Politik
Cannabislegalisierung: Edibles sind vom Tisch
Dienstag, 2. Mai 2023
Berlin – Der Verkauf sogenannter Edibles, also THC-haltiger Lebensmittel, solle auch im Falle einer Legalisierung von Cannabis als Genussmittel verboten bleiben. Diesen Schluss zieht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aus den nun vorgelegten Ergebnissen der von ihm in Auftrag gegebenen Studie „Effekte einer Cannabislegalisierung (ECaLe)“.
Die Ausgestaltung der Cannabislegalisierung wird ein Drahtseilakt. Die vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) in Hamburg erarbeitete Studie sieht nämlich ein klares Spannungsverhältnis zwischen den Zielen der Austrocknung des Schwarzmarkts sowie dem Jugendschutz – laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beides Hauptziele der geplanten Reform.
Basierend auf Experteninterviews und der Auswertung von 164 Studien zur Cannabisfreigabe in anderen Ländern von Kanada bis Uruguay kommen die Studienautorinnen und -autoren zu dem Schluss, dass nach der Legalisierung mit einem leichten Anstieg des Konsums zu rechnen ist.
Damit einher gingen auch eine Zunahme negativer Folgen, die jedoch allesamt nur schwach zu beobachten gewesen seien: So seien die Zahlen der Notaufnahmen wegen akuter oder chronischer cannabisbezogener Probleme bei Erwachsenen oder auch der Verkehrsunfälle mit Cannabisbezug leicht gestiegen. Nicht beobachtet worden sei hingegen ein kurzfristiger Anstieg psychotischer Diagnosen.
Demgegenüber stehe neben besseren Möglichkeiten zum Gesundheits- und Jugendschutz auch eine Verringerung der Zahl der Vergiftungsfälle durch synthetische Cannabinoide und andere beigemischte Substanzen.
Auch gäbe es Berichte aus den untersichten Ländern, wonach es Konsumenten nach der Legalisierung leichter fänden, mögliche Konsumprobleme mit medizinischen Fachkräften zu besprechen.
„Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich der Gesundheitsschutz für Erwachsene durch eine Legalisierung in Deutschland zumindest kurzfristig nur geringfügig verändern dürfte“, schreiben die Studienautoren in einem Policy Paper für die Bundesressorts und Regierungsfraktionen, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Die meisten sozialen oder gesundheitlichen Probleme würden jedoch ohnehin nicht bei den Erwachsenen entstehen, sondern durch einen frühen und regelmäßigen Erstkonsum, in der Regel vor dem 18. Lebensjahr.
Hinzu kämen Erfahrungen aus den USA, wo unbeabsichtigte Vergiftungs- und Rauschzustände bei Kindern unter 10 Jahren dort unmittelbar und beträchtlich angestiegen seien, wo Edibles verkauft werden.
Dies lasse sich allerding durch eine geeignete Regulierung von Edibles verhindern. Es sei beispielsweise möglich, nur solche zuzulassen, die für Kinder nicht attraktiv sind.
Das BMG sieht seine Pläne durch die Studienergebnisse bestätigt. Die Priorität des Gesundheits- und Jugendschutzes sei durch sie noch weiter nach vorn getreten, heißt es aus dem Ministerium. Es werde dementsprechend auch Aufklärungskampagnen für Erwachsene brauchen.
Beim Thema Edibles sehe man sich nun endgültig in der Auffassung bestärkt, deren Vertrieb nicht zu erlauben. Besondere Bedeutung werde beim Gesetzgebungsprozess zudem die Abwägung der Ziele zukommen.
Denn neben der Normalisierung des Konsums Erwachsener könne laut Studienautoren vor allem eine Kommerzialisierung, also eine starke ökonomisch motivierte Expansion des legalen Marktes, dazu führen, dass mehr Jugendliche Cannabis konsumieren.
Gleichzeitig habe sich aber gezeigt, dass es vor allem ein liberal regulierter Cannabismarkt ist, der zur Zurückdrängung des Marktes führt. So hätten in Kanada drei Jahre nach der Legalisierung fast zwei Drittel der Konsumenten angegeben, ihr Cannabis nie aus illegalen Quellen zu beziehen.
In Uruguay, wo der Cannabiskonsum legal, aber streng reguliert ist, liege der Anteil des legalen Marktes hingegen deutlich unter 50 Prozent, wobei es auch einen beträchtlichen Graumarkt gebe, auf dem eigentlich legales Cannabis illegal verkauft wird.
Es komme, so schlussfolgern die Studienautoren, bei einer erfolgreichen Zurückdrängung insbesondere auf vier Faktoren an: Verkaufspreis, Produktqualität, Vertrauen in Verkaufsstelle und Produkt sowie die Bequemlichkeit. Konsumenten müssen also möglichst niedrigschwellig an verlässliches Cannabis kommen.
Tun sie das, steigt jedoch potenziell auch der Anteil derer, die Cannabis konsumieren. Es sei deshalb wichtig, den Markt so zu regulieren, dass der Konsumanstieg auf möglichst niedrigem Niveau gehalten wird.
„Dabei müsste auch in Kauf genommen werden, dass sich der illegale Markt nicht so schnell eindämmen lässt, wie es durch eine starke Kommerzialisierung der Märkte möglich wäre“, schreiben die Studienautoren um Projektleiter Jakob Manthey.
Als mögliche Wege sehen sie die Einrichtung eines staatlichen Verkaufsmonopols, oder die eine räumliche Begrenzung der Verkaufslizenzen. Auch ein Marketingverbot inklusive der Schaufenster von Verkaufsstellen sowie ein THC-Mindestpreis und eine inflationsadjustierte THC-Steuer könnten Anreize für risikoarme Konsummuster schaffen.
Das wären allerdings Maßnahmen, die erst in der geplanten zweiten Stufe der Legalisierung greifen würden. Die erste Stufe hingegen sieht ohnehin die Zulassung von nicht-kommerziellen Anbauvereinen, sogenannten Cannabis Social Clubs, vor.
Die empfehlen auch die Studienautoren. Konsumenten würden dort Mitgliedsgebühren zahlen und dafür entweder selbst gemeinsam Cannabis anbauen oder anbauen lassen und dann gegen einen Unkostenbeitrag erwerben können. Nach bisherigen Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könnten diese Clubs noch in diesem Jahr zugelassen werden. © lau/aerzteblatt.de

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