NewsPolitikBundeskabinett beschließt Krankenhaus­transparenzgesetz
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Politik

Bundeskabinett beschließt Krankenhaus­transparenzgesetz

Mittwoch, 13. September 2023

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, gibt eine Pressekonferenz zu Gesetzesplänen für ein Online-Transparenzverzeichnis für die Krankenhäuser. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Der Bund will künftig die Qualität der stationären Versorgung in Deutschland mithilfe eines Transpa­renzportals offenlegen. Eine entsprechende Formulierungshilfe hat das Bundeskabinett heute beschlossen.

Der aktuelle Entwurf eines „Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transpa­renz“ (Krankenhaustransparenzgesetz) liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor. Voraussichtlich am 21. September soll das Gesetz in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, der Bundesrat muss demnach nicht zustimmen.

Es fehle im stationären Bereich an Transparenz, betonte heute Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der das Vorhaben vor der Bundespressekonferenz vorstellte. Deswegen soll es ab 1. April 2024 ein Transparenzverzeichnis geben, das als interaktiver Qualitätsatlas gedacht sei.

Etwa die Arztdichte sowie durchgeführte Eingriffe sollen in diesem Portal leicht verständlich über eine farb­liche Einfärbung von rot bis grün angezeigt werden, erklärte Lauterbach. Geplant ist zudem, die Krankenhäu­ser und die jeweiligen zugeordneten Leistungsgruppen ebenfalls transparent abzubilden. Außerdem plant Lauterbach mit dem Gesetz eine Einteilung der Krankenhäuser in Level, obwohl diese Versorgungsstufen bei der Krankenhausplanung der Bundesländer nicht vorgesehen ist.

Das Transparenzverzeichnis soll künftig Fallzahlen von Leistungen (differenziert nach 65 Leistungsgruppen), vorgehaltenes ärztliches und pflegerisches Personal im Verhältnis zum Leistungsumfang, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe sowie eine Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level) veröffentlichen.

Mitte August ist bereits ein erster Entwurf der Formulierungshilfe bekannt geworden, die Kabinettsfassung sieht nun jedoch einige Änderungen vor.

Kritik gab es nach Bekanntwerden des ersten Entwurfs von vielen Seiten insbesondere bezüglich des Vorha­bens, dass das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) die Datenzu­sammenführung für das Transparenzportal vorrangig vor allen anderen Aufgaben machen sollte. Diese For­mulierung wurde im nun vorliegenden Gesetzentwurf etwas abgeschwächt. Lauterbach erklärte heute dazu, das IQTIG dürfe seine anderen Aufgaben nicht vernachlässigen.

Die Krankenhäuser müssen zudem nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, selbst die Leistungsgruppen, die sie künftig erbringen, melden, sondern sollen hauptsächlich Informationen zu beschäftigtem ärztlichem und pflegerischem Personal übermitteln. Das hat vor allem praktische Gründe, da die erstmalige Übermittlung der Krankenhäuser bereits bis zum 15. Januar 2024 erfolgen soll, die Leistungsgruppen zu diesem Zeitpunkt aber aller Voraussicht nach noch nicht zugeordnet sein werden.

Vereinfachung des Personalschlüssels und weiteres Level geplant

Außerdem soll der Personalschlüssel des ärztlichen sowie pflegerischen Personals künftig je Fachabteilung angegeben werden und nicht wie zunächst vorgesehen je Leistungsgruppe. Lauterbach erklärte dies damit, dass Bürgerinnen und Bürger die Strukturen der Abteilungen in den Krankenhäusern bereits kennen würden und den Personalschlüssel somit besser nachvollziehen könnten.

Offenbar haben sich die Universitätskliniken zudem mit ihrer Forderung durchgesetzt, Hochschulkliniken in der Versorgungsstufe „Level 3U“ gesondert auszuweisen. Bezüglich der erbrachten Leistungsgruppen unter­scheiden sich die geplanten Level 3 und 3U allerdings nicht.

Zu Level 1n sollen künftig auch Krankenhäuser zählen, die zwar nicht den offiziellen Vorgaben bezüglich der benötigten Leistungsgruppen entsprechen, aber auch noch nicht der Versorgungsstufe „Level F“ (Fachkranken­häuser) oder „Level 1i“ (sektorenübergreifende Grundversorger) zugeordnet werden können.

Neu geregelt ist zudem, dass Bundeswehrkrankenhäuser und Krankenhäuser der gesetzlichen Unfallversiche­rung auch Krankenhausfälle für das Transparenzportal erfassen müssen, in denen sie nicht Zivilpatienten be­handeln oder in denen die Kosten von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen werden. Diese Zahlen müssten gesondert übermittelt werden.

