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Politik

Vorhalte­finanzierung: PKV-Gutachten warnt vor Unterversorgung und Wartelisten

Montag, 11. September 2023

/PhotographyByMK, stock.adobe.com

Berlin – Im Zuge der Krankenhausreform soll die bisherige Finanzierung der Krankenhäuser über diagnosebezo­gene Fallpauschalen (DRG) künftig mit einem System der Vorhaltefinanzierung ergänzt werden. Eine entspre­chende Vergütung von zunächst durchschnittlich 60 Prozent des gesamten Krankenhauserlöses sieht das Eck­punktepapier vor, auf das sich Bund und Länder im Juli geeinigt haben.

Dieses Vorhaben kritisiert nun der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) deutlich. Der PKV hat die Unternehmensberatung Oberender beauftragt, ein entsprechendes Gutachten zu verfassen. Oberender über­nimmt gemeinsam mit dem Softwareentwickler BinDoc auch die Folgenabschätzungen und Analysen zur Aus­wirkung der geplanten Krankenhausreform für das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Das Policy Paper mit dem Namen „Analyse der Vorhaltevergütung zur Reform des Krankenhaussektors“ zeigt an­hand von schematischen Darstellungen voraussichtliche Defizite der geplanten Ausgestaltung der Vergütungs­form auf.

Mit der geplanten Vorhaltefinanzierung soll die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern künftig weitge­hend unabhängig von der Leistungserbringung gesichert werden, heißt es im Eckpunktepapier von Bund und Ländern. Eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken soll vor dem Hintergrund weiter ansteigenden Kranken­hausinsolvenzen ermöglicht werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Krankenhausreform wird derzeit erarbeitet.

Während sich Bund und Länder lange über andere Aspekte der geplanten Reform stritten, insbesondere über die Notwendigkeit der Krankenhausplanung anhand von festen Versorgungsstufen (Level), waren sie sich hinsicht­lich der Vorhaltefinanzierung relativ zügig einig.

Der PKV sieht zwar grundsätzlich eine Reform der Krankenhauslandschaft ebenfalls für notwendig und die Ein­führung einer solchen Vorhaltefinanzierung sei im Grunde nachvollziehbar, heißt es in dem Gutachten. Aller­dings zeige das Eckpunktepapier einige Defizite in der Ausgestaltung auf, die insbesondere das Funktionsprin­zip der Vorhaltevergütung betreffen.

Nur geringfügige umverteilende Effekte

Das System der Vorhaltevergütung sei zu komplex und würde die geplanten Ziele nur eingeschränkt erreichen, so die PKV. Es könnten voraussichtlich Fehlanreize und Steuerungsprobleme entstehen, warnt das Gutachten.

Der im Eckpunktepapier skizzierte Ansatz führe „nur zu geringfügigen umverteilenden Effekten“. Um finanziell entlastende Effekte zu erhalten, müsste die Einführung der Vorhaltefinanzierung hingegen „zu einer massiven Effizienzsteigerung führen“.

Zwar werde das Ziel einer Beschränkung der Mengenausweitung in den Augen der PKV voraussichtlich erreicht. Allerdings bestehe die Gefahr, „dass Anreize zur Reduktion der Leistungsmenge entstehen und das Risiko für Unterversorgung und Wartelisten erhöht wird“.

Die PKV befürchtet, dass mit einem fixen Abschlag von 60 Prozent die Vorhaltevergütung über den realen Fix­kosten liegen werde und damit Anreize zur Reduktion des Leistungsangebots gesetzt werden. Insbesondere kleinere Krankenhäuser, die Stand heute bereits im DRG-System benachteiligt sind, würden weiterhin benach­teiligt.

In strukturschwachen Regionen könnte dies negative Folgen für die Daseinsvorsorge haben, so die PKV. Proble­matisch sei demzufolge auch, dass die bereits bestehenden Sicherstellungszuschläge vorerst fortbestehen müssten. Aufgrund der Ressourcenknappheit und des Fachkräftemangels brauche es stattdessen Gegenanreize, die Leistungsträger etwa belohnen, wenn sie Versorgung mit maximaler Effizienz sicherstellen würden.

Komplexe Systeme erhöhen Misssbrauchspotenzial

Außerdem warnt die PKV in ihrem Gutachten davor, dass ein komplexeres System – DRG und Vorhaltefinanzie­rung – das Missbrauchspotenzial erhöhe und ein größerer Kontrollaufwand benötigt werde. Damit entstünde eine Interventionsspirale, