Politik
Missbrauchsbeauftragte fordert mehr Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt im Internet
Dienstag, 23. Mai 2023
Berlin – Die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch sind im vergangenen Jahr gegenüber 2021 auf dem gleichen Niveau geblieben. Erfasst wurden laut der heute veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik 15.520 Fälle. 2021 waren es 15.507 Fälle gewesen.
„Wenn in Deutschland noch immer jeden Tag 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt werden, können wir mit stagnierenden Fallzahlen nicht zufrieden sein. Sie bedeuten ein gleichbleibend hohes Leid für wehrlose kindliche Opfer“, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bei der Vorstellung der Statistik.
Er betonte, die Dunkelziffer sei „um ein Vielfaches größer“. Laut Münch fehlt den Ermittlungsbehörden ein entscheidendes Instrument – die sogenannte Mindestspeicherung von IP-Adressen. „Häufig ist die IP-Adresse unser einziger Ermittlungsansatz, der überhaupt zum Täter führen kann. Kommen wir über die IP-Adresse nicht weiter, müssen Verfahren eingestellt werden – mit dem Risiko, dass noch andauernde Missbrauchstaten nicht unterbunden werden können“, so Münch.
Die neue Statistik zeigt auch, dass Missbrauchsdarstellungen auf Schülerhandys immer häufiger werden: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Missbrauchsdarstellungen und jugendpornografische Inhalte besaßen, herstellten, erwarben oder über die sozialen Medien weiterverbreiteten, habe sich in Deutschland seit 2018 mehr als verzwölffacht – von damals 1.373 Tatverdächtigen unter 18 Jahren auf 17.549 Tatverdächtige in 2022, davon 5.553 Kinder unter 14 Jahren und 11.996 Jugendliche über 14 Jahren.
Laut der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, sind Minderjährige im Umgang mit Gewaltphänomenen im Netz überfordert und agierten oft unreflektiert. „Hier braucht es (medien-)pädagogische Ansätze: Kinder und Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, das Material klar als sexuelle Gewaltdarstellungen einzuordnen und ihr eigenes Handeln und das ihrer Peer Group zu hinterfragen“, sagte Claus.
Ziel müsse sein, dass eindeutig ausbeuterische Taten zu Lasten von Kindern oder Jugendlichen weiterhin mit hohen Strafen geahndet würden, gleichzeitig aber Fälle mit geringem Unrechtsgehalt frühzeitig eingestellt werden könnten.
Medienkompetenz allein darf laut Claus aber nicht die einzige Antwort auf Gewaltphänomene im Netz sein. Wichtig sei zudem, dass Anbieter verpflichtet würden, die Risiken ihrer Plattformen und der digitalen Angebote für minderjährige Nutzer fortlaufend zu identifizieren und dafür zu sorgen, sie altersangemessen vor Gewaltdarstellungen oder potenzieller Täteransprache zu schützen.
„Wir müssen uns politisch wie gesellschaftlich dringend darauf verständigen, wie umfassend wir den Kinderschutz im Netz ausgestalten wollen, wo rote Linien verlaufen und wie wir den Kinderschutz mit den Rechten und Freiheiten im Internet in Einklang bringen“, so Claus. © hil/aerzteblatt.de

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