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Politik

Krankenhaus: Einigung bei Leistungs­gruppen und Vorhalte­finanzierung, Dissens bei Leveln

Donnerstag, 1. Juni 2023

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Manfred Lucha (rechts, Grüne), Gesundheitsminister von Baden-Württemberg und Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz der Länder /picture alliance, Felix Müschen

Berlin – Die Grundstruktur der geplanten Krankenhausreform steht. Das betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute nach Beratungen mit den Bundesländern. „Es wird Vorhaltepauschalen und Leis­tungsgruppen geben“, kündigte Lauterbach an. Es gebe dafür einen gemeinsamen Konsens zwischen Bund und Ländern. Bezüglich der geplanten Versorgungsstufen ist hingegen keine Einigung abzusehen.

Geplant sei – nach einer mehrjährigen Übergangsphase – 60 Prozent der Betriebskostenfinanzierung über Vorhal­te­pauschalen und 40 Prozent über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) abzüglich der Pflegeper­sonalkos­ten zu berechnen, erklärte Lauterbach. Das Pflegebudget soll künftig in der Vorhaltefinanzierung enthalten sein.

Die Vorhaltefinanzierung soll durch eine Absenkung der bisherigen aDRG (DRG abzüglich Pflegepersonal­kos­ten) entstehen. Einem aktuellen Eckpunktepapier aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zufolge soll eine Differenzierung des Vorhalteanteils nach Schweregraden und Leistungsmengen im weiteren Verfahren geprüft werden, wobei eine starre Verknüpfung an Fallzahlen ausgeschlossen wird.

Für die Höhe des Vorhaltebudgets sei die bedarfsbezogene Zuweisung der Leistungsgruppen an die Kranken­häuser durch das Land maßgeblich. Das BMG-Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.

Zudem soll die Vorhaltefinanzierung unabhängig von den Fallzahlen erfolgen. Zwar soll das Vorhaltebudget eines Krankenhauses zunächst für eine budgetneutrale Übergangsphase auf Basis der Fallzahlen ermittelt werden. Sobald die Leistungsgruppen aber zugewiesen werden, soll das Vorhaltebudget unabhängig von der Zahl der erbrachten Fälle ermittelt werden.

Die Ärzteschaft hatte im Vorfeld die geplante Vorhaltefinanzierung begrüßt, allerdings immer wieder ange­mahnt, dass dadurch keine neuen bürokratischen Maßnahmen für die Ärztinnen und Ärzte erfolgen dürften. Dieser Gedanke scheint auch im BMG angekommen zu sein. So heißt es in dem Papier, dass Änderungen be­züglich der Vorhaltevergütung im Zusammenhang mit Maßnahmen der Entbürokratisierung zu prüfen seien. Auch Lauterbach sprach heute davon im Zuge der Reform entbürokratisieren zu wollen.

Leistungsgruppen als zentraler Bestandteil der Reform

Die Leistungsgruppen sollen sich nach den bereits erarbeiteten Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen richten. Modellierungen der Abschätzung von den Unternehmen Oberender und Bindoc hätten gezeigt, dass 98 bis 99 Prozent der bereits erbrachten Fälle im stationären Bereich den Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) zugeordnet werden können, so Lauterbach. „Wir sehen in den vorläufigen Ergebnissen teil­weise Qualitätsdefizite aber auch eine gute Struktur der Versorgung“, so Lauterbach.

Über alle Bundesländer hinweg betrachtet, konnten 99,16 Prozent aller stationären Fälle den Leistungs­gruppen zugeordnet werden. Das geht aus einer Übersicht hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Für die Auswertung wurde das Datenjahr 2021 verwendet.

Insbesondere der Gesundheitsminister aus Nordrhein-Westfalen (NRW), Karl-Josef Laumann (CDU) zeigte sich über diese Ergebnisse erfreut. „Das NRW-System wird funktionieren“, so Laumann.

Mit den Leistungsgruppen sollen Qualitätskriterien klar definiert werden, die Kliniken erfüllen müssen, um entsprechende Leistungen anbieten und abrechnen zu können. Mit den Gruppen soll sichergestellt werden, dass bundesweit die gleiche Versorgung mit der gleichen Qualität angeboten wird.

In der geplanten Übergangsphase soll transparent gemacht werden, welche Kliniken bestimmte Leistungs­gruppen erfüllen können. In dieser Phase dürfen sie diese dennoch anbieten, auch wenn sie die Qualitäts­kri­terien nicht erfüllen sollten. Nach der Übergangsphase werden die betroffenen Leistungen aber nicht mehr bezahlt, erklärte Lauterbach.

Streitpunkt Levels

Bei einem Punkt hingegen besteht nach wie vor keine Einigkeit: Den geplanten Versorgungsstufen. „Bei den Leveln werden wir keine Freunde“, sagte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grü­ne) in Richtung Lauterbach. Dieser ergänzte: „Da kommen wir nicht überein.“ Dennoch sprechen Bund und Länder heute von einer „Sternstunde“ im Zuge der Krankenhausreform.

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sprach von einem „großen Entgegen­kom­men des Bundesministers“ und dass viele Punkte, die den Ländern wichtig sind, in den Prozess aufgenommen worden sind. Lauterbach selbst sprach von einer sehr erfolgreichen Sitzung. „Wir sind ein stückweit weiterge­kommen.“

Bezüglich der Levels wird der Bund allerdings eine Transparenzübersicht gestalten, die als Deutschlandkarte Patienten zeigen soll, welche Kliniken welche Leistungsgruppen anbieten können, kündigte Lauterbach an. „Wir werden als Bund Qualitätsunterscheide von Klinik zu Klinik transparent machen“, so der Minister. Diese Übersicht soll die Kliniken auch in die drei geplanten Levels einstufen, auch wenn die Bundesländer nach der Reform nicht von diesen sprechen oder die Stufen anders benennen sollten.

Neu ist auch, dass es erstmals eine niedergeschriebene konkrete Formulierung hinsichtlich der Ausnahmere­ge­lungen bei den Leistungsgruppen gibt.

„Neben der Zuordnung von Leistungsgruppen verbleiben Möglich­kei­ten für Länder, in der Fläche eine bedarfs­notwendige stationäre Versorgung sicherzustellen. So werden bundesweit einheitliche Kriterien entwickelt, nach denen Planungsbehörden Optionen erhalten, bedarfsnotwendige Leistungen auch Kliniken zuzuweisen, die nicht alle Vorgaben der Leistungsgruppe erfüllen“, heißt es in dem aktuellen BMG-Papier. Diese Zuweisun­gen als Ausnahmen sollen grundsätzlich zeitlich befristet und deren Ergebnisse evaluiert werden.

Schlotzhauer erklärte dazu, dass in der Übergangsphase Kliniken auch ertüchtigt werden sollen Qualitätskri­te­rien einzelner Leistungsgruppen zu erreichen, um diese anschließend ordnungsgemäß anbieten und abrech­nen zu können.

Rechtsverordnung zur Ausgestaltung der Leistungsgruppen

Für die Definition und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen werden die medizinischen Fachgesellschaf­ten hinzugezogen. Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat eine Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der NRW-Leistungsgruppen vorgenommen.

Die AWMF soll dem Eckpunktepapier zufolge auch künftig die Leistungsgruppen weiterentwickeln und diese Ergebnisse einem Gremium aus Vertretern der Länder sowie dem BMG vorlegen. Dieses Gremium soll gemein­sam eine Rechtsverordnung zur Definition der Leistungsgruppen erarbeiten. Diese Verordnung soll mit Zu­stimmung des Bundesrats vom Gesetzgeber erlassen werden.

Damit soll die Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser künftig anhand der angebotenen Leistungs­gruppen geknüpft werden, hierfür werden die Level höchstwahrscheinlich keine Rolle spielen. Details werden im geplanten Referentenentwurf stehen, der über die Sommerpause hinweg erstellt werden soll, so Lauter­bach.

Für die ergänzende Finanzierung von strukturverbessernden Maßnahmen, die sich unmittelbar aus der Um­set­­zung der Krankenhausreform ergeben, soll zudem eine Verlängerung und Ergänzung des Krankenhaus­strukturfonds angestrebt werden, heißt es im Eckpunktepapier. Dieses Vorhaben soll mit Inkrafttreten der Reformstufen angepeilt und aus Mitteln von Bund und Ländern gespeist werden.

Bund und Länder wollen sich erneut am 29. Juni zur nächsten Beratungsrunde treffen. Dort soll vor allem das Thema Vorhaltepauschalen diskutiert werden, so Lauterbach heute.

Weiter Forderungen aus Bayern

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), der sich zuletzt immer wieder sehr kritisch be­züglich des Reformvorhabens ausgesprochen hatte, klang heute etwas besänftigt. „Die heutigen Gespräche haben Fortschritte gebracht. Der Bund hat sich auf die Länder zubewegt. Das begrüße ich natürlich – und Bayern wird weiter konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten, wie wir das schon von Anfang an getan haben.“

Der Bund sollte allerdings Geld für die Sicherung der Kliniken während der Transformation in die Hand neh­men und den Kliniken und den Ländern mehr Zeit für die Konvergenzphase geben, forderte Holetschek. Kri­tisch sieht er zudem die aus seiner Sicht zu vage formulierte Länderbeteiligung bei den geplanten Leistungs­gruppen.

„In Wirklichkeit tragen die Länder die Verantwortung für die Umsetzung der Reform und die damit verbunde­nen Konsequenzen für die Versorgung der Bevölkerung, bei der Festlegung der maßgeblichen Parameter der Reform werden jedoch ihre Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten stark beschnitten. Das kann so nicht funktionieren!“

Auch die Formulierung ‚bundeseinheitlichen Kriterien‘ bei den Ausnahmemöglichekiten bei den Leistungs­gruppen sieht Holetschek kritisch. „Entscheidender Maßstab muss aber doch sein, ob das Land ohne die Einbeziehung der betroffenen Klinik eine Gefährdung der Versorgung sieht oder nicht.“

Schrittweise Umsetzung

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte, dass sich die Krankenhausreform am Vorbild NRW orientieren wolle. Es sei pragmatisch, die Reform durch die Diskussion um Einzelheiten der vom Bund zusätzlich gewünschten Level nicht weiter zu verzögern, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Auch der Streit um Ausnahmemöglich­keiten für die Länder führe nicht weiter.

„Eine Reform solchen Ausmaßes kann ohnehin nur schrittweise umgesetzt werden. Wichtig ist, dass es über­haupt erstmals eine bundesweit harmonisierte Planungssystematik gibt, die Transparenz bei verlässlicher Strukturqualität ermöglicht“, sagte Reinhardt. Er betonte erneut, dass auch die Landesärztekammern und die BÄK verstärkt in den Reformprozess miteinbezogen werden sollte.

„So wie es kein gutes Krankenhaus ohne die richtigen Ärzte geben kann, kann es auch keine erfolgreiche Krankenhausreform ohne den sektorenübergreifenden Sachverstand der Ärztekammern geben. Das gilt umso mehr mit Blick auf die neuen sektorenübergreifenden Strukturen wie Level-Ii-Kliniken oder Primärversor­gungszentren“, sagte Reinhardt.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erneuerte ihre Forderung auf ein Vorschaltgesetz zur Finanzie­rung der Krankenhäuser. „Die Ergebnisse lassen befürchten, dass viele bedarfsnotwendige Krankenhäuser die Reform gar nicht mehr erleben werden“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der DKG, Henriette Neumeyer.

„Sie werden schon vorher durch politisch unterlassene Hilfeleistung in die Insolvenz gehen. Inflation und die Nachwirkungen der Coronapandemie setzen den Krankenhäusern weiterhin wirtschaftlich immens zu“, warnte Neumeyer. Deshalb brauche es eine klare Aussage, wie die Investitionsfinanzierung der Kliniken gesichert werde. © cmk/aerzteblatt.de

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