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Politik

Ministerium sichert Kassen mehr Zugriff auf Beratung und Finanzen der UPD-Stiftung zu

Mittwoch, 19. Juli 2023

/Montage DÄ, BMG: picture alliance, Philipp Znidar, GKV-Spitzenverband: Maybaum

Berlin – Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands blockiert derzeit die Neuaufsetzung der Stiftung Unabhängige Patientenberatung (UPD). Ihm gehen die im Gesetz verankerten Mitspracherechte nicht weit genug. Nun kündigt sich für morgen eine Auflösung der Blockadehaltung an. Der Grund: Das Bundesminis­terium für Gesundheit (BMG) hat dem GKV-Spitzenverband weitgehende Zugeständnisse gemacht.

Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hatte dem GKV-Spitzenverband aufgetragen, die Satzung für die UPD-Stiftung zu schreiben und mit dem BMG abzustimmen. Doch im Juni hatte der Verwaltungsrat die gesetzlich vorgesehene Zusammenarbeit an der Stiftungsgründung ausgesetzt. Nun soll diese ablehnende Haltung in einer Sondersitzung am morgigen Donnerstag aufgehoben werden.

Grund dafür ist, dass sich der GKV-Spitzenverband weitgehende Zugriffsrechte auf die künftige Neugestaltung der Unabhängigen Patientenberatung gesichert hat. Dabei geht es um Widerspruchsrechte bei den künftigen Haushaltsberatungen, Einfluss auf die Besetzung der künftigen Geschäftsführung sowie die Beratungsthemen.

Das Bundesgesundheitsministerium hat die über das Gesetz hinausgehenden Befugnisse schriftlich zuge­standen. Dies geht aus Sitzungsunterlagen des GKV-Verwaltungsrates hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt im Vorfeld der morgigen Sitzung vorliegen.

Dem Brief des BMG zufolge, den die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) sowie der be­amtete Staatssekretär Thomas Steffen unterzeichnet haben, soll sich der künftige Arbeitsschwerpunkt der Stiftung vor allem auf gesetzlich Krankenversicherte beziehen.

„Der Schwerpunkt der Informations- und Beratungstätigkeit der künftigen Stiftung UPD bezieht sich dabei in erster Linie auf die gesetzlich Versicherten", heißt es in dem Brief. Damit sind Versicherte der privaten Kran­kenversicherungsunternehmen sowie die rund ein Prozent versicherungslosen Menschen nicht mehr explizit Ziel­gruppe der künftigen UPD.

Pflegeberatung soll keine große Rolle mehr spielen

Ebenso soll in der künftigen Satzung geregelt werden, dass der Schwerpunkt der Beratungen der Leistungs­katalog des Sozialgesetzbuches V sein soll. Damit könnten Beratungsthemen zur Pflege (unter anderem im SGB XI geregelt) sowie zu einigen Bereichen der Rehabilitation nicht mehr Teil des künftigen UPD-Angebotes sein. Ebenso wären allgemeine Beratungen zu gesundheitlichen Themen – wie beispielsweise zur Pandemie – möglicherweise auch nicht mehr Teil der Beratungen. Laut der aktuellen Auswertung des UPD-Monitors werden Themen rund die Pflegeleistungen am zweithäufigsten nachgefragt.

Noch deutlicher werden die Schreiben des BMG sowie auch die Beratungsunterlagen des GKV-Spitzenver­bandes bei der Beschreibung zum Stimmverhalten in Fragen der Finanzen der UPD-Stiftung: Das BMG sichert dem GKV-Spitzenverband in dem Schreiben mit dem Titel „Zusammenfassung der Gespräche“ bei Ab­stimmungen über den Haushalt die Rückendeckung für die Meinung des GKV-Spitzenverbandes zu.

