Medizin
COVID-19: Zytokinopathie für Myokarditis nach mRNA-Impfung verantwortlich
Montag, 8. Mai 2023
New Haven/Connecticut – Die zumeist milde verlaufenden Myo-/Perikarditiden, zu denen es in seltenen Fällen vor allem bei jüngeren Männern nach einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen kommen kann, sind möglicherweise auf eine gesteigerte Reaktion des angeborenen Immunsystems zurückzuführen.
Den Verdacht einer Überempfindlichkeit auf Komponenten des Impfstoffs oder auf eine Autoimmunreaktion konnte ein Forscherteam in Science Immunology (2023; DOI: 10.1126/sciimmunol.adh3455) dagegen nicht bestätigen.
Nach der Ausweitung der COVID-Impfung ist es bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vereinzelt zu kardialen Komplikationen gekommen. Betroffen waren vor allem Männer im Alter von 12 bis Mitte 20, die bevorzugt nach der 2. Dosis eines mRNA-Impfstoffs über Brustschmerzen mit Herzklopfen, Fieber und Kurzatmigkeit klagten.
Ein Anstieg von C-reaktivem Protein, Troponin und B-natriuretischem Peptid zeigte eine entzündliche Schädigung des Herzmuskels mit einer vorübergehenden Einschränkung der Herzleistung an.
Die Komplikation sind sehr selten. Die US-amerikanischen „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) schätzen die Häufigkeit bei 12- bis 17-Jährigen auf 22 bis 36 Fälle pro 100.000 Zweitimpfungen, womit sie seltener sind als eine COVID-19 bedingte Myokarditis, deren Inzidenz die CDC in derselben Altersgruppe mit 50,1 bis 64,9 Fälle pro 100.000 angibt.
Die Myo-/Perikarditiden gingen zumeist glimpflich aus. Die Herzfunktion erholte sich rasch, und die Patienten konnten nach wenigen Tagen aus der Klinik entlassen werden.
Dennoch stellt sich die Frage, was die Zwischenfälle auslöst. Ein Team um Carrie Lucas von der Yale University School of Medicine in New Haven/Connecticut hat deshalb bei 17 Personen im Alter von 13 bis 21 Jahren ausführliche immunologische Tests durchgeführt. Die meisten Patienten waren 1 bis 4 Tage nach der 2. Dosis erkrankt.
Die Forscher vermuteten zunächst eine Überempfindlichkeitsreaktion auf die mRNA beziehungsweise die Lipidnanopartikel, in welche die mRNA verpackt sind. Ein zweiter Verdacht war eine Autoimmunreaktion, bei der Antikörper gegen SARS-CoV-2 zufällig Strukturen im Herzmuskel angreifen.
Für beide Hypothesen fanden die Forscher keine Bestätigung. Gegen eine Überempfindlichkeit sprach, dass es bei den Patienten zu keiner Zunahme der eosinophilen Granulozyten kam, die bei allergischen Erkrankungen aktiv werden. Auch ein Anstieg der Th2-Zytokine, die diese Reaktionen triggern, war nicht erkennbar. Antikörper, die Strukturen auf den Herzmuskelzellen angreifen können, waren ebenfalls nicht nachweisbar.
Bei systematischen immunologischen Untersuchungen fanden Lucas und Mitarbeiter dagegen Erhöhungen verschiedener Interleukine (IL-1beta, IL-1RA und IL-15) und Chemokine (CCL4, CXCL1 und CXCL10). Beides deutet auf eine vermehrte Aktivität des angeborenen Immunsystems hin, das möglicherweise die Impfung mit dem Eindringen von Krankheitserregern verwechselt und deshalb Alarm schlägt.
Die Zytokine rufen dann offenbar natürliche Killerzellen auf den Plan. Diese könnten zusammen mit zytotoxischen T-Zellen einige Muskelzellen angreifen. Matrixmetalloproteasen, die ebenfalls vermehrt waren, könnten dann Teile der Extrazellularmatrix abbauen haben. Nachweisbar war auch eine vermehrte Aktivierung von Monozyten aus dem Knochenmark, die im Gewebe als Makrophagen die Trümmer beiseite räumen.
zum Thema
Deutsches Ärzteblatt print
- Selbstberichtete Reaktogenität nach verschiedenen COVID-19-Impfschemata
- Post-Vac-Syndrom: Seltene Folgen nach Impfung
aerzteblatt.de
- SARS-CoV-2: Ist das kardiale Sterberisiko junger Menschen nach der Impfung erhöht?
- Myokarditis: Nach Impfung milder als nach COVID-19
- Impfstoff-Myokarditis: Patienten haben vorübergehend ungebundene Spike-Proteine im Blut
- COVID-19: Myokarditis nach Impfung könnte vorübergehende Autoimmunreaktion sein
Eine mögliche Folge ist ein Remodeling mit den Ersatz der Herzmuskelzellen durch Bindegewebszellen. Dies könnte das „Late Gadolinium Enhancement“ (LGE) in der Kernspintomografie erklären, das in anderen Studie bei den Patienten noch Monate nach der klinischen Erholung beobachtet wurde.
Das LGE kommt durch einen verzögerten Abfluss des Kontrastmittels zustande und gilt als Hinweis auf eine kardiale Fibrose. Ob diese langfristige gesundheitliche Nachteile mit sich bringt, ist nicht bekannt. Lucas rät zu regelmäßigen Nachuntersuchungen der betroffenen Patienten.
Unklar ist, ob die überschießende Immunreaktion durch die Lipidnanopartikel ausgelöst wurde, in denen die mRNA verpackt sind, oder ob die Spikeproteine, die von den Muskelzellen gebildet werden, dafür verantwortlich sind. Unbekannt ist auch, warum es bei einigen Menschen, vor allem jungen Männern, zu diesen Reaktionen kommt. © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.