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„Es könnten noch deutlich mehr Menschen von der HIV-Präex­positionsprophylaxe profitieren“

Montag, 31. Juli 2023

Berlin – Rund 32.000 Menschen in Deutschland nutzen die Präexpositionsprophylaxe gegen eine Infektion mit HIV (PrEP). Sie ist seit September 2019 eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Daniel Schmidt, beim Robert-Koch-Institut (RKI) Leiter der PrEP-Evaluation und des derzeitigen Aufbaus einer um­fassenden PrEP-Surveillance in Deutschland, erläutert, was nötig ist, um noch mehr Menschen in Deutschland mit dieser Vorsorge zu erreichen.

5 Fragen an Daniel Schmidt, beim Robert-Koch-Institut (RKI) Leiter der PrEP-Evaluation und des derzeitigen Aufbaus einer umfassenden PrEP-Surveillance in Deutschland

Wie hat sich die Nutzung der PrEP in den vergangenen Jahren entwickelt?
Seit 2019 hat sich die Zahl der Nutzenden kontinuierlich erhöht. Nur während der Coronapandemie gab es einen leichten Knick in diesem Aufwärtstrend.

Das RKI erfasst die PrEP-Nutzung anhand von anony­misierten Apo­thekenabrechnungszahlen. Wir müssen in diesen Zahlen die PrEP-Nutzenden – die ja gesund sind und sich vor einer HIV-Infek­tion schützen wollen – von HIV-Infizierten unterscheiden, welche die Medikamente zur Therapie erhalten.

Auf Basis dieser Erfassung können wir davon ausgehen, dass Ende des Jahres 2022 rund 32.000 Menschen in Deutschland eine PrEP erhalten haben. Zum Vergleich: Ende 2020 waren es rund 19.000 Menschen.

Wie sicher schützt die PrEP vor einer Infektion mit HIV?
Die PrEP schützt richtig angewendet sehr sicher vor HIV. Bei einer Befragung von 29 HIV-Schwerpunktzentren in ganz Deutschland berichteten diese von elf HIV-Infektionen zeitlich nach PrEP-Einleitung im Jahr 2022. Dies entspricht einer Quote von 0,09 Prozent.

Als vermutete Gründe für HIV-Infektionen wurde ausnahmslos von geringer Adhärenz berichtet. Des Weiteren führte die Kontrolle vor Wiederbeginn der PrEP nach längerer Unterbrechung zur Diagnose einer HIV-Infek­tion. Es scheint, dass Adhärenz bei anlassbezogener Einnahme und PrEP-Unterbrechungen eine Herausforde­rung darstellen.

Wer nutzt die PrEP?
Wir sehen auf Basis unserer Zahlen, dass es überwiegend Männer sind, welche die PrEP nutzen. Überwiegend – das meint, zu rund 99 Prozent. Der Grund dafür ist, dass vor allem in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben, das Bewusstsein für einen Schutz vor HIV offenbar deutlich höher ist als in anderen Gruppen.

Aber auch mit Aufklärungsmaterialen und Beratungsangeboten werden häufig nur Männer, die Sex mit Männern haben, auf die PrEP angesprochen. Außerdem besitzen einige Menschen mit Risiko für eine HIV-Infektion und mit PrEP-Bedarf keine Krankenversicherung und können bisher somit nicht über die gesetzliche Krankenversicherung mit PrEP versorgt werden.

Es könnten also noch deutlich mehr Menschen von der Vorsorge profitieren. Um das Potenzial der PrEP als Präventionsmethode erschließen zu können, bleibt es wichtig, allen Menschen mit Bedarf die PrEP zugänglich zu machen.

Was wäre dazu nötig?
Wir benötigen mehr Aufklärung zur PrEP auch in anderen Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel bei Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, Drogengebrauchenden und anderen Menschen mit häufig wechselnden Sex­partnerinnen und -partnern. Dies allein genügt aber nicht.

Es ist parallel wichtig, auch die Versorgungsstrukturen zu erweitern, weil die bestehenden Strukturen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. Im Augenblick ist die PrEP weitgehend an HIV-Schwerpunktzentren gebunden.

Diese sind aber zum Teil überlastet und in manchen Flächenländern auch nur mit sehr langen Anfahrtswegen zu erreichen. Ebenso braucht es Konzepte und Lösungsansätze für Menschen ohne Krankenversicherung, die oft auch von HIV bedroht sind, die PrEP zugänglich zu machen.

Wer könnte künftig vermehrt PrEP anbieten?
Im Augenblick sind die Auflagen etwa für gynäkologische oder allgemeinmedizinische Praxen sehr hoch, wenn sie PrEP anbieten möchten. Natürlich ist die Qualitätssicherung sehr bedeutsam, aber wir gehen davon aus, dass mehr Praxen grundsätzlich die Kompetenz haben, diese Form der Vorsorge anzubieten.

Es geht dabei unter anderem um eine HIV-Abklärung vor dem Start der PrEP und um eine Überwachung der Nierenfunktion im Verlauf. Wenn die Zahl der PrEP-Nutzenden in Zukunft weiter steigt – was sehr zu begrüßen wäre – werden sonst die Kapazitätsgrenzen erreicht. © hil/aerzteblatt.de

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