Ausland
ECDC warnt vor steigendem Risiko durch krankheitsübertragende Stechmücken in Europa
Donnerstag, 22. Juni 2023
Solna – Zwei Stechmücken, die potenziell Kranheiten übertragen können, breiten sich laut neuesten Daten des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weiter in Europa aus: die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und auch die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti).
Aedes albopictus breite sich weiter nach Norden und Westen in Europa aus, berichtete Andrea Ammon, Leiterin der ECDC heute bei einer Pressekonferenz. Die Stechmücke ist ein bekannter Überträger von Chikungunya- und Dengue-Viren.
Noch vor zehn Jahren vermehrte sich die Aedes albopictus-Mücke erst in acht Ländern der Europäischen Union beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraums (EU/EWR), wobei 114 Regionen betroffen waren. Jetzt, im Jahr 2023, hat sich die Mücke bereits in 13 Ländern und 337 Regionen verbreitet (siehe Grafik unten).
Auch Aedes aegypti, die als Überträger von Dengue-, Gelbfieber-, Chikungunya-, Zika- und West-Nil-Viren bekannt ist, hat sich seit 2022 neu in Zypern etabliert. Zuvor war die Stechmücke in der EU nur in Madeira verbreitet, wo sie im Jahr 2012 einen Dengue-Ausbruch verursacht hatte.
„Wir können nicht ausschließen, dass sich Aedes aegypti auch in anderen europäischen Ländern ausbreiten wird“, sagte Ammon. Als Beispiele nannte Celine Gossner, Hauptsachverständige für vektorübertragene und neu auftretende Krankheiten bei der ECDC, die Türkei und Griechenland.
Ammon machte unter anderem den Klimawandel verantwortlich für die Ausbreitung krankheitsübertragender Stechmückenarten. Der Erwärmungstrend in Europa, bei dem Hitzewellen und Überschwemmungen häufiger und heftiger werden, während die Sommer länger und wärmer werden, sei aber nur eine Komponente in einem komplexen System. Das Deutsche Ärzteblatt hat darüber berichtet.
Klimakrise und vektorassoziierte Erkrankungen: Infektionen nehmen zu
Mit der heißen Jahreszeit beginnt auch die Zeit der Stechmücken. Im Juli rechnet das Robert Koch-Institut mit den ersten West-Nil-Fieber-Fällen in Ostdeutschland. Doch auch weitere tropische, vektorassoziierte Krankheiten könnten hierzulande aufgrund der Klimakrise bereits dieses Jahr auftreten. Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange. Mit höheren Temperaturen und weiteren klimatischen
In den letzten Jahren habe die ECDC eine geografische Ausbreitung invasiver Stechmückenarten in zuvor nicht betroffenen Gebieten in der EU/EWR beobachtet, sagte Ammon. „Wenn dies so weitergeht, müssen wir mit mehr Fällen und Todesfällen durch Krankheiten wie Dengue, Chikungunya und West-Nil-Fieber rechnen.“ Die Ausbrüche würden länger anhalten und mehr Menschen betreffen – vor allem im Hinblick auf den Klimawandel, vermutete auch Gossner.
Die Gefahr von Ausbrüchen liege dabei nicht nur in der virusverursachten Erkrankung, warnte Ammon. „Auch Blutreserven könnten im Fall von Vektorkrankheiten knapp werden, wenn diese über das Blut übertragbar sind, wie etwa Dengue- oder West-Nil-Viren.“
Immer mehr Infektionen mit West-Nil- und Dengue-Viren
Im Jahr 2022 wurden in der EU/EWR bis Ende Mai 2023 1.133 Fälle von West-Nil-Virus-Infektionen (WNV) beim Menschen und 92 Todesfälle gemeldet, davon 1.112 lokal erworbene Fälle in elf Ländern – die höchste Zahl von Fällen seit der Epidemie im Jahr 2018. Lokal erworbene Fälle wurden vor allem von Italien (723), aber auch Griechenland (286), Rumänien (47), Deutschland (16), Ungarn (14), Kroatien (8), Österreich (6), Frankreich (6), Spanien (4), der Slowakei (1) und Bulgarien (1) gemeldet. Im Bericht des Robert-Koch Instituts wurde bereits über 17 autochthone menschliche WNV-Fälle in Deutschland berichtet.
Im Jahr 2022 wurden auf dem EU-/EWR-Festland 71 Fälle von lokal erworbenem Dengue-Fieber registriert, was der Gesamtzahl der zwischen 2010 und 2021 gemeldeten Fälle entspricht. Örtlich erworbene Dengue-Fälle wurden aus Frankreich (65 Fälle) und Spanien (6 Fälle) gemeldet.
Mücken unter Kontrolle bringen
Die beiden Expertinnen der ECDC empfehlen den Ländern, sich nun auf die Kontrolle der Mückenpopulationen zu konzentrieren, die Überwachung zu verbessern und persönliche Schutzmaßnahmen durchzusetzen.
Eine nachhaltige Methode dafür sei es stehende Wasserquellen, in denen Mücken brüten, zu beseitigen. Zudem könnten umweltfreundliche Larvizide verwendet werden.
Die Bevölkerung müsse für die Mückenbekämpfung sensibilisiert werden und persönliche Schutzmaßnahmen ergreifen. Dazu zählen etwa Moskitonetze (vorzugsweise mit Insektiziden behandelt), Schlafstetten in abgeschirmten oder klimatisierten Räumen, Fenstergitter, lange Kleidung und Mückenschutzmittel.
Mückenschutz nach Rückkehr aus Endemiegebiet fortsetzen
Einen speziellen Hinweis richteten die Expertinnen der ECDC an Reiserückkehrer aus den Tropen und Subtropen. „Reisende sollten nach ihrer Rückkehr die Schutzmaßnahmen noch zwei Wochen fortsetzen – vor allem wenn sie zuvor in einem Endemiegebiet waren“, sagte Gossner. Denn allein die Anwesenheit der Stechmücken in Europa sei nicht ausreichend. Die Mücken in Europa nehmen die Viren für gewöhnlich über das Blut von infizierten Reiserückkehrern in Europa auf.
Davor warnte erst kürzlich auch Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg auf der Pressekonferenz anlässlich des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin: „Die meisten Dengueinfektionen verlaufen asymptomatisch. Die Viruslast im Blut reicht aus, damit sich Mücken daran infizieren können. So könne sich das Virus unbemerkt in neue Regionen ausbreiten.“ © gie/aerzteblatt.de

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