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Medizinische Fakultäten plädieren für zügige, aber umsetzbare Reform des Medizinstudiums

Freitag, 9. Juni 2023

/Seventyfour, stock.adobe.com

Jena – Die medizinischen Fakultäten mahnten beim 84. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (oMFT) eine zügige Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) an. Diese müsse jedoch von den Fakultäten auch praktisch umsetzbar sein. Die Reform des Medizinstudiums sowie die Lehre an den medizinischen Fakultäten standen am heutigen zweiten Tag des Treffens der Vertreterinnen und Vertreter der medizinischen Fakultäten – nahezu traditionell – im Mittelpunkt der Diskussion.

„Der Medizinische Fakultätentag (MFT) begrüßt, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor einigen Wochen einen neuen Entwurf für die geplante Reform der ÄApprO an die Länder geschickt hat und dass damit der 2017 begonnene Reformprozess ‚Masterplan Medizinstudium 2020‘ wieder in Bewegung kommt“, sagte MFT-Präsident Matthias Frosch. Man müsse aber aufpassen, dass aus dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ nicht der „Masterplan Medizinstudium 2030 plus x“ werde.

Diese Sorge ist nicht unbegründet: Denn selbst wenn der Novellierungsprozess der ärztlichen Ausbildung ab jetzt planmäßig und zügig verläuft, könnte die neue Approbationsordnung erst zum 1. Oktober 2027 in Kraft treten. 2033 würde es die ersten Absolventinnen und Absolventen nach der neuen ÄApprO geben ­– sofern sich Bund und Länder über die Finanzierung einigen können. Dies ist immer noch offen.

Zur Erinnerung: Einen ersten Vorschlag für eine Reform des Medizinstudiums hatte die Bundesregierung bereits im November 2020 vorgelegt, einen präzisierten Referentenentwurf im Spätsommer 2021. Die Finalisierung verzögerte sich dann jedoch aufgrund der Pandemie sowie vor allem aufgrund ungeklärter Fi­nanzierungsfragen, obwohl sich Bund und Länder inhaltlich bereits 2017 mit dem „Masterplan Medizinstu­dium 2020“ auf die Grundzüge geeinigt hatten.

„Wichtig ist die Umsetzbarkeit eines neuen Curriculums für die medizinischen Fakultäten“, mahnte Frosch beim oMFT in Jena. Die Implementierung werde nicht ohne zusätzliche Ressourcen und ausreichende Handlungsspielräume zu leisten sein. Zudem müsse die neue ÄApprO den Fakultäten auch Flexibilität für inhaltliche Weiterentwicklungen des Medizinstudiums entsprechend des medizinischen Fortschritts lassen, betonte heute Martina Kadmon, Vizepräsidentin des MFT. „Es ist die Aufgabe von politischen Entscheidungsträgern, dass die Fakultäten diese später möglicherweise notwendigen Anpassungen auch treffen können“.

Solche Anpassungen seien Herausforderungen, aber auch ein Qualitätsmerkmal für die medizinischen Fakultäten in Deutschland, erklärte Kadmon. „Dafür steht der MFT mit der Weiterentwicklung und Pflege des Nationalen Kompetenzbasierten Lernkatalogs Medizin (NKLM) in der Verantwortung ­ – so wie das BMG in der Verantwortung steht für die Ärztliche und Zahnärztliche Approbationsordnung“, sagte Frosch.

Finanzierung als zentrale Herausforderung

Ministerialdirigent Markus Algermissen, Leiter der Unterabteilung Medizin- und Berufsrecht im Bundesministerium für Gesundheit, räumte heute ein, dass die Finanzierung der Reform derzeit „der Hauptknackpunkt“ bei den Verhandlungen ist. „Das Medizinstudium ist das teuerste Studium in Deutschland“, sagte er. Das BMG habe in seinem neuen Entwurf deshalb Einsparpotenziale diagnostiziert und eine Kostenreduktion vorgenommen. Dennoch gebe es unterschiedliche Kostenschätzungen, so dass man nach der Vorlage des neuen Entwurfs vor einigen Wochen nun mit Spannung auf die Verhandlungen mit den Ländern schaue.

Inhaltlich soll die Reform jedoch nach wie vor auf einen stärkeren Praxisbezug im Medizinstudium gerichtet sein. Die ärztliche Ausbildung soll vor allem künftig kompetenzorientiert ausgerichtet werden. „Wir wollen den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin verbindlich in der Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen verankert haben“, sagte Algermissen. Klinische und theoretische Inhalte sollen den Studierenden zudem vom ersten Semester an miteinander verknüpft vermittelt werden. Die strikte Trennung von Vorklinik und Klinik soll aufgegeben werden.

Um den Hausärztemangel zu begegnen, liege ein weiterer Fokus des neuen Curriculums auf der Stärkung der Allgemeinmedizin be­reits im Medizinstudium, so der Ministerialdirigent. Ferner solle – als Lehre aus der Pandemie – auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) mit seinen bevölkerungsmedizinischen und sozialkompensatorischen Aufgaben gestärkt werden. Weitere Schwerpunkte liegen Algermissen zufolge auf einer Stärkung der Digitalisierung, der Interprofessionalität und der Wissenschaftlichkeit in Studium und Beruf. Das BMG habe aber auch ein Augenmerk auf der Übereinstimmung von NKLM und dem Gegenstandskatalog, wobei auch die Prüfungen weiterentwickelt und möglichst praktisch gestaltet werden sollen.

„Die inhaltliche Diskussion ist weit fortgeschritten“, betonte Algermissen. „Das Thema ist jedoch komplex und eine große Herausforderung im Bund-Länder-Verhältnis.“ Einen genauen Zeitplan für die weiteren Reformschritte wollte der Ministerialdirigent heute nicht nennen. „Was lange währt, wird endlich gut“, meinte er. Jetzt würden weitere Abstimmungen mit Ländern, Verbänden und anderen Bundesministerien folgen, wobei keine langwierigen Anhörungen mehr erfolgen sollten, da schon „viele Steine gemeinsam gedreht worden seien“.

Medizinstudierende wollen sich einbringen

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) begrüßt nach dem jahrelangen Warten den Fort­gang der Reformbemühungen: „Wir freuen uns, dass der Novellierungsprozess der Approbationsord­nung wieder Fahrt aufgenommen hat und auch grundsätzlich in die richtige Richtung geht“, sagte Jason Adelhoefer, bvmd-Vizepräsident für Externes, dem Deutschen Ärzteblatt am Rande des oMFT in Jena. Dennoch gebe es noch immer viele verbesserungsbedürftige Punkte, insbesondere in Bezug auf das PJ und faire Prüfungsformate.

„Trotz unserer Position als einzige legitimierte Repräsentation und Stimme von mehr als 105.000 Medizinstudierenden wurde uns jedoch leider keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben“, bedauerte Adelhoefer. Dies sei insofern kritisch zu sehen, als dass viele der Studierenden unmittelbar von den Änderungen durch die neue ÄApprO betroffen sein würden. „Die Veränderungen werden sich nicht ausschließlich auf die Lehre beschränken, sondern zwangsläufig auch in Bereiche wie private Karriere- und Finanzplanungen übergreifen.“ Die bvmd habe sich deshalb entschieden, proaktiv auf das BMG zuzugehen und eine Kommentierung zum neuen Zwischenentwurf eingereicht.

Ein wesentliches Ziel des „Masterplans Medizinstudium 2020“ ist die explizite Ausrichtung des Studiums auf die ärztlichen Kompetenzen, sowohl mit Blick auf den ersten Tag auf Station als auch auf eine über 40-jährige ärztliche Tätigkeit. Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten (Entrustabe Professional Aktivities, EPAs), die aus dem ärztlichen Alltag kommen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch im Absolventenprofil des NKLM seien sie enthalten, sagte Kadmon.

