Politik
Lauterbach rechnet mit Zunahme psychischer Erkrankungen, Versorgung soll besser gesteuert werden
Mittwoch, 10. Mai 2023
Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet mit einer weiteren Zunahme von psychischen Erkrankungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen. „Die Coronapandemie und die entsprechenden Stressfaktoren wirken weiter nach“, sagte er heute beim 2. Psychotherapiekongress in Berlin.
Lauterbach betonte, man müsse „der Verzweiflung unserer Kinder durch die Klimakrise“ begegnen. Auch habe die reale Gefahr durch einen Atomkrieg mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zugenommen. „Und eine Garantie, dass das politische System der Demokratie weiter bestehen bleibt, gibt es nicht mehr“, erklärte der Minister.
Kongresspräsidentin Eva-Lotta Brakemeier betonte, psychologische und psychotherapeutische Expertise seien „gefragter denn je“. Die aktuellen Krisen stellten die Gesellschaft vor nie da gewesene Herausforderungen. Die Professorin für Psychologie an der Universität Greifswald sprach sich zudem für einen verstärkten Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis aus.
All diese Faktoren werden nach Ansicht des Bundesgesundheitsministers, der Schirmherr des 2. Psychotherapiekongresses ist, den Druck auf die Menschen erhöhen. Am stärksten betroffen seien Kinder und Jugendliche.
„Sie sind die größten Verlierer der Pandemie gewesen und müssen jetzt lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz in Kauf nehmen“, sagte Lauterbach. Er kritisierte in diesem Zusammenhang, dass es keine epidemiologischen Daten zur psychischen Verfassung von Kindern und Jugendlichen gebe, außer einigen Krankenkassenberichten. „Wir brauchen aber Daten, um gegensteuern zu können“, betonte er.
Versorgung soll besser gesteuert werden
Quantitativ sieht der Bundesgesundheitsminister die psychotherapeutische Versorgung gut aufgestellt – „die Lage ist gut“. „Wir müssen die Versorgung aber angemessen steuern: sehr schwer psychisch kranke Menschen, womöglich mit Suchterkrankungen, brauchen bessere Angebote“, betonte er.
Die psychotherapeutische Sprechstunde sei grundsätzlich ein wichtiges Element. Doch danach seien besonders schwere Fälle nur schlecht in die Versorgung zu integrieren. Zudem gebe es große unterversorgte Gebiete auf dem Land.
Lauterbach: „Wir sind sehr intensiv mit Regelungen zu der neuen Weiterbildung beschäftigt“
Um auch zukünftig psychisch kranke Menschen verlässlich versorgen zu können, will sich der Bundesgesundheitsminister für eine ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung und mehr Weiterbildungsstellen einsetzen.
„Ich bin mir der Verantwortung voll bewusst und wir sind sehr intensiv mit Regelungen zu der neuen Weiterbildung beschäftigt“, sagte er vor dem Psychotherapiekongress. „Aufgrund der demografischen Entwicklung werden wir für jeden Psychotherapeuten dankbar sein, der sich für die neue Weiterbildung entscheidet“, betonte Lauterbach.
Forderungen nach einer ausreichenden Finanzierung der Weiterbildung und genügend Weiterbildungsstellen gab es bereits am Wochenende beim 42. Deutschen Psychotherapeutentag in Frankfurt; in der vergangenen Woche protestierten Studierende (PsyfaKo), um auf die unsichere Situation nach einem Psychotherapiestudium aufmerksam zu machen.
Nach der Ausbildungsreform für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten schließt an ein Approbationsstudium der Klinischen Psychologie und Psychotherapie eine fünfjährige Weiterbildung im ambulanten, stationären und institutionellen Bereich an, um sich niederlassen zu können. Eine ausreichende Finanzierung ist bislang ungeklärt.
Mit Blick auf psychisch belastete Kinder und Jugendliche forderte der Bundesgesundheitsminister darüber hinaus die anwesenden Psychotherapeuten auf, Ideen zu entwickeln, wie man besonders gefährdete Heranwachsende in Schulen besser erkennen und erreichen könnte. Seines Erachtens müssten auch Lehrer entsprechend geschult werden.
Der Psychotherapiekongress findet zum zweiten Mal und noch bis einschließlich Samstag statt. Veranstaltet wird der Kongress von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP), dem Verbund universitärer Ausbildungsgänge für Psychotherapie (unith) sowie den Kongresspräsidenten Eva-Lotta Brakemeier und Jan Richter. 1.240 Teilnehmende haben sich nach Angaben der Veranstalter zur Präsenzveranstaltung angemeldet. Hinzu kommen digitale Gäste. © PB/aerzteblatt.de

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