Medizin
COVID-19: Herztransplantation von infizierten Spendern führt zu höherer Sterberate
Dienstag, 23. Mai 2023
New York – US-Kliniken haben in der Pandemie auch Patienten, die vor ihrem Tod an COVID-19 erkrankt waren, als Organspender akzeptiert. Eine Analyse der bisherigen Erfahrungen im Journal of the American College of Cardiology (2023. DOI: 10.1016/j.jacc.2023.04.022) zeigt, dass dies bei Herztransplantationen mit einer erhöhten Sterberate verbunden war.
Transplantationsmediziner stehen häufig vor der schweren Entscheidung, ob sie die Organe von Menschen verwenden sollten, die vor dem Tod an einer Infektion litten. Das Dilemma gilt nicht erst seit der Pandemie.
Etwa 7 % aller Spender von Herztransplantaten sind mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) infiziert, bei etwa 10 % liegt eine Blutstrominfektion vor. HCV-positive Spender werden akzeptiert, weil das Virus nicht das Herz befällt und eine Infektion der Leber nach der Operation in der Regel gut behandelt werden kann.
Bei COVID-19 ist die Situation anders. Zwar bleibt die Infektion mit SARS-CoV-2 in der Regel auf die Atemwege beschränkt. Eine Myokarditis gehört aber zu den bekannten Komplikationen von COVID-19, und zumindest in Einzelfällen wurden mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) Virusgene im Herz von Verstorbenen nachgewiesen. Dennoch schienen Herztransplantationen von SARS-CoV-2 infizierten Spendern zunächst sicher zu sein.
Clancy Mullan von der Yale School of Medicine in New Haven konnte in einer früheren Analyse, die aber nur auf 37 Fällen beruhte, keine Nachteile entdecken (JACC Heart Failure, 2022; DOI: 10.1016/j.jchf.2022.08.006).
Shivank Madan vom Albert Einstein College of Medicine in New York und Mitarbeiter kommen in einer wesentlich umfangreicheren Analyse des „United Network for Organ Sharing“ (UNOS) jetzt zu einer anderen Einschätzung.
Im Zeitraum von Mai 2020 bis Juni 2022 waren in den USA 27.862 Organspender auf SARS-CoV-2 untersucht worden. Bei 1.445 fiel der Test positiv aus, bei 2/3 war dies zum Zeitpunkt der Organentnahme der Fall.
190 Herzen von aktiv infizierten Spendern (aCOV) wurden trotzdem transplantiert. Hinzu kamen noch einmal 119 Herztransplantationen, bei denen der Spender kurz vor dem Tod wieder einen negativen PCR-Test hatte (rrCOV). Die Analyse von Madan beruht auf 150 Herztransplantationen von aCOV-Spendern und 89 Herztransplantationen von rrCOV-Spendern.
Die Sterberate betrug bei den Empfängern von aCOV-Spendern 13,8 % nach 6 Monaten und 23,2 % nach einem Jahr. Bei der Verwendung von Organen nicht infizierter Spender lag die Sterberate bei 7 % beziehungsweise 9,2 %. Damit waren die Überlebenschancen für die Empfänger von akut infizierten Spendern deutlich schlechter.
Madan ermittelt eine Hazard Ratio für die Sterberate nach 6 Monaten von 1,74, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,02 bis 2,96 signifikant war. Nach 12 Monaten war die Hazard Ratio auf 1,98 (1,22-3,22) angestiegen.
Dieser Nachteil bestand, obwohl die infizierten Organspender etwas jünger (30 versus 32 Jahre) und häufiger männlich waren (80,3 % versus 72,1 %).
Die adjustierten Hazard Ratios, die diese und andere Unterschiede ausblenden, fielen mit 1,81 (1,07-3,11) nach 6 Monaten und 2,10 (1,29-3,42) deshalb noch etwas ungünstiger aus. Das erhöhte Risiko bestätigte sich auch in einer Propensityanalyse, die Empfänger mit gleichen Eigenschaften gegenüberstellte.
Für die Empfänger von Organen, deren letzter PCR-Test vor dem Tod negativ ausgefallen war, konnte Madan übrigens keine Nachteile nachweisen, so dass eine überstandene aktive Infektion keine Kontraindikation darstellt.
Es dürften jedoch auch weiter Organe von mit SARS-CoV-2 infizierten Spendern verwendet werden: Bei einem Patienten, der ohne Herztransplantation nur noch eine kurze Lebenserwartung hat, dürfte die Verwendung des Organs eines infizierten Spenders immer noch die bessere Wahl sein. Dies sieht auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation so, die immer zu einer Einzelfallentscheidung rät.
Die US-Transplantationsmediziner verwendeten übrigens bei 7 der 150 aCOV-Spender auch die Lungen. Dabei verließen sie sich darauf, dass die PCR-Tests in den unteren Atemwegen negativ ausgefallen waren. Madan macht keine Angaben zu den Überlebensraten. © rme/aerzteblatt.de

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