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Politik

Sprachmittlung im Gesundheitswesen von Experten befürwortet

Donnerstag, 25. Mai 2023

Mobile Impfversorgung von Flüchtlingen in Berlin. Ärztin Silvia Kraatz befragt einen Mann aus Afghanistan vor seiner Impfung mit Hilfe eines Onlinedolmetschers. /picture-alliance, Thilo Rückeis, TSP

Berlin – Fachleute befürworten die Bereitstellung einer Sprachmittlung im Gesundheitswesen. Wer sich als Übersetzer eignet und wer die Kosten dafür tragen soll, darüber sind sich die Sachverständigen bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses auf einen Antrag der Linksfraktion uneins.

Sprachbarrieren behinderten eine effiziente Versorgung, sorgten für Reibungsverluste und benachteiligten Personen mit geringen Deutschkenntnissen, erklärte Bernd Meyer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Mit Blick auf die Schweiz geht er von etwa 800.000 bis zu eine Million Sprachmittlungseinsätzen für das Gesundheitswesen pro Jahr aus, wenn das System der Sprachmittlung gut funktioniere. Bis das System etabliert sei, rechnet er jedoch mit einer weitaus geringeren Nachfrage.

Das Angebot müsse für eine Implementierung beworben werden und Fachkräfte müssten im Umgang mit Sprachmittlung geschult werden. Zudem sei ein wichtiger Schritt, eine geeignete Vermittlungsplattform für zertifizierte Sprachmittlung zu implementieren.

Dafür braucht es Meyer zufolge auch ein Zertifizierungssystem. Die Kosten für einen Einsatz schätzt er mit Blick auf die Schweiz auf 60 Euro, was 60 Millionen Euro pro Jahr entsprechen würde.

Laut Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) würden 60 Euro einen Dolmetschereinsatz nicht decken. Es brauche außerdem ausreichende lange Qualifizierungsstrukturen, die alle Kompetenzen abdecke.

Dazu gehöre neben der Sprach- und Fachkompetenz auch die Transferkompetenz. Unter bestimmten Vorraus­setzungen könne auch über Onlinevideo- oder Telefonverbindungen gedolmetscht werden, dies würde das Dolmetschen vor Ort jedoch nicht ersetzen können.

Die gemeinnützige Organisation Triaphon sieht das Telefondolmetschen als Chance in Notfallsituationen eine Sprachmittlung bereit zu stellen. Dafür sollten gegebenenfalls – insbesondere bei seltenen Sprachen – auch nicht zertifizierte Übersetzende eingesetzt werden. Kompliziertere Sachverhalte sollte nach Möglichkeit jedoch zertifizierten Dolmetschenden überlassen werden, so Triaphon.

Apps als Übersetzungshilfe könnten laut Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, auch einen niedrigschwelligen Zugang gewährleisten, gingen jedoch nicht so in die Tiefe wie eine Videoübersetzung. Auch Künstliche Intelligenz spiele eine Rolle. Allerdings sei nur so gut, wie die Daten, mit denen sie gefüttert werde.

Eine Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe), ging in der Anhörung auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Migrationsgeschichte ein. Auch diese Patienten müssten von einer professionellen Sprachmittlung profitieren können.

Kostenträger unklar

Wer die Kosten tragen soll bleibt unklar. Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag die Sprachmittlung in die Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) sowie für den Bereich der Rehabilitation aufzunehmen.

Laut Koalitionsvertrag soll die Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des Sozialgesetzbuch V werden.

Aktuell obliegt die Kostenübernahme für die Sprachmittlung den Patienten selbst. Bei stationären Sprach­mitt­­lungseinsätzen zahlten jedoch in der Regel die Krankenhäuser die Kosten, so die Deutsche Krankenhaus­gesellschaft (DKG).

Sowohl der GKV-Spitzenverband als auch der Verband privater Krankenversicherung (PKV) sehen die Sprachmittlung als Gesamtgesellschaftliche, politische Leistung und als „versicherungsfremd“. © mim/aerzteblatt.de

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