesundheit oder Trinkwasser sicherzustellen. Zudem kümmern sich Ärztinnen und Ärzte um die gesundheitlichen Folgen beispielsweise des Uranbergbaus in Afrika, denn Uran wird zur Produktion von Atomwaffen benötigt.

Auf dem Kongress waren Ärztinnen und Ärzte aus vielen Regionen der Welt vertreten. Was berichten diese bezüglich der Bekämpfung gesundheitlicher Folgen durch den Klimawandel?
Die Geschichten der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf den Klimawandel sind sehr eindrücklich. In Kenia nehmen die Dürreperioden deutlich zu. Damit wird der Zugang zu Trinkwasser deutlich verschärft. Auf der anderen Seite gibt es plötzliche Starkregenfälle und Überflutungen. Das führt dazu, dass es in Trockengebieten plötzlich zu viel Regen gibt und Wasser nicht aufgefangen werden kann. Die vermehrte Ausbreitung von Erkrankungen, deren Erreger sich im Wasser befinden, etwa Typhus oder Malaria, wird bereits jetzt sichtbar.

Zudem verendet das Vieh und die Menschen haben nichts mehr zu essen. Der Anstieg von Armut und Hunger folgt. Die Klimakrise verschärft also die Probleme, die es in vielen afrikanischen Ländern zuvor schon gab. Was allerdings ein wenig Hoffnung macht, ist das beispielsweise kenianische Medizinstudierende bei Katastrophen aus den Städten aufs Land fahren, um Wasser, Lebensmittel oder Zelte zu verteilen, um direkt und zügig zu helfen. Das ist trotzdem oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein, doch die Menschen sind dankbar.

Zudem gibt es in einigen afrikanischen Ländern Uranbergbaugebiete, die zu drastischen gesundheitlichen Konsequenzen in der Zivilbevölkerung führen. Obwohl viele afrikanische Länder den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und sich als nuklearfreie Zone erklärt haben, fördern Konzerne aus Frankreich, China oder Russland, die auch Atomwaffen produzieren, Uran in Afrika. Von den Konzernen gibt es keine Verpflichtung, den Atommüll zu entsorgen oder Entschädigungen zu zahlen. Die Uranabfälle liegen dort einfach herum, beispielsweise in Niger, in Arlit. Dort wird seit rund 50 Jahren Uran abgebaut.

Nicht nur die Arbeiter, sondern auch die Frauen und Kinder sind vom überall verbreiteten Uranstaub betroffen. Gesundheitliche Folgen zeichnen sich durch Missbildungen oder Fehlbildungen während der Schwangerschaft oder Fehlgeburten ab. Zudem gibt es mehr Fälle von Krebserkrankungen, insbesondere Leukämie.

Was folgt aus den erarbeiteten Themen und Forderungen des Kongresses?
Die Forderungen sind Arbeitsaufträge für die verschiedenen Sektionen. Monatlich treffen sich per Videobesprechung Vertreterinnen und Vertreter aus rund 40 Ländern mit IPPNW-Sektionen. Dort wird die Umsetzung der Forderungen in Form von Kampagnen beraten und geprüft, wie weit der Stand der Umsetzung ist.

Unsere Hauptkampagnen beziehen sich auf den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag, das der militärisch bedingte CO2-Fußabdruck mit in den nationalen Klimabericht an das Klimasekretariat der Vereinten Nationen aufgenommen wird. Die Allianz für Klima und Gesundheit (KLUG), in der die IPPNW Mitglied ist, setzt sich für konkrete Maßnahmen ein, wie Ärzte und Gesundheitspersonal zur Eindämmung des Klimawandels beitragen können. Die Allianz hat viele praktische Vorschläge für das klimaneutrale Krankenhaus beziehungsweise die Praxis erarbeitet.

Beide Organisationen IPPNW und KLUG sind im Gesundheitsbereich tätig. Viele unserer Mitglieder sind auch bei KLUG aktiv. Wir wollen hier auch Vernetzungsarbeit mit anderen Gesundheitsorganisationen betreiben. Ziel ist es von anderen Ärztinnen und Ärzten weltweit zu lernen, wie sie etwa ihre Arztpraxis klimaneutral gestalten. Es gibt bereits einige Kooperationen, aber wir wissen noch nicht genug voneinander. Die IPPNW hat zudem ein neues Büro in Genf angemietet, um näher bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu sein.

Was müsste Ihrer Ansicht nach passieren, damit die Folgen der Klimakrise im Gesundheitsbereich besser abgewendet werden können?
In Deutschland gibt es bereits einen Anstieg an hitzebedingten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Menschen sowie ein Anstieg der Hitzetoten. Es gibt zwar bereits gut formulierte Hitzeaktionspläne, diese sollten aber auch umgesetzt werden. Es braucht einen gemeinsamen bundesweiten Hitzeaktionsplan, der von den Bundesländern beschlossen wird. Die Kommunen müssten damit beauftragt werden, diese Pläne auch durchzuführen.

Der Gesundheitsbereich trägt zudem selbst zum Klimawandel bei. Insbesondere die Institutionen und Krankenhäuser müssten verpflichtet werden, auf Klimaneutralität hinzuarbeiten und CO2 einzusparen. Das ist ein langfristiger Prozess, bei dem die Krankenhäuser auch Unterstützung brauchen. Hier müsste es mehr Zusammenarbeit des Bundesgesundheitsministeriums mit den anderen Ministerien geben. Wer Klimaschutz einhält, muss auch belohnt werden. Wenn die Politik das beispielsweise bei Wärmepumpen für private Haushalte durchsetzt, kann das auch in Krankenhäusern realisiert werden.

Zudem gibt es bei der Ärzteschaft großes Potenzial. Wenn die Kolleginnen und Kollegen ihren Patienten erklären, wie sie sich wegen der Hitze verhalten sollten, konkrete Anweisungen geben und die Patienten in die Aufklärungsarbeit miteinbeziehen, hat das positive Auswirkungen auf den Gesamtprozess. © cmk/aerzteblatt.de

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