NewsMedizinNeue PASC-Falldefinition: Jeder zehnte Patient leidet nach Omikron-Infektion unter Long COVID
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

Neue PASC-Falldefinition: Jeder zehnte Patient leidet nach Omikron-Infektion unter Long COVID

Freitag, 26. Mai 2023

/picture alliance / CHROMORANGE, Christian Ohde

Boston – Das milliardenschwere RECOVER-Projekt der US-National Institutes of Health hat eine Falldefinition für die postakuten Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion (PASC) vorgestellt, besser bekannt als Long COVID.

An den Langzeitfolgen der Erkrankung leiden dem Bericht im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2023; DOI: 10.1001/jama.2023.8823) zufolge 10 % aller Erwachsenen, die sich mit der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 infiziert haben. Nach Infektionen mit früheren Varianten sowie bei ungeimpften Personen und nach einer Zweitinfektion ist die Rate höher.

Die RECOVER-Initiative („Researching COVID to Enhance Recovery“), die von der Regierung mit einem Budget von 1,15 Milliarden US-Dollar ausgestattet wurde, soll Strategien entwickeln, um Menschen vor den „post­acute sequelae of SARS-CoV-2 infection“ (PASC) zu schützen und mögliche Behandlungen zu testen. In einem ersten Schritt wurde ein Krankheitsscore entwickelt.

Dazu wurden seit Oktober 2021 an 85 Zentren 8.646 Patienten mit Nachweis einer früheren COVID-19-Er­krankung und 1.118 nicht infizierte Personen rekrutiert. Den Kern der Infizierten-Gruppe bilden 6.398 Perso­nen, bei denen die Infektion bei der ersten Befragung weniger als 30 Tage zurücklag. Die meisten von ihnen hatten sich mit der Omikron-Variante infiziert.

Bei 2.248 Patienten lag die Erkrankung schon länger zurück. Da hier eine verzögerte Erholung die Bereit­schaft zur Teilnahme an der Studie erhöht haben dürfte, liefert die Kohorte mit den akuten Infektionen vermutlich am ehesten repräsentative Daten.

Zunächst wurde ein PASC-Score entwickelt. Dazu wurden die Beschwerden von Infizierten und nicht Infizier­ten verglichen. Wie das Team um Andrea Foulkes vom Massachusetts General Hospital in Boston berichtet, waren 6 Monate nach der Infektion insgesamt 37 Symptome zu mehr als 50 % (adjustierte Odds Ratio aOR 1,5) häufiger als in der Kontrollgruppe.

Am häufigsten waren eine „Post-Exertional Malaise“ (PEM), also ein vermehrtes Unwohlsein nach körperlichen Anstrengungen. Darüber berichteten 28 % der Infizierten und 7 % in der Kontrollgruppe (aOR: 5,2). Es folgten eine allgemeine Abgeschlagenheit „Fatigue“ (38 % versus 17 %; aOR, 2,9), Schwindelgefühle (23 % versus 7 %; aOR 3,4), „Brain Fog“ (20 % versus 4 %; aOR, 4,5) und gastrointestinale Symptome (25 % versus 10 %; aOR 2,7).

Neben diesen flossen noch Riech-/Geschmacksstörungen, chronischer Husten, Durst, Palpitationen, Brust­schmerzen, Sexstörungen, Bewegungsstörungen und Haarverlust in den PASC-Score ein, wobei die Gewich­tung der einzelnen Symptome unterschiedlich ist.

Ein PASC liegt nach der neuen Falldefinition bei einem Score von mindestens 12 Punkten vor. Dieses Kriterium erfüllten 10 % der akut mit Omikron Infizierten, aber auch 4,6 % der Nicht-Infizierten. Der Score kann damit nicht genau zwischen PASC und anderen chronischen Erkrankungen wie etwa einer Depression unterscheiden, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen.

Es ist aber auch möglich, dass es nach anderen Infektionen ebenfalls zu Symptomen einer verzögerten Erho­lung kommt. Viele der im PASC-Score enthaltenen Symptome ähneln dem myalgischen Enzephalomyelitis/­chro­nischen Müdigkeitssyndrom, das ebenfalls nach Infektionen auftritt.

Die meisten Patienten waren während der Omikron-Welle bereits gegen COVID-19 geimpft. In dieser Gruppe erkrankten 9,7 % an PASC. Bei den wenigen ungeimpften Personen war die Rate mit 17 % deutlich höher. Patienten, die mehr als eine Infektion erlebt haben, waren nach einer Omikron-Infektion zu 20 % von PASC betroffen.

Patienten, die sich mit den früheren Varianten infiziert hatten, litten ebenfalls häufiger unter PASC. In der postakuten Kohorte – bei der die Zahlen wegen des selektiven Interesses die Prävalenz vermutlich zu hoch angeben sind – litten 35 % unter PASC, wenn sie sich vor Omikron infiziert hatten gegenüber 17 % in der Omikron-Welle.

Die Forscher beschreiben 4 verschiedene PASC-Subgruppen. Im Cluster 1 waren Riech-/Geschmacksstörungen das Leitsymptom. Im Cluster 2 litten die Betroffenen vor allem unter PEM und Fatigue. Im Cluster 3 standen „Brain Fog“, PEM und Fatigue im Vordergrund, im Cluster 4 kam es neben Fatigue, PEM, Schwindelgefühlen und „Brain Fog“ auch häufiger zu gastrointestinalen Symptomen und Palpitationen.

Die Falldefinition ist nur der erste Teil der RECOVER-Studie. Der PASC-Score dient als Grundlage für geplante klinische Studien, die noch in diesem Jahr beginnen sollen. © rme/aerzteblatt.de

Themen:

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
LNS
VG WortLNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER