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Politik

G-BA beschließt Erleichterungen für außerklinische Intensivpflege

Freitag, 21. Juli 2023

/lokomotiv2010, stock.adobe.com

Berlin – Falls kein Arzt verfügbar ist, kann bis Ende kommenden Jahres auf die sogenannte Potenzialerhebung im Vorfeld einer außerklinischen Intensivpflegeverordnung verzichtet werden. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gestern beschlossen. Patientenvertreter warnen dennoch vor Engpässen.

Seit Oktober 2020 beruht der Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege auf einer neuen gesetzli­chen Grundlage. Laut dieser muss bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten vor jeder Verordnung von außerklinischer Intensivpflege eine Potenzialerhebung stattfinden.

Zum 31. Oktober dieses Jahres ändert sich diese gesetzliche Grundlage noch einmal: Ab dann dürfen diese Leistungen nur noch nach den Regeln der Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) verordnet werden. Die bisher nach der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) ausgestellten Verordnungen ver­lieren dann ihre Gültigkeit.

Das könnte zu erheblichen Engpässen führen, befürchten Patientenvertreter. „Die maßgeblichen Patienten­organisationen blicken nun mit großer Sorge in den Herbst“, schreibt die Patientenvertretung im G-BA.

Denn vor der Verordnung muss bei beatmeten oder trachealkanülierten Patienten regelmäßig geprüft werden, ob eine Beatmung noch notwendig ist oder ob eine vollständige Entwöhnung der Patienten oder ihre Um­stellung auf eine nicht invasive Beatmung beziehungsweise die Entfernung der Trachealkanüle möglich ist.

„Für diese sogenannte Potenzialerhebung braucht es fachärztliche Qualifikation und Erfahrung“, erklärte Mo­nika Lelgemann, unparteiisches Mitglied im G-BA. „Im Ergebnis dürfen diese wichtigen Anforderungen aber nicht dazu führen, dass die benötigten Verordnungen nicht mehr möglich sind, weil berechtigte Ärztinnen und Ärzte fehlen.“

Laut Patientenvertretung zeige sich, dass trotz intensiver Bemühungen der Selbstverwaltung eine flächende­ckende Versorgung der von der AKI betroffenen Leistungsberechtigten bis zum Stichtag nicht sichergestellt werden könne.

Mangel an verordnenden Ärzten

„Sowohl Ärztinnen und Ärzte, die zukünftig nach den Regelungen der AKI-RL verordnen, als auch die Ärztin­nen und Ärzte, welche die vor der Verordnung erforderliche Potenzialerhebung durchführen sollen, stehen bisher noch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung“, warnt das Bündnis aus Deutschem Behindertenrat, Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), Deutscher Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe­gruppen und Verbraucherzentrale Bundesverband.

So liste die Arztsuche im Gesundheitsportal des Bundes nach Angabe der Kassenärztlichen Bundesvereini­gung (KBV) vom Juni 2023 bundesweit 591 verordnende Hausärzte auf. Für die Verordnung tatsächlich zur Verfügung stehende Fachärzte würden nicht aufgeführt, seien bisher aber auch nur zu einem sehr geringen Anteil an der Versorgung der Patientengruppe beteiligt gewesen.

Insgesamt sei eine mittlere vierstellige Zahl an Ärzten nötig, um die Versorgung zu gewährleisten, erklärte Markus Behrendt, Patientenvertreter im G-BA, bei der gestrigen Sitzung. Dem würden rund 22.000 aufwendig versorgte Patienten mit Bedarf an außerklinischer Intensivpflege gegenüberstehen. Fehlende oder unzurei­chende Barrierefreiheit der Praxen würde die Suche für die mobilitätseingeschränkten Menschen dabei noch weiter einschränken.

„Es mehren sich die Problemanzeigen aus der Versorgung, wonach möglicherweise ein Mangel an verordnen­den und verordnungswilligen Ärzten bevorsteht“, sagte Behrendt. „Patienten erhalten gerade massenhaft Be­nachrichtigungen, dass ihre Ärzte künftig keine AKE mehr verordnen und dass sie sich neue suchen sollen.“ Es werde eine mittlere vierstellige Zahl an Ärzten benötigt, doch man liege noch bei einer Zahl im dreistelligen Bereich.