„Das BMG wird den GKV-Spitzenverband daher bei der Geltendmachung seines Einspruches unterstützen, wenn er konkret darlegt und substantiiert begründet, dass eine Beschlussfassung aus seiner Sicht nicht mit einer wirtschaftlichen Haushaltsführung vereinbar ist“, heißt es.

Auch der GKV-Spitzenverband präsentiert diese Einigung den Mitgliedern des Verwaltungsrates als positives Ergebnis: „Ein wesentliches Ergebnis der Verständigung mit dem BMG ist, dass das Ministerium den GKV-Spit­zenverband bei der Geltendmachung seines Einspruches zur Verwendung von Haushaltsmitteln unterstützen wird.“

Das würde bedeuten, dass der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), als Vor­sitzender des Stiftungsrates, sowie ein weiteres Mitglied des Stiftungsrates aus dem BMG jeweils mit dem GKV-Spitzen­verband in Finanzfragen stimmen könnte.

In dem Stiftungsrat sind laut Gesetz neben den beiden Genannten auch zwei Mitglieder des Bundestages, ein weiteres Mitglied aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz sowie zwei Vertreter des GKV-Spitzen­verbandes und sieben ehrenamtliche Vertreter der Patientenorganisationen. Falls die PKV-Unternehmen sich an der neuen UPD beteiligen, könnte auch die PKV einen Vertreter in den Stiftungsrat entsenden.

BMG stimmt mit den Krankenkassen

Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass im Falle eines Einspruches gegen die Beschlussfassung zum Haushalt nicht nur das BMG, sondern auch das jeweilige Ministerium, in dem Verbraucherschutz angelegt ist, mit ihnen stimmen wird.

„Denn dann müsste für den Beschluss – gegen den der GKV-Spitzenverband Einspruch erhoben hat und der vom BMG unterstützt wird – auch das für den Verbraucherschutz zuständige Bundesministerium (BMUV) für den Beschluss und damit gegen das BMG stimmen. Es ist sehr fraglich, ob dies bei einem dargelegten unwir­tschaftlichen Sachverhalt realistisch ist.“

Zudem sichert das BMG dem GKV-Spitzenverband zu, dass es eine gemeinsame Evaluation über die Neuaus­richtung der UPD geben soll, die auch den Jahresabschluss mit einbezieht. „Das BMG ist daher bereit, zusamm­en mit dem GKV-Spitzenverband sowohl die gemeinsame Zusammenarbeit im Stiftungsrat als auch die Um­setzung des gesetzlich festgelegten Zwecks der Stiftung zu evaluieren, um bei Bedarf gemeinsam zu errei­chen, dass erforderliche Änderungen vorgenommen werden", heißt es in dem Brief.

Und weiter: „Dies könnte zusätzlich ermöglichen, dabei auch die ersten externen jährlichen Überprüfungen des Jahresabschlusses zu berücksichtigen.“ Auch dies verbucht der GKV-Spitzenverband den Sitzungsunter­lagen zufolge als positives Beratungsergebnis.

Im Gesetz ist festgelegt, dass es eine Evaluation der Tätigkeit der Stiftung alle zwei Jahre geben soll, die extern und unabhängig in Auftrag gegeben werden soll. Laut Gesetz soll aber nur die Zweckerfüllung der Stiftung, die Unabhängigkeit sowie die wissenschaftliche Qualität des Informations- und Beratungsangebotes sowie die Beratungszahlen evaluiert werden. Von einer Evaluation über den Einsatz der Finanzmittel ist keine Rede.

Hintergrund des Streites ist die künftige Finanzierung der unabhängigen Stiftung, die die UPD betreiben soll. Laut Gesetz, das der Bundestag am 16. März beschlossen hat und am 15. Mai im Bundesgesetzblatt veröffent­licht wurde, soll künftig der GKV-Spitzenverband jährlich 15 Millionen Euro an die Stiftung zahlen.

„Die privaten Krankenversicherungsunternehmen können sich anteilig an den Kosten der Finanzierung betei­li­gen“, heißt es weiter im Gesetz. Gegen die Finanzierung aus Beitragsgeldern hatte sich der GKV-Spitzen­verband sowie besonders der Verwaltungsrat gewehrt. Dies endete in einer Resolution des Verwaltungsrates, der jegliche Zusammenarbeit beim Erstellen der Stiftungssatzung verweigert hatte.

Einfluss auf die Leitungsebene

Erheblich Einfluss nehmen könnte der Kassenverband künftig auch beim Personal. Denn welche Anforderun­gen für die künftige UPD-Stiftungsspitze gelten, soll der GKV-Spitzenverband ebenfalls in die Satzung schrei­ben. Das BMG hat offenbar auch dabei tatkräftige Unterstützung angeboten.

„Daneben soll über die Stiftungssatzung – insbesondere durch Regelungen zum Bewerbungsverfahren – zu­sätzlich dafür Sorge getragen werden, dass die nach den Vorgaben des Gesetzgebers zu besetzenden Gremien durch Personen ausgeübt werden, die in ihrer Funktionswahrnehmung eine an den Zielen der Stiftung ent­sprechende Amtsausübung gewährleisten“, heißt es in der BMG-Gesprächszusammenfassung. Aus den Unterlagen zur Verwaltungsratssitzung geht dazu nichts weiteres hervor.

Laut Gesetz sollen die Geschäfte der Stiftung durch einen Stiftungsvorstand geführt werden, der aus zwei Mitglie­dern bestehen soll. Diese arbeiten hauptamtlich. Auch das entsprechende Bewerbungsverfahren für den Stif­tungsvorstand soll die Stiftungssatzung entscheiden.

Steht die Satzung erst einmal und ist im Einvernehmen zwischen GKV-Spitzenverband und BMG verabschie­det, braucht es eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Stiftungsrates, um Satzungsänderungen vorzunehmen. Die Parlamen­tarier im Bundestag, die sich seit mehreren Jahren vehement für eine Stiftung für die Unabhängige Patientenberatung einsetzen, werden übrigens zur Satzung nicht mehr befragt. Das haben sie selbst im Gesetz so geregelt.

Selbst wenn der Verwaltungsrat morgen seine Blockade aufgibt, stellt das die Neugründung der Stiftung zum 1. Januar 2024 weiter vor erhebliche zeitliche Probleme. Denn bis dahin muss noch einiges in der praktischen Arbeit passie­ren.

Zunächst müsste die Stiftungssatzung geschrieben und abgestimmt werden. Dann muss die Satzung sowie der Stiftungszweck den zuständigen Behörden der Stiftungsaufsicht vorgelegt werden. Danach würde die Suche nach einem neuen Stiftungsvorstand beginnen. Bewerbungsfristen und Auswahlverfahren und Gespräche müssten folgen. Dabei wären auch Kündigungsfristen zu berücksichtigen, die nicht selten mehrere Monate betragen können.

Darüber hinaus würde die Stiftung auf nichts aufbauen können. Denn die alte UPD befindet sich derzeit in der vollständigen Abwicklung. Alle Verträge – wie etwa Mietverträge oder Telefonanbieter – sind gekündigt. Im September müsste die bestehende UPD allen Mitarbeitern die Kündigung aussprechen. Für die neue UPD-Stiftung würde das bedeuten: Konzept aufsetzen, Räume finden, Mietverträge abschließen, neue Mitarbeiter rekrutieren und einstellen. Auch die haben Kündigungsfristen und dürften nicht direkt bereit stehen.

Im Bundesministerium für Gesundheit glaubt man aber offenbar weiter ganz fest daran, dass die Stiftung zum 1. Januar 2024 gegründet ist und arbeitsfähig sein wird. Einen Plan B gibt es nach Informationen des Deutschen Ärzteblatts nämlich nicht. © bee/may/aerzteblatt.de

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