Im Kabinettsentwurf sind zudem Regelungen zu möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen enthalten. So soll künftig das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bezüglich Streitigkeiten entscheiden, die das Trans­parenzverzeichnis betreffen. Das sieht eine geplante Änderung in Paragraf 29 Absatz 3 des Sozialgerichts­gese­tzes vor.

Sanktionen für Krankenhäuser vorgesehen

Zwar müssen die Krankenhäuser für das Transparenzportal künftig mehr Daten melden, wer das nicht mache, müsse allerdings mit „empfindlichen Strafen“ auf der Ebene der Krankenhausgeschäftsführungen rechnen, be­tonte Lauterbach heute. Allerdings versprach er, dass die Krankenhausreform an sich eine „riesige Entbüro­kra­ti­sierungsoffensive“ sei. „Die Qualitätsberichte, die von den Krankenhäusern erbracht werden, die werden wir entschlacken, möglicherweise sogar komplett freiwillig machen“, kündigte er an.

Zudem werde durch die geplanten Vorhaltepauschalen Bürokratie gemindert, etwa durch das Wegfallen von Berechnungen von Fehlbelegungen durch Krankenkassen und Krankenhäuser, so Lauterbach. Auch das ge­genseitige Vorrechnen bezüglich des Pflegebudgets werde künftig dank der Vorhaltefinanzierung nicht mehr benötigt, so Lauterbach.

Lauterbach selbst kritisierte außerdem die Selbstverwaltung und insbesondere die Deutsche Krankenhausge­sell­schaft (DKG), die Vorbehalte gegen das Gesetz geäußert habe. „Viele Partner der Selbstverwaltung wün­schen diese Transparenz nicht“, bemängelte Lauterbach. Diese Widerstände seien ethisch prekär, denn damit verhindere die Selbstverwaltung, den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen.

Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) kritisierte heute im ZDF-„Mittags­magazin“, dass das Krankenhaustransparenzgesetz der zweite vor dem ersten Schritt sei. Minister Lauterbach tue so, als gäbe es die Leistungsgruppen schon. Diese müssten aber zunächst von den Ländern zugeordnet werden. Damit sorge er für Verwirrung, kritisierte Lucha.

Die Bundesländer hätten hingegen vorgeschlagen ab April zunächst Abteilungsleistungen über das Transpa­renzportal zu verkünden, weil die Zuordnung der Leistungsgruppen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abbildbar seien, so Lucha.

Der Landesminister spielt damit auf die große Krankenhausreform an. Der entsprechende Gesetzentwurf wird derzeit erarbeitet, offenbar kommt es allerdings zu Verzögerungen. Lauterbach geht allerdings weiter davon aus, dass die Leistungsgruppen sowie weitere relevante Informationen zum 1. April 2024 dargestellt werden können.

Gesetzentwurf komme zu früh und verzögert Krankenhausreform

Auch Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) und damit Lauterbachs Parteikollegin nannte die Pläne voreilig. Es sei zwar klar gewesen, dass der Bund ein solches Gesetz vorlegen werde, „aber ganz sicher nicht vor der Krankenhausreform“, erklärte sie. Das Krankenhaustransparenzgesetz des Bundes komme viel zu früh.

Zunächst sollten die Länder planen, wie die Krankenhauslandschaft künftig aussehen wird. Dann könne darü­ber informiert werden, welche Klinik welche Leistungen erbringen kann, sagte Köpping. „So bleibt die Daten­grundlage sehr fragwürdig, auf deren Basis die Patientinnen und Patienten zu dem für sie am besten geeigne­ten Krankenhaus gelotst werden sollen.“ Sie befürchte, dass das für April 2024 geplante Onlineregister eher zu Verwirrung als zu größerer Transparenz führen wird.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nannte das Transparenzgesetz unzureichend und ebenfalls irreführend. Er warnte davor, dass dieses Gesetz nicht die gewünschte Transparenz bringen wird, sond­ern vor allem Verunsicherung bei den Patientinnen und Patienten ebenso wie beim medizinischen und pflegenden Personal.

„Die abgefragten Daten sagen leider wenig über die wirkliche Qualität der Leistungen in den Krankenhäusern aus. Ganz im Gegenteil sehe ich die reale Gefahr, dass die Patientinnen und Patienten durch die geplante Le­velzuordnung der Krankenhäuser auf eine falsche Fährte gelockt werden“, sagt Holetschek. Damit drohe eine massive Fehlsteuerung der Patienten mit der Folge der Überlastung von Schwerpunkt- und Maximalver­sorgern durch leichte Fälle.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) kritisierte ebenfalls falsch gesetzte Prioritäten. Viel wichtiger sei die Krankenhausreform, die sich nun allerdings durch das Vorziehen des Transparenzgesetzes verzögere, erklärte Werner. Dies habe aus ihrer Sicht Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder, die ohne das Reformgesetz den Kliniken keine medizinischen Leistungsgruppen zuweisen könnten. Diese sind Voraussetzung für die Vergütung von Klinikbehandlungen.

Dringend notwendig sei außerdem eine Übergangsfinanzierung für Kliniken, bis die Reform greife, forderte Werner. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass Kliniken in Insolvenz gingen. In Thüringen soll voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 ein neuer Landeskrankenhausplan in Kraft treten.

Ähnliche Kritik kommt von der Opposition im Bundestag. „Die Ampel geht den zweiten Schritt vor dem ersten. Noch bevor die große Krankenhausreform überhaupt vollendet ist, treibt sie ein neues Gesetz voran. Für Klini­ken und Beschäftigte, die ohnehin nicht wissen, wann die Krankenhausreform kommt, bedeutet das weniger Planungssicherheit als je zuvor. Versicherte werden verunsichert“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge.

Lauterbach übergehe nicht nur die laufenden Arbeiten am Gesetzentwurf von Bund und Ländern. Er sage stattdessen den Bundesländern in der entscheidenden Phase der Beratungen den Kampf an. Auch er zweifelt an, dass die Krankenhausreform zeitnah auf dem Tisch liegen werde. „Das geplante Inkrafttreten zum Jahres­beginn 2024 ist mehr als unsicher“, sagt Sorge.

Die DKG nannte das Krankenhaustransparenzgesetz erneut ein „trojanisches Pferd zur Entmachtung der Län­der von ihrer Planungshoheit“. Geringfügige kosmetische Änderungen würden das Gesetz nicht verbessern, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, Henriette Neumeyer. „Dass der Bundesminister mit­hilfe des Transparenzgesetzes aber weiterhin die von den Ländern und Kliniken aus vielen guten Gründen abgelehnte Leveleinteilung über die Hintertür doch noch einführt, bleibt inakzeptabel“, lautet die Kritik.

Informationen zu Krebszentren fehlen

Eine bessere Qualitätstransparenz für Krebsbetroffene werde mit diesem Vorhaben nicht erreicht, kritisierte zudem Simone Wesselmann, stellvertretende Generalsekretärin der Deutschen Krebsgesellschaft. „Hier ist aus Sicht der Deutschen Krebsgesellschaft eine Chance nicht genutzt worden, da die in der Onkologie etablierten Qualitätskriterien der zertifizierten Zentren im Klinikatlas nicht berücksichtigt werden.“ Die geplanten Informationen könnten deshalb zu Fehlinterpretationen führen.

Stattdessen sollten die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifzierten onkologischen Zentren im Transpa­renzverzeichnis berücksichtigt werden. „Damit erhalten Krebsbetroffene, im Sinne des Ziels des Klinikatlas, eine verlässliche und leicht verständliche Orientierungshilfe“, betont Wesselmann.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) unterstützt das Vorhaben. Allerdings bleibe unverständlich, „warum das Transparenzverzeichnis nur einen kleinen Ausschnitt der zugrunde liegenden Daten zur Qualitätsmessung ver­öffentlichen soll“, betonte die Vorstandsvorsitzende des vdek, Ulrike Elsner. „Außen vor bleibt beispielsweise, ob wirklich alle Qualitätsvorgaben für die Leistungsgruppen erfüllt wurden oder ob die Länder von den angedachten Ausnahmenregelungen bei den Qualitätskriterien Gebrauch gemacht haben.“

Problematisch sei zudem, dass die Meldungen der Krankenhäuser nicht überprüft werden und diese sich daher nur schwerlich plausibilisieren lassen. Insgesamt könnten damit die Erwartungen an das Transparenzverzeich­nis in der Theorie und Praxis „auseinanderklaffen.“ Sie fordert deshalb mehr Verbindlichkeit.

Darüber hinaus müsse aus dem Transparenzverzeichnis deutlich hervorgehen, welche Expertise auch kleinere Kliniken haben. „Für Standardeingriffe sind sie oft durchaus geeigneter als Maximalversorger“, sagte Elsner.

Lob gibt es hingegen vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). „Das Transparenzverzeichnis weist Versorgungsstufen aus, wie sie bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen sind. Das ist sachgerecht. Das Level 3U macht die Universitätsklinika als eigene Versorgungsstufe sichtbar“, betonte Jens Scholz, Vorsitzender des VUD. In Zukunft könnten Bürgerinnen und Bürger eindeutig erkennen, wo Maximalversorgung erbracht, interdisziplinär behandelt und an Innovationen geforscht werde. © cmk/dpa/aerzteblatt.de

LNS
VG WortLNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER