Politik
„Inhaltlich bin ich leider auch sehr beunruhigt“
Freitag, 21. Juli 2023
Berlin – Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands hat gestern entschieden, mit der Arbeit an der Satzung für die Stiftung Unabhängige Patientenberatung (UPD) zu beginnen. Im Vorfeld hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Kassen unter anderem Zugeständnisse bei Mitspracherecht in Haushaltsfragen und Zugriffen auf Beratungsthemen gemacht. Der künftige Vorsitzende des Stiftungsrats der UPD-Stiftung ist der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD). Er sagte dem Deutschen Ärzteblatt, was er von der Entwicklung hält – und wie er nun damit umgehen will.
5 Fragen an Stefan Schwartze, Patientenbeauftragter der Bundesregierung
Wie bewerten Sie die Absprachen zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem GKV-Spitzenverband in Bezug auf erweiterte Befugnisse auf die Verwendung der Hausmittel in der Satzung der Stiftung?
Der Gesetzgeber hat in dem neuen Paragrafen 65b Sozialgesetzbuch V bewusst eine komplexe Konstruktion bezüglich der Kontrolle der Mittelverwendung gewählt, vor dem Hintergrund, dass Mittelkontrolle Steuerung und Macht bedeutet. Das widerspricht wirklicher Unabhängigkeit. Ich selbst fand die Konstruktion des Referentenentwurfs am besten. Hier hätte der GKV-Spitzenverband die Mehrheit des Stiftungsrats von seinen Einwänden gegen die Mittelverwendung überzeugen müssen.
Was sagen Sie dazu, dass der GKV-Spitzenverband künftig nur noch Beratung zum Sozialgesetzbuch V (SGB V) machen will und nicht mehr alle Patienten, wie Privatversicherte und Nichtversicherte, beraten möchte?
Zunächst will der GKV-Spitzenverband versicherungsfremde Leistungen nicht finanzieren, was auch völlig richtig ist. Ein generelles Verbot der Information und Beratung zu Themengebieten, die mit Gesundheit und Erkrankung assoziiert sind und nicht ausschließlich im Bereich des SGB V liegen, ist aber lebensfremd.
Wenn ein Ratsuchender nach einem schweren Herzinfarkt Fragen zu seiner Anschlussheilbehandlung hat und dazu auch noch wissen möchte, wie es danach für ihn weitergeht, wenn er nicht auf die Beine kommt, dann muss eine UPD darüber informieren dürfen.
Dass die derzeitige UPD so häufig zu Pflegethemen angefragt wird, hat natürlich damit zu tun, dass die Pflegeberatung sehr heterogen und nicht immer unabhängig ist und das sich bei einem Anliegen die Themen nicht immer trennen lassen. Ein gutes Beispiel dafür sind auch die Information und Beratung zu Hilfsmittel.
Die PKV hat schon zugesichert ihren Anteil mitzufinanzieren und damit stellt sich die Frage nicht. Hieran wird nur deutlich, dass der GKV-Spitzenverband keine versicherungsfremden Leistungen mehr übernehmen will. Was mich aber umtreibt ist Folgendes: Was mache wir mit den Nichtversicherten, den Beihilfebeziehern, den Menschen, die gesundheitliche Leistungen über das SGB XII oder das Asylbewerberleistungsgesetz beziehen?
Der Verwaltungsrat hat klargestellt, dass man im Zweifel die Satzung nicht einreichen wird. Ihre Einsprüche werde man zwar prüfen, aber nicht berücksichtigen. Was sagen Sie zu diesem Selbstverständnis des Kassengremiums?
Es ist schon erstaunlich, wie vehement und mit welchem großen Selbstverständnis gegen einen klaren gesetzlichen Auftrag opponiert wird. Ich hätte mir da ein wenig mehr Gesetzestreue gewünscht, vor allem da der Fall hier nicht mit dem immer wieder angeführten BZgA-Urteil (Anm. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) des Bundessozialgerichts vergleichbar ist.
Damals wollte der Gesetzgeber Aufgaben einer eigenen Bundesbehörde, die BZgA, mit Mitteln der Sozialleistungsträger finanzieren. Die UPD hingegen gleicht als Art Complianceangebot die fehlende Neutralität und Unabhängigkeit der Beratung der Krankenversicherungen aus. Sie sind ja auch die, die die meisten Beratungen bei der UPD verursachen und das stabil seit 15 Jahren.
Aus der Ampelkoalition kam gestern das Signal, dass die Absprachen so nicht umgesetzt werden dürfen. Die Opposition ruft Sie zum Rücktritt auf, wenn Sie nicht gegen den Deal vorgehen. Was werden Sie jetzt tun?
Ich selbst war nie Teil dieses Deals und wurde zu keinem Zeitpunkt über die Inhalte informiert. Damit laufen die Forderungen der Opposition aus meiner Sicht ins Leere. Das Verfahren ist eines zwischen GKV-Spitzenverband und seiner Rechtsaufsicht, dem BMG. Ich bin Patientenbeauftragter der Bundesregierung und nicht des GKV-Spitzenverbands oder des BMG.
Glauben Sie, dass unter den Rahmenbedingungen eine UPD-Stiftung zum 1. Januar 2024 eine vernünftige Patientenberatung vornehmen kann, wie es derzeit der Fall ist?
Wir alle stehen unter einem immensen Zeitdruck und dass schon seit Verabschiedung des UPD-Stiftungsgesetzes. Das jetzt noch die Verzögerung durch den GKV-Spitzenverband hinzugekommen ist, lässt mich sehr skeptisch sein, was den 1. Januar 2024 betrifft.
Inhaltlich bin ich leider auch sehr beunruhigt, muss dafür aber erst den Satzungsentwurf lesen, um mir ein abschließendes Bild machen zu können. Der Paragraf 65b Sozialgesetzbuch V selbst soll ja nicht verändert werden. © may/aerzteblatt.de

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