Eine Ursache für die mangelnden Strukturen sei auch die geringe Beteiligung von Kliniken, die auf die Versor­gung der Patientengruppe spezialisiert sind. „Schon in der Begründung zum Gesetzentwurf wurde festgestellt, dass die ärztliche Versorgung der Versicherten ohne ermächtigte Krankenhausärztinnen und -ärzte sowie Ein­richtungen nicht sichergestellt wäre“, schreibt die Patientenvertretung. „Bisher ist der Aufbau einer umfassen­den sektorenübergreifenden Versorgung jedoch nicht gelungen.“

Um den befürchteten Engpässen zu begegnen und eine kontinuierliche Versorgung zu ermöglichen, hat der G-BA deshalb gestern noch einige Nachbesserungen beschlossen. „Bei der Versorgung mit außerklinischer In­tensivpflege werden viele Details bereits durch den Gesetzgeber vorgegeben“, erklärte Lelgemann. „Das, was wir als G-BA jedoch regeln können, wie beispielsweise die Vorgaben zur Qualifikation der verordnenden oder der potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte, nutzen wir im Sinne der Betroffenen.“

Der G-BA hat dazu in seiner Richtlinie eine Ausnahmeregelung bis zum 31. Dezember 2024 beschlossen: Ist kein qualifizierter Arzt rechtzeitig verfügbar, ist die Potenzialerhebung in dieser Zeit keine zwingende Voraus­setzung für die Verordnung außerklinischer Intensivpflege. Allerdings muss die Potenzialerhebung dann mög­lichst zeitnah und spätestens bis Ende 2024 nachgeholt werden.

Patientenvertretung scheitert mit Antrag

Die Patientenvertretung begrüßt den Schritt, hatte sich aber ursprünglich mehr erhofft: Mit einem Antrag aus dem Frühjahr 2023 wollte sie erreichen, dass noch für weitere zwei Jahre außerklinische Intensivpflege nach den Regelungen der HKP-RL verordnet werden kann. Das hätte aus ihrer Sicht den Aufbau verlässlicher Ver­sorgungsstrukturen und einen schrittweisen und strukturierten Übergang zu den Regelungen der AKI-RL ermöglichen können.

„Die bisher zur Verfügung stehenden Ressourcen sollten vorrangig für Patientinnen und Patienten genutzt werden, die noch nicht länger als zwei Jahre aus der stationären Versorgung entlassen wurden, da in dieser Zeit die Aussichten auf erfolgreiche Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung besonders hoch sind“, schreibt die Patientenvertretung. „Es bedarf daher kurzfristig einer angemessenen Übergangsregelung durch den Gesetzgeber, um der Entstehung einer strukturellen Mangellage entgegenzuwirken und den Aufbau von flächendeckenden Versorgungsstrukturen voran zu bringen.“

Ein weiterer Antrag der Patientenvertretung war dagegen erfolgreich: Der G-BA hat die Qualifikationsanforde­rungen für die Potenzialerhebung speziell bei beatmungspflichtigen Kindern, Jugendlichen und jungen Voll­jährigen angepasst.

So sind nun neben Ärzten aus dem Fachgebiet Kinder- und Jugendmedizin auch Fachpersonen aus anderen Medizinbereichen vorgesehen. Für alle gelte jedoch, dass sie eine pneumologische Zusatzqualifikation be­ziehungsweise mehrmonatige Berufserfahrung in der Behandlung der spezifischen Patientengruppe in hierfür spezialisierten Einrichtungen haben müssen.

Außerdem wurde beschlossen, die derzeit vorgesehene Verordnungsberechtigung für Hausärzte und be­stimmte Facharztgruppen zu erweitert. Die KBV kann die Befugnis zur Verordnung demnach immer dann er­teilen, wenn der Arzt über Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten verfügt und diese nachweist.

„Somit können auch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte anderer Facharztgruppen, die diese Versicherten bereits versorgen, weiterhin in der Versorgung gehalten werden“, erklärte der G-BA.

Der Beschluss wird nun dem Bundesgesundheitsministerium zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Wenn es keine rechtlichen Einwände hat, tritt er nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Ausführliche Informationen für verordnende und potenzialerhebende Ärzte stellt die KBV zur Verfügung. © lau/aerzteblatt.de

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