Wie sie praktisch in der medizinischen Aus- und Weiterbildung in der Schweiz umgesetzt werden, erläuterte heute Jan Breckwoldt vom Institut für Anästhesiologie des Universitätsspitals Zürich. In der Schweiz würden EPAs erfolgreich angenommen und seien mittlerweile eins der drei wesentlichen Elemente des Lernzielkatalogs. Nach Ansicht von Breckwoldt sind sie eine Möglichkeit, die Medizinstudierenden auf komplexe reale Arbeitsumfelder vorzubereiten. Zudem stellten sie ein Kontinuum für die Weiterbildung dar.

Neben dem Medizinstudium generell diskutierte der oMFT heute auch die Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern durch private Hochschulen, deren Anzahl in den letzten Jahren gestiegen ist. Auch in Thüringen soll die Health and Medical University in Erfurt im Sommer die Türen für ein Studium der Humanmedizin mit NC-freiem Zugang öffnen.

„Wir wollen keine Konkurrenz zu den staatlichen Hochschulen“, stellte heute Ilona Renken-Olthoff, Hochschulunternehmerin und Geschäftsführerin fünf privater Ausbildungsstätten, klar. Bezüglich des Medizinstudiums habe man an den privaten Hochschulen auch eine „andere Zielgruppe“: junge Menschen ohne Einserabitur, dafür sehr häufig mit einer medizinischen Ausbildung. „Die Studierenden sind hochmotiviert“, sagte sie. Die meisten bewältigten den Medizinstudiengang, der durch den Wissenschaftsrat staatlich anerkannt sei, in der Regelstudienzeit. Die Kosten beliefen sich allerdings auf 1.500 Euro Monat beziehungsweise auf etwa 95.000 Euro für das gesamte Medizinstudium.

Martin Sternberg, Vorsitzender des Akkreditierungsausschusses im Wissenschaftsrat, bestätigte, dass der Wissenschaftsrat durchaus Interesse an einem diversen und international anschlussfähigen Studiensystem hätte, das die Angebote durch private Träger einschließe. „Die Zulassung der privaten Hochschulen war politischer Wille“, sagte er. „Wir brauchen aber einheitliche Qualitätskriterien.“ Bei der Medizinerausbildung sei zudem wichtig, dass sie in einem universitären Umfeld stattfinde.

Auf die diesbezüglichen Vorteile staatlicher ärztlicher Ausbildung wies auch Bernd Weber, Dekan der Bonner Medizinischen Fakultät, hin. „Die staatlichen Universitäten bieten mit ihrem wissenschaftlichen Umfeld großartige Möglichkeiten der Inspiration auch für Forschungsfragen“, sagte er. Hierbei gebe es einen extrem großen Unterschied zu den privaten Einrichtungen.

Die Debatte heute zeigte: Der MFT steht privaten Trägern – vor allem hinsichtlich der Gestaltung der unabdingbaren Trias von Forschung, Lehre und Krankenversorgung – grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dennoch erkennt er auch mögliche positive Effekte dieser privaten medizinischen Hochschulen sowohl für die Studierenden als auch für die Gesellschaft an. Sie könnten sich allerdings nur entfalten, wenn die hohen Qualitätsstandards, die für ein Medizinstudium an staatlichen Universitäten zu gelten haben, auch von privaten Angeboten umgesetzt werden könnten, betont er.

Neben einer adäquaten Forschungsausstattung sei eine angemessene Anzahl an hauptamtlichen, in wissenschaftsgeleiteten Berufungsverfahren berufenen Professoren erforderlich, die über vertraglich festgelegte Zeiten für Forschung und Lehre verfügen. Zudem müsse eine nachhaltige und transparente Finanzierung solcher Angebote ebenso sichergestellt sein wie eine nationale und internationale Qualitätssicherung gemäß harmonisierter Standards, heißt es beim MFT. © ER/aerzteblatt.de

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