Ärzteschaft
Neue Blutspenderegeln, Richtlinie ist novelliert
Donnerstag, 31. August 2023
Berlin – Für die Blutspende gelten neue Regelungen. Die von der Bundesärztekammer (BÄK) im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in den vergangenen Wochen novellierte „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten“ – die Hämotherapierichtlinie - wird am 4. September im Deutschen Ärzteblatt bekanntgegeben sowie auf der Homepage der Bundesärztekammer veröffentlicht. Sie soll allen Ärztinnen und Ärzten, die mit Hämotherapie befasst sind, ein sicheres Fundament für ihre Tätigkeit vermitteln.
Gleichzeitig werden jetzt die Fragebögen, die alle potenziellen Spender jeweils vor einer Blutspende vor Ort ausfüllen müssen, aktualisiert. Auch ein vertraulicher Selbstausschluss ist weiterhin möglich. Das PEI bietet beispielsweise seit 2015 den Blutspendediensten einen einheitlichen Blut- und Plasmaspenderfragebogen als Musterfragebogen an, der bereits überarbeitet wurde.
Die in diesem Jahr vorgenommenen Aktualisierungen haben eine besondere Relevanz. Dringend notwendig wurden sie durch die seit Mai dieses Jahres geltenden Anpassungen des Transfusionsgesetzes zur Bewertung des individuellen Sexualverhaltens und des Lebensalters von spendewilligen Personen.
Diese hatte die Ampelkoalition als besonders eilbedürftig angesehen und an das Gesetzgebungsverfahren für die Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) angehängt. Das neue Gesetz ist seit dem 16. Mai in Kraft und wird nun durch die Novelle umgesetzt.
„Mit der vorliegenden, gemäß dem im Transfusionsgesetz sowie im Statut des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer festgelegten Verfahren fachlich breit konsentierten Richtlinie Hämotherapie haben die Bundesärztekammer und ihr Wissenschaftlicher Beirat die Handlungsfähigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung erneut unter Beweis gestellt“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt heute bei der Vorstellung der novellierten Richtlinie in Berlin. Aus Gründen der Patientensicherheit sei für die BÄK wesentlich, dass allein wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten Grundlage von Richtlinien in der Medizin sein dürften.
Das Zusammenwirken von Gesetzgeber, Bundesoberbehörden, Richtliniengeber, Arbeitskreis Blut und den Fach- und Verkehrskreisen stelle die Sicherheit von Blutprodukten sicher und sei seit dem „HIV-Skandal“ der 1980er-Jahre wesentlicher Leitgedanke des Transfusionsgesetzes, betonte Michael Hallek, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK. „Die Frage der Zulassung zur Blutspende stellt eine Risikostratifizierung auf der Basis der jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten dar“, erklärte er weiter.
Ausdrücklich begrüßten die BÄK und ihr Wissenschaftlicher Beirat, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die erreichte hohe Sicherheit von Blutprodukten weiterhin unverändert gewährleistet werden soll, so Hallek. Tatsächlich sind Blutspendeskandale mittlerweile im kollektiven Gedächtnis weit nach hinten gerückt. Die hohe Sicherheit von Blut und Blutprodukten in Deutschland erscheint nahezu selbstverständlich.
Dokumentiert und nachzulesen sei sie unter anderem in den Hämovigilanzberichten des Paul-Ehrlich-Instituts, sagte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Sein Institut werde nach der Veröffentlichung der Hämotherapie-Richtlinie die aktualisierten Auswahlkriterien für spendewillige Personen in einem angepassten, einheitlichen Blut- und Plasmaspenderfragebogen auf seiner Internetseite zur Verfügung stellen.
„Vorgaben und Stufenpläne des Paul-Ehrlich-Instituts, zum Beispiel zur Testung von Blutspenden auf Infektionsmarker, tragen auch weiterhin dazu bei, dass in Deutschland eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Blut und Blutkomponenten zur Transfusion gesichert ist“, so Cichutek.
Konkrete Änderungen
Doch was ändert sich konkret bei der Blutspende? Als einen wesentlichen Punkt dürfen den neuen gesetzlichen Vorgaben zufolge die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität der spendewilligen Person oder ihrer Sexualpartnerinnen oder Sexualpartner bei der Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nicht mehr berücksichtigt werden, um diese nicht zu diskriminieren.
Während beispielsweise zuvor Männer, die Sex mit Männern haben, nur dann Blut spenden durften, wenn sie in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit „einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner“ hatten, ist der aktualisierten Richtlinie zufolge nun eine Person für vier Monate von der Spende zurückzustellen, die innerhalb der letzten vier Monate ein Sexualverhalten aufgewiesen hat, das ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt.
Zu diesem risikobehafteten Sexualverhalten gehören Sexualverkehr mit insgesamt mehr als zwei Personen, Sexualverkehr mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde, Sexarbeit und deren Inanspruchnahme sowie Sexualverkehr mit einer Person, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV infiziert ist oder die in einem Endemiegebiet/Hochprävalenzland für diese Viren lebt beziehungsweise von dort eingereist ist.
Die Sicherheit von Blut und Blutprodukten erfordert nach Ansicht der Fachleute immer die Feststellung der Spendereignung und die Testung der Spenden. Auch angesichts mittlerweile sehr sensitiver und spezifischer Testverfahren sei es aufgrund der diagnostischen Lücke weiter notwendig, Personen mit sexuellem Risikoverhalten nicht zur Blutspende zuzulassen, um die hohe Sicherheit der Empfängerinnen und Empfänger von Blutprodukten in Deutschland weiter zu gewährleisten, erläuterte heute Johannes Oldenburg, Federführender des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien Hämotherapie“. „Eine gewisse diagnostische Lücke wird nie auszuschließen sein“, sagte er.
Änderungen innerhalb der Richtlinie gibt es auch bezüglich des Alters der Spendewilligen. Abgelehnt hatte das Parlament nämlich auch eine Höchstaltersgrenze. Diese lag bisher für Erstspenderinnen und -spender bei über 60 Jahren und für Wiederholungsspende bei über 68 Jahren, wobei die Zulassung älterer Spendewilliger nach individueller ärztlicher Entscheidung möglich war. „Jetzt muss die Eignung bei über 60-Jährigen mindestens im Abstand von fünf Jahren überprüft werden“, so Oldenburg.
Neu sei zudem, dass telemedizinische Verfahren für Untersuchungen zur Tauglichkeit für die Blutspende eingesetzt werden können. Zu beachten sei jedoch, dass Erfahrungen mit telemedizinischen Verfahren aus der Patientenversorgung nicht ohne Weiteres auf die Blutspendesituation mit freiwilligen, altruistischen Spendewilligen übertragen werden könnten. „Hier besteht noch Forschungsbedarf, unter anderem durch Studien zum Einsatz telemedizinscher Verfahren bei der Blutspende sowie zu deren Akzeptanz bei spendewilligen Personen“, so Oldenburg. © ER/aerzteblatt.de

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