NewsVermischtesSeit 50 Jahren: Einheitliche Notrufnummern 110 und 112
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Vermischtes

Seit 50 Jahren: Einheitliche Notrufnummern 110 und 112

Montag, 11. September 2023

/picture alliance, dpa, David Ebener

Bonn – Herzinfarkt, schwerer Unfall oder Waldbrand: In ganz Deutschland können sich die Menschen rund um die Uhr darauf verlassen, dass jemand den Hörer abnimmt, wenn die Notfallnummern 110 und 112 gewählt werden. Das ist jetzt seit rund 50 Jahren so.

Bis in die 1970er-Jahre mussten Notfallpatienten, Schwerverletzte oder Unfallopfer lange auf ihre Behand­lung oder Bergung warten. Notrufnummern gab es nur in Großstädten. Wer in Kleinstädten oder auf dem Land in Not geriet, musste im Telefonbuch nach einer Polizeistelle oder dem nächsten Krankenhaus suchen.

Erst am 20. September 1973, vor genau 50 Jahren, beschlossen die Minis­ter­­präsidenten der westdeutschen Bundesländer und die Bundesregierung die Einführung der bundesweit einheitlichen Notrufnummern.

Zu verdanken war dies vor allem der Hartnäckigkeit – oder auch Starrköpfigkeit – des Architekten-Ehepaars Ute und Siegfried Steiger aus dem schwäbischen Winnenden. Der Unfalltod ihres Sohnes Björn 1969 ließ ihnen keine Ruhe: Der Achtjährige wurde auf dem Heimweg vom Schwimm­bad von einem Auto angefahren. Der Krankenwagen brauchte fast eine Stunde – zu spät für den Jungen.

„Unser Sohn hätte vielleicht gerettet werden können, doch 1969 gab es in Deutschland noch keinen funktio­nierenden Rettungsdienst“, schrieben die Eltern im Rückblick. Noch im selben Jahr gründeten sie die Björn-Steiger-Stiftung und wurden damit zum Motor für ein besseres Rettungswesen mit einheitlichen Notruf­nummern. In der DDR waren die 110 für Polizei und 112 für die Feuerwehr bereits seit 1958 gültig.

Ein zäher Kampf war nötig: Dem Ehepaar Steiger gelang es zunächst, die Notrufnummer in Nordwürttemberg in den Ortsnetzen der Post einzuführen. Zu teuer, zu kompliziert, hieß es dann aber mit Blick auf eine bundes­weite Einführung. Siegfried Steiger musste erst das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik ver­klagen, ehe sich die Politik bewegte.

Zwar wurde die Klage abgewiesen, doch brachte die öffentliche Aufmerk­samkeit den Durchbruch. Im Septem­ber 1973 klingelte bei den Steigers das Telefon. Am Apparat war Bundespostminister Horst Ehmke (SPD). „Ge­rade haben wir die Einführung der Notrufnummern 110 und 112 beschlossen“, sagte er. „Ihr Dickschädel hat sich durchgesetzt.“

1991 entschied auch der EU-Ministerrat, dass – auch in Ergänzung zu den nationalen Notrufnummern – die 112 in allen EU-Ländern eingeführt wurde.

Seit 2003 müssen die Telekommunikationsbetreiber den Rett­ungs­diensten auch Informationen zum Standort des Anrufers übermitteln, um ein rasches Auffinden zu er­möglichen. Seit 2009 hilft die 112 europaweit kostenfrei auch aus dem Mobilfunknetz.

Wie oft die Notrufnummern genutzt werden, darüber gibt es wegen der kleinräumigen Zuständigkeiten nur Schätzungen: Von bundesweit rund 16,9 Millionen Anrufen im Jahr 2021 geht die Stiftung aus.

Unterdessen hat sich die Steiger-Stiftung, die sich als Denkfabrik versteht, weitere Ziele gesetzt: Auch der Aufbau der Notruftelefonnetze an deutschen Straßen, der Sprechfunk im Krankenwagen oder die Luftrettung wurden von ihr mit initiiert oder finanziert.

Aktuell bildet die Initiative „Kampf dem Herztod“ Lehrer und Schüler in der Reanimation aus und treibt die Verbreitung von Defibrillatoren voran. Außerdem geht es um den Ausbau eines Baby-Notarztwagen-Systems und die Förderung von Notfall-Apps, mit deren Hilfe ehrenamtliche Ersthelfer über Notfälle in ihrer unmittel­baren Nähe informiert und dorthin navigiert werden.

Viel Geld und Arbeitszeit fließt in die Kampagne „Rettet die Retter“. Die Notfallversorgung stehe derzeit kurz vor dem Kollaps, lautet die Analyse. Dafür sorgt immer häufiger falscher Alarm von Witzbolden oder einsamen Menschen. Außerdem werde die Notfallnummer häufig gewählt, obwohl es sich nur um leichtere Erkran­kun­gen handele, so die Stiftung. Die Retter müssten trotzdem ausrücken.

Zudem besteht in Deutschland ein Flickenteppich von Leitstellen und Systemen, die nicht miteinander ver­netzt sind. „Deutschland braucht ein bundeseinheitliches Rettungsdienstrahmengesetz, einheitliche Qualitäts­standards und eine unabhängige Instanz, die diese Standards kontrolliert und sanktioniert“, fordert die Stiftung. © kna/aerzteblatt.de

LNS
LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER