Politik
Reform des Medizinstudiums geht in eine neue Runde
Montag, 8. Mai 2023
Berlin – Der Novellierungsprozess der ärztlichen Ausbildung nimmt wieder Fahrt auf. Zum 1. Oktober 2027 könnte sie in Kraft treten. Das geht aus einer überarbeiteten Fassung eines Gesetzesentwurfs hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat den Entwurf als „Zwischenstand“ deklariert und zur Abstimmung an die Bundesländer geschickt. Sowohl die Medizinstudierenden als auch die Medizinischen Fakultäten begrüßten das Ende des Stillstands der Reformbemühungen.
Einen ersten Vorschlag hatte die Bundesregierung bereits im November 2020 vorgelegt, einen präzisierten Referentenentwurf im August 2021. Die Finalisierung verzögerte sich dann jedoch aufgrund ungeklärter Finanzierungsfragen, obwohl sich Bund und Länder inhaltlich bereits 2017 mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ auf die Grundzüge einer Reform des Medizinstudiums geeinigt hatten.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass der jetzt kursierende, aktualisierte Referentenentwurf deutlich auf eine Kostenreduktion setzt. Während vorher auf die Länder jährliche Mehrkosten in Höhe von etwa 300 Millionen zugekommen wären, geht das BMG durch die mittlerweile vorgenommenen Änderungen noch von Mehrkosten von 177 Millionen Euro pro Jahr für die Bundesländer aus, die schließlich die Kosten für die Hochschulen tragen.
Die einmaligen Mehrkosten sollen jedoch aufgrund aktualisierter Kostenfaktoren von 88 Millionen auf 94 Millionen Euro steigen. Für die Berechnung der Mehrkosten zog das BMG die aktuellen von der Stiftung für Hochschulzulassung zur Verfügung gestellten Studierendenzahlen heran (für das Studienjahr 2022 11.752 Medizinstudierende).
Eingespart werden sollen die veranschlagten Kosten durch eine Reduktion der Vorlesungen um 30 Prozent und deren Ersatz durch digitale Blended-Learning-Formate. Auch stationäre Blockpraktika und das ambulante Blockpraktikum in der Allgemeinmedizin sollen verkürzt werden und so zu einer Kostenreduktion beitragen.
Trotzdem soll der Fokus der Reform auf einen stärkeren Praxisbezug im Medizinstudium gerichtet sein. Die ärztliche Ausbildung soll vor allem künftig kompetenzorientiert ausgerichtet werden, indem der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) in der Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen verbindlich verankert wird. Klinische und theoretische Inhalte sollen den Studierenden vom ersten Semester an miteinander verknüpft vermittelt werden. Die strikte Trennung von Vorklinik und Klinik soll aufgegeben werden.
Um den Hausärztemangel zu begegnen, liegt ein weiterer Fokus auf der Stärkung der Allgemeinmedizin bereits im Medizinstudium. Lehrpraxen sollen verstärkt in die ärztliche Ausbildung einbezogen werden, wobei das BMG auf eine Selbstverpflichtung der Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner setzt, der zufolge ausreichend Lehrpraxen für das Blockpraktikum Allgemeinmedizin zur Verfügung stehen sollen.
Der Allgemeinmedizin soll insgesamt eine größere Rolle zukommen – auch im Praktischen Jahr (PJ). In diesem sollen Studierende künftig mindestens ein Quartal verpflichtend in einer Praxis absolvieren müssen, wobei dies neben Lehrpraxen auch in Hochschulambulanzen möglich sein soll.
Ferner soll – auch als Lehre aus der Pandemie – durch die Reform auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) mit seinen bevölkerungsmedizinischen und sozialkompensatorischen Aufgaben gestärkt werden.
Hintergrund dafür ist unter anderem die Verständigung der Gesundheitsminister und -ministerinnen von Bund und Ländern auf den Pakt für den ÖGD vom September 2020, demzufolge Studierende stärker an die Themenfelder der öffentlichen Gesundheit herangeführt werden sollen.
Im Zuge der Änderungen der ärztlichen Ausbildung sollen auch die ärztlichen Prüfungen durch eine Weiterentwicklung der Prüfungsformate praxisnäher gestaltet werden. Dabei sollen auch die Allgemeinmedizin und die hausärztliche Versorgung in den Prüfungen abgebildet werden.
Die Medizinstudierenden zeigen sich nach dem jahrelangen Warten grundsätzlich zufrieden mit dem Fortgang der Reformbemühungen: „Wir sind überaus erfreut, dass der Novellierungsprozess der Approbationsordnung erneut an Fahrt aufnimmt. Neben den verbesserungsbedürftigen Punkten, insbesondere in Bezug auf das PJ und faire Prüfungsformate, gibt es viele positive Veränderungen, die diese Fassung des Entwurfs enthält”, erklärte Laura Schmidt, Bundeskoordinatorin für Medizinische Ausbildung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd).
Enttäuscht sind die Studierenden jedoch, dass in dem Entwurf erneut nicht einer studierendenfreundlichen Regelung zu Krankheitstagen im PJ nachgekommen wird. Zudem bleibt für sie die Frage, wie eine gemeinsame Weiterentwicklung von Nationalem Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) und Gegenstandskatalog nachhaltig sichergestellt werden soll. Sie befürchten, dass Studien- und Examensinhalte früher oder später auseinanderfallen.
Auch der medizinische Fakultätentag (MFT) bewertet den aktualisierten Entwurf als ein „positives Signal“. Man sei gespannt auf die Reaktion der Länder und hoffe, dass dieser aktualisierte Entwurf die Grundlage für eine zielführende Entscheidung zwischen Bund und Ländern liefere, sagte Frank Wissing, Generalsekretär des MFT, dem Deutschen Ärzteblatt.
Zudem hofften die Fakultäten, dass neben den inhaltlichen Festlegungen, die der MFT unterstütze, auch die nach wie vor offene Frage der für die Umsetzung erforderlichen Ressourcen geklärt werde. „Der Aufwand ist für alle Beteiligten auch nach den vorgeschlagenen Reduktionen und Vereinfachungen weiterhin sehr hoch und darf nicht unterschätzt werden“, so Wissing. © ER/aerzteblatt.de

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