Medizin
Ein Monat Lockdown kostete Herzinfarktpatienten in Spanien zwei Jahre Lebenszeit
Donnerstag, 8. Juni 2023
Galway – Patienten, die während des 1. COVID-19-Lockdowns im Vereinigten Königreich und Spanien einen Herzinfarkt hatten, werden wahrscheinlich 1,5 beziehungsweise 2 Jahre kürzer leben als Herzinfarktpatienten vor der Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommt eine im European Heart Journal – Quality of Care and Clinical Outcomes veröffentlichte Studie (2023; DOI: 10.1093/ehjqcco/qcad025).
„Einschränkungen bei der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen haben unmittelbare aber auch langfristige negative Konsequenzen für die betroffenen Patienten“, erklärt Studienautor William Wijns vom Lambe Institute for Translational Medicine der University of Galway, Galway, Irland. „Wir brauchen Back-up-Pläne, damit die Notfallversorgung auch im Fall von Naturkatastrophen oder Gesundheitskrisen aufrecht erhalten werden kann.“
Studien zeigen, dass während der 1. Pandemiewelle rund 40 % weniger Herzinfarktpatienten ein Krankenhaus aufsuchten – was auch mit einer messbaren Erhöhung von Mortalität und Komplikationsraten einherging.
Vergleich von Herzinfarktpatienten vor und während der Pandemie
Aber wie ist es um die langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Herzinfarktpatienten bestellt? Das Forschungsteam verglich die geschätzte Lebenserwartung von Patienten, die während des 1. Lockdown einen Herzinfarkt erlebten, mit derjenigen von Patienten, die im Jahr vor der Pandemie einen Herzinfarkt erlitten hatten. Der Fokus lag auf ST-Hebungsinfarkten (STEMI). Die Überlebensprognosen berücksichtigten Alter, Hospitalisierungsstatus und Zeit bis zur Behandlung (Revaskularisierung).
So wurden im Vereinigten Königreich zum Beispiel vor der Pandemie schätzungsweise 77 % der STEMI-Patienten in einem Krankenhaus behandelt, während es während des Lockdowns nur 44 % waren. Die entsprechenden Zahlen in Spanien fielen mit 74 % und 57 % ähnlich aus.
Der Preis für die eingeschränkte Behandlung ist noch lange nicht bezahlt
Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass Patienten, die während des 1. Lockdowns im Vereinigten Königreich einen STEMI hatten, im Schnitt 1,55 Jahre Lebenszeit verloren haben – im Vergleich zu prä-pandemischen Herzinfarktpatienten. Der Verlust an Lebenszeit mit perfekter Gesundheit (qualitätsadjustierte Lebensjahre, QALYs) beläuft sich demnach auf 14 Monate. Die entsprechenden Zahlen in Spanien waren 2,03 Jahre Lebenszeitverlust insgesamt und 19 Monate Lebenszeitverlust bei perfekter Gesundheit.
„Die Patienten und auch die Gesellschaften werden den Preis für die eingeschränkte Herzinfarktbehandlung während nur eines Monats Lockdown noch für viele Jahre bezahlen“, prognostiziert Wijns. Er betonte, dass Gesundheitssysteme eine Liste lebensrettender Therapien haben sollten, die immer und ausnahmslos zur Verfügung stünden. Und es müssten resiliente Gesundheitssysteme geschaffen werden, die in der Lage seien, ohne Verzögerung auf Notfallversorgung umzustellen.“ © nec/aerzteblatt.de

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