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Politik

Lauterbach will Anreize für möglichst hohe Fallzahlen senken

Montag, 22. Mai 2023

/Georgiy, stock.adobe.com

Berlin – Die mit der Krankenhausreform geplante Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen somatischer Krankenhäuser soll durch eine Absenkung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) generiert werden. Das geht aus einem neuen, elf Seiten langen Eckpunkte­papier des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hervor, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Ziel ist es, dass „der Anreiz auf eine möglichst hohe Fallzahl gesenkt“ werde, schreibt das Ministerium darin.

Die Absenkung soll auf Grundlage der tatsächlichen Vorhaltekostenanteile der jeweiligen Fallpauschalen erfolgen. Das Ministerium will die Selbstverwaltungsparteien auf Bundesebene dazu verpflichten, die tat­sächlichen Vorhalte­kosten der Krankenhausbehandlungen auf Basis der Qualitätskriterien der Leistungs­gruppen zu kalkulieren.

Da dies jedoch bereits eine Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen sowie der relevanten Qualitätskriterien voraussetze, sollten – um den Krankenhäusern schnellstmöglich eine von der Leistungserbringung unabhän­gige Vorhaltevergütung zukommen zu lassen – die Vorhalteanteile zunächst normativ ermittelt werden, schreibt das BMG.

In einer Übergangsphase solle die Absenkung der Fallpauschalen daher pauschal um einen gesetzlich vorge­gebenen, zunächst einheitlichen Vorhalteanteil – in Höhe eines erheblichen Teils der Vergütung; die Kosten für Pflegepersonal am Bett und Sachkosten würden vorher abgezogen – erfolgen.

Zuletzt hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einem geplanten Anteil der Vorhaltefi­nan­zierung von 60 Prozent gesprochen. Damit würde die Finanzierung der Krankenhäuser nach der Reform nur noch mit einem Anteil von 40 Prozent über die DRG laufen. Wie hoch dieser Anteil tatsächlich sein soll, steht allerdings noch nicht fest.

Mehrjährige Konvergenzphase geplant

Alle anderen Entgeltarten (Zu-/Abschläge, Zusatzentgelte, krankenhausindividuelle Entgelte) blieben im Kon­text dieser Umstellung unberührt, heißt es im Eckpunktepapier weiter. Sofern die neuen gesetzlichen Vorga­ben zum Jahres­beginn 2024 in Kraft treten, könne 2025 und 2026 eine budgetneutrale Anwendung der Vor­haltebewertungsrelationen erfolgen. Anschließend sollen die Leistungsgruppen, die in einer mehrjährigen Konvergenzphase eingeführt werden sollen, finanzielle Auswirkungen auf die Vorhaltefinanzierung entfalten.

Mit der Einführung der Vorhaltevergütung soll nach Angaben des Ministeriums die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern „weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung erfolgen“. Krankenhäuser sollen demnach „temporär unab­hän­gig von der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Leistungen eine in ihrer Höhe festge­legte Vorhaltevergü­tung“ erhalten. Zudem sollen Kliniken die Zahlungen der Vorhaltevergütung künftig lediglich erhalten, wenn jeweilige bundeseinheitliche Qualitätskriterien eingehalten werden.

Die Ermittlung des Vorhaltebudgets eines Krankenhauses ist komplex. Es soll den Plänen des Ministeriums zufolge zunächst auf Basis der vereinbarten Fallzahlen ermittelt werden. Mit der bedarfsbezogenen Zuwei­sung der Leistungsgruppen an die Krankenhäuser durch das Land soll dann das Vorhaltebudget auf Basis von Art und Umfang der zugewiesenen Leistungsgruppen unabhängig von der Zahl der erbrachten Fälle ermittelt werden, heißt es.

Bund-Länder-Gespräche finden morgen statt

Das Eckpunktepapier dürfte auch morgen Abend beim „Kaminabend“ von Lauter­bach mit den Ländern zur Krankenhausstrukturreform thematisiert werden. Bund und Länder haben weiterhin unterschiedliche Vor­stellun­gen, was eine Reform angeht. Vor allem die Einführung von Leveln sehen die Länder kritisch.

Lauterbach hatte sich zuletzt bezüglich der Reform zuversichtlich gezeigt. Es handele sich um eine Reform, bei der „Bund und Länder zusammenarbeiten“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt vergan­gene Woche am Rande der Eröffnung des 127. Deutschen Ärztetags in Essen.

Es werde Leistungskomplexe geben, die mit Qualitätskriterien hinterlegt würden. Dabei solle auch die Weiter­bil­dung mitgedacht werden. Daher werde man die Versorgung in Stufen und Leveln einteilen, für Fachkliniken werde man ein zusätzliches Level einziehen. „Somit haben wir eine gute Reform, wo jeder weiß, wo die Be­handlung stattfinden kann“, sagte er.

Anders als heute sollen die Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen – also drei Level – eingeordnet werden, von der wohn­ortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalver­sorgern wie Uni­versitätskliniken.

Am Zeitplan, bis zum Sommer Eckpunkte zwischen Bund und Ländern zu konsentieren, hält des Ministerium fest, wie ein Sprecher sagte. Die Reform braucht eine Zustimmung der Länder, da diese für die Krankenhaus­planung und auch für Investitionen in den Häusern zuständig sind. Die Länder fürchten ein Kliniksterben und haben Bedenken, die Reform führe für Menschen im ländlichen Raum zu längeren Fahrtwegen.

Kritik kam heute von Ärzten und Krankenhäusern. Aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) werden die aktuellen Vorschläge aus dem Bundesgesundheitsministerium den kalten Strukturwandel mit zahlreichen Insolvenzen und Krankenhausschließungen nicht verhindern.

„Neben einer Reihe fachlicher Unstimmigkeiten fehlt bei dem Konzept des Bundes eine Antwort auf die ga­loppierende Inflation und die Defizitentwicklung der Krankenhäuser“, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.

Obwohl Karl Lauterbach immer wieder öffentlich betone, in welcher Kostenfalle die Krankenhäuser säßen und deshalb viele Kliniken von der Schließung bedroht seien, gebe es „überhaupt keinen Vorschlag zur Prob­lemlösung im Rahmen der bevorstehenden Bund-Länder-Gespräche“, sagte er.

Aus seiner Sicht beschreibt das Eckpunktepapier beim Thema Finanzierungsreform „lediglich einen mehrjähri­gen Umverteilungsmechanismus ohne aber den dringend erforderlichen Inflationsausgleich auf die Tagesord­nung zu setzen“.

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wiederholt angekündigte Finanzierungsreform bleibt für die DKG „weiterhin diffus“. Aus dem Konzept gehe nicht hervor, wie die angekündigte Vorhaltefinanzierung funktionieren solle und auf was sich die Krankenhäuser tatsächlich einstellen könnten, hieß es.

Aus Sicht der DKG sollte die Finanzierungsreform in mehreren Stufen abgearbeitet werden. Notwendig seien in einem ersten Schritt ein voller Inflationsausgleich und eine schnelle Regelungen zur dauerhaften Ausfinan­zie­rung der Tariflohnsteigerungen.

In einem zweiten Schritt sollten die existierenden Elemente der Vorhaltefinanzierung –Sicherstellungszu­schläge, Zentrumszuschläge und Notfallzuschläge – aufgestockt und ausgeweitet werden. Parallel dazu sei dann Gelegenheit, neue Formen der Vorhaltefinanzierung sorgfältig zu entwickeln, sagte Gaß.

Auch hinsichtlich eines Strukturfonds wünscht sich die DKG Klarheit. Im Eckpunktepapier schreibt das BMG, dass zur ergänzenden Finanzierung von strukturverbessernden Maßnahmen, die sich aus der Umsetzung der Krankenhausreform ergäben, eine Verlängerung und Ergänzung des Krankenhausstrukturfonds angestrebt werde. Weitere Details finden sich dazu nicht.

Die Notwendigkeit von Investitionen in strukturelle Maßnahmen sei erkannt worden, aber die Aussagen zum Strukturfonds blieben „absolut vage“, monierte die DKG. Es brauche ein eigenes Investitionsprogramm für den Transformationsprozess.

„Die von uns gemeinsam mit dem Unternehmen vebeto aktuell simulierten Auswirkungen des vom BMG jetzt in die Diskussion eingebrachten Basismodells führen wegen der Patientenverschiebung zu Kapazitätsverlage­rungen, Fusionen und Neubauten mit einem erheblichen Investitionsbedarf“, sagte Gaß.

Im Minimum gehe er davon aus, dass 24 Milliarden Euro benötigt werden, im Maximum seien es rund 50 Milliarden Euro. Dieses Investitionsvolumen enthalte keine Finanzierungsmittel zur Beseitigung des Investi­tionsstaus oder zur Verbesserung der Klimaneutralität. Daneben entstehen weitere Kosten, wenn bestimmte Krankenhäuser nach Durchführung der Reform nicht mehr wirtschaftlich tragfähig seien und schließen müssten. © may/cmk/dpa/aerzteblatt.de

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