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Politik

Protest der Medizinischen Fachangestellten: Mehr Respekt für die Unverzichtbaren

Freitag, 8. September 2023

/Maybaum

Berlin – In Berlin haben heute rund 1.000 Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte (MFA und ZFA) für eine Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitssituation demonstriert. Aus der Ärzteschaft erhielten sie dafür breite Unterstützung.

Nicht weniger als 30 Prozent Lohnsteigerung bräuchten MFA und ZFA, hatte die Präsidentin des Verbands der Medizinischen Fachberufe (vmf), Han­nelore König, bei der Demonstration am Brandenburger Tor gefordert. So groß sei der Lohnabstand zu Sozialversicherungsfachangestellten – ebenfalls ein dualer Ausbildungsberuf, „aber ohne die Infektionsgefahr und den Stress, den wir haben“.

„Solange 30 Prozent der Beschäftigten in den Arztpraxen im Niedriglohnbereich arbeiten und damit keinen einzigen Rentenpunkt pro Jahr erwirtschaften, sind sie arm trotz Arbeit“, kritisierte sie. Im Frühsommer hatten bei einer Online-Umfrage des vmf 27 Prozent der MFA und 51 Prozent der ZFA angegeben, weniger als 16 Euro brutto pro Stunde zu erhalten.

„30 Jahre Budgetierung haben das Gesundheitssystem kaputtgemacht“, klagte König. So lange gibt es das Sys­tem der Budgetierung und so lange sei die Wettbewerbsfähigkeit der Praxen als Arbeitgeber kaputtgespart worden.

Neben einem Ende der Budgetierung brauche es vor allem höhere Honorare, damit die Niedergelassenen als Arbeitgeber mehr Spielraum hätten, angemessene Gehälter zu zahlen. König forderte deshalb mit Blick auf die laufenden Verhandlungen über den Orientierungswert für die ärztlichen Honorare zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband spürbare Erhöhungen.

Stelle sich der GKV-Spitzenverband quer, liege die Verantwortung bei der Politik. „Ich appelliere an den Bun­des­gesundheitsminister, ein Machtwort zu sprechen, wenn die Honorarverhandlungen gegen die Wand fahren“, sagte König. Denn ohne höhere Honorare hätten die Ärzte als Arbeitgeber keinen Spielraum für höhere Löhne. „Honorieren sie endlich die Leistungen, die die Patienten von uns in der Praxis fordern.“

Stephanie Schreiber, MFA und zweite Vorsitzende im geschäftsführenden Vorstand des vmf, verwies insbeson­dere auf die Rolle der Fachangestellten während der SARS-CoV-2-Pandemie. „Wir haben wesentlich dazu bei­getragen, dass es bei uns kein zweites Bergamo gab“, sagte sie mit Blick auf die katastrophalen Zustände in Norditalien zu Beginn der Pandemie.

Sie wandte sich insbesondere gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Einführung sogenannter Gesundheitskioske. „Mit der Schaffung neuer Strukturen stärken sie unsere Berufe nicht, sie schwächen sie weiter“, betonte sie. Stattdessen brauche es eine tragfähige staatliche Gegenfinanzierung für die Praxen.

Ein Kernproblem sei dabei vor allem die fehlende Wertschätzung für die nichtärztlichen Gesundheitsberufe, hatten zwei Dutzend Rednerinnen und Redner immer wieder betont. „Sie haben uns gestützt in den vergange­nen Jahren, vor allem in der Coronapandemie, aber man hat den Eindruck, sie seien unsichtbar“, erklärte die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen. Sie wolle mit ihrer Teilnahme demonstrieren, „dass die Ärzteschaft hinter Ihnen steht“.

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Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und zahlreiche Kassenärztliche Vereinigungen hatten bereits im Vorfeld ihre Unterstützung bekundet. „Deutschland droht der Praxenkollaps“, erklärten die KBV-Vorstände An­dreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.

„Das liegt unter anderem auch daran, dass es für die niedergelassene Ärzte- und Psychotherapeutenschaft zu­nehmend schwieriger ist, qualifiziertes nichtärztliches Personal in den Praxen zu halten oder dafür zu ge­winnen. Ohne MFA lässt sich nun mal keine Praxis betreiben.“

Die Praxen bräuchten eine tragfähige Finanzierung, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Nur so könnten sie qualifiziertes ärztliches, psychotherapeutisches und nichtärztliches Personal für die vertragsärztli­che Versorgung weiter beschäftigen und neu anwerben.

Darüber hinaus brauche es auch bessere Perspektiven, wurde auf der Kundgebung vielfach gefordert: Mehr Auf­stiegsmöglichkeiten, auch durch eine Akademisierung, genauso wie eine Neuordnung der Ausbildung samt Anerkennung der wesentlichen medizinischen Ausbildungsinhalte, forderte Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedin­gungen der Arzthelferinnen/MFA (AAA).

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Bundestagswahl mit einem Versprechen für mehr Respekt gewonn­en. „Respekt drückt sich aber nicht dadurch aus, dass man in Sonntagsreden Danke sagt. Sondern Respekt drückt sich dadurch aus, dass man die Berufe, die die Gesellschaft am Laufen halten honoriert, wahrnimmt und fördert. Das sehe ich nicht“, sagte Bodendieck.

Die Praxen bräuchten dringend eine Refinanzierung von Tarifsteigerungen, besser noch eine Entbudgetierung aller ärztlichen Leistungen. Lauterbach hingegen sei „die Axt im sich ausdünnenden Wald der medizinischen Versorgung“.

Der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, betonte die Wertschätzung der Niedergelassenen durch ihre Arbeitgeber. „MFA sind eben nicht nur Angestellte, die am Empfang stehen“, sagte er. „Ihr seid die Manager unserer Praxen. Ohne Euch würde es sie nicht mehr geben. MFA sind immer da, wenn es brennt.“ Es brauche daher eine Strukturpauschale, „die die Arbeit der Teams auch abbildet“.

Insbesondere Minister Lauterbach war durchgehend Ziel der Kritik – speziell von den CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner, Simone Borchardt und Stephan Pilsinger sowie des bayerischen Gesundheitsministers, Klaus Holetschek (CSU).

Pilsinger versprach, seine Fraktion werde zeitnah einen Antrag für eine Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) einbringen. „Wir werden noch mal richtig Druck machen in den nächsten Wochen und Monaten, damit sich da endlich etwas tut.“

Doch es verfing nicht: Auf die Nachfrage, warum die Union das nicht bereits in den vorherigen 16 Jahren an der Macht getan hat, gab er die Schuld den damaligen Koalitionspartnern. Die Demonstrierenden quittierten das mit Pfiffen und Buhrufen.

Hajo Beier, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Zahnmedizinischen Fachangestellten für Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Westfalen-Lippe (AAZ), war später darauf eingegangen und hatte sich gegen eine parteipolitische Instrumentalisierung der Anliegen der medizinischen Fachberufe verwehrt.

Es seien in den vergangenen Jahrzehnten Gesundheitsminister von der CDU/CSU über die FDP bis zur SPD gewesen, die „das System ausgequetscht haben wie eine Zitrone“, erklärte er. „Es wird ja von den Parteien, die gerade nicht in der Regierung sind, gern gesagt, sie hätten es besser gemacht. Das stimmt nicht und das muss man auch sagen.“ © lau/nfs/aerzteblatt.de

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