Ärzteschaft
Ärztetag: Digitalstrategie muss versorgungsorientiert umgesetzt werden
Freitag, 19. Mai 2023
Essen – Die angekündigte Ausrichtung der Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf die Verbesserung der Versorgungsprozesse, nutzerorientierte Technologien und benutzerfreundliche Anwendungen wird vom 127. Deutsche Ärztetag begrüßt. Diesen Worten müssten nun allerdings Taten folgen, forderte der Berliner Ärztekammerpräsident Peter Bobbert heute.
Die explizit in der Strategie angekündigte und immer wieder von der Ärzteschaft eingeforderte konsequente Orientierung der Anwendungsentwicklung und des Technologieeinsatzes an der Perspektive der Nutzer sieht der Ärztetag als positiven Impuls für eine benutzerfreundliche Weiterentwicklung hin zu einer praxistauglichen Telematikinfrastruktur (TI) im Sinne des entsprechenden Beschlusses des 126. Deutschen Ärztetages 2022 in Bremen.
In der Vergangeheit sei bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens der Kardinalfehler unterlaufen, den Fokus zu sehr auf administrative Prozesse zu legen, erklärte Bobbert. In der Digitalstrategie der Bundesregierung sei zu erkennen, dass sie den Fokus wieder auf den Nutzen für die Patienten lege. „Da steht der Mensch im Mittelpunkt dieser Digitalstrategie und das kann man nur befürworten.“
Es sei nun Zeit, an einem Strang zu ziehen und den enormen Rückstand, den Deutschland im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn hat, endlich aufzuholen. Elektronisches Rezept (E-Rezept) und elektronische Patientenakte (ePA) würden in vielen Ländern schon seit zehn, 15 oder 20 Jahren genutzt. „Im digitalen Zeitalter sind 20 Jahre ein Jahrhundert“, mahnte er.
Ein „problematisches Signal“ stelle allerdings die vom BMG vorgesehene Neuaufstellung der Gematik im Sinne einer 100-prozentigen Trägerschaft des Bundes dar. „Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum das so gemacht wird. Es ist ein falsches Zeichen“, kritisierte Bobbert.
Wenn die bisherigen Gesellschafter ganz aus der Gematik ausgegrenzt werden sollen, passe das nicht zu der angekündigten Stärkung der Nutzerorientierung, betonten die Delegierten. Der Ärztetag lehnt dies strikt ab. Vielmehr gelte es, sektorspezifische Kompetenz und Verantwortung bei der Weiterentwicklung der TI einzubinden, um deren Identifikation mit TI-Projekten zu stärken.
Dies betreffe beispielsweise die verantwortliche Beteiligung bei der Auswahl und Priorisierung von neuen Anwendungen, die Qualitätskriterien für solche Anwendungen und den Zeitpunkt für die bundesweite Einführung. Die zukünftige Digitalagentur benötige hierzu passende Beratungs- und Entscheidungsstrukturen.
Im Sinne der Nutzer- und Praxisorientierung der Digitalstrategie fordert der Ärztetag zudem die Einrichtung eines Nutzerpanels von Ärzten und Patienten, welches die Identifikation prioritärer digitaler Anwendungen, die Erhebung von Anforderungen sowie die etwaige Nachjustierung umgesetzter Anforderungen fachlich-inhaltlich begleiten soll.
Seitens der Gematik müsse eine Roadmap mit „realistischen Planungsannahmen und priorisierten medizinischen Anwendungen“ entwickelt werden. Diese Planung solle dann an die Stelle der bisherigen gesetzlich vorgegebenen Einführungstermine und fachlich-inhaltlichen Vorgaben bezüglich einzelner digitaler Anwendungen treten.
Zudem müsse die Digitalisierungsstrategie durch eine „Implementierungs- und Kommunikationsstrategie“ begleitet werden. Angesichts der Dimension des Gesamtvorhabens brauche es eine breite Öffentlichkeitskampagne, so der Ärztetag.
Dazu gehöre auch, sagte Bobbert, die öffentliche Wahrnehmung bezüglich einiger wahrgenommener Kontroversen zu verändern. So werde in der Debatte über die Nutzung von Gesundheitsdaten aus der ePA, beispielsweise im geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS), mit falschen Kategorien argumentiert.
Es müsse enden, dass Gegner der geplanten Datennutzung mit Schlagwörtern wie der Nutzung durch Pharmaindustrie oder einem theoretischen Zugriff der Politik auf diese Daten argumentieren: „Ich warne davor, dass man das so macht. Das zu dämonisieren, halte ich für unklug“, sagte er.
Wenn man beispielweise der pharmazeutischen Forschung die Datennutzung verweigere, werde sie sich schlicht noch mehr ins Ausland verlagern: „Und dann müssen wir es uns von dort holen.“ © aha/ lau/aerzteblatt.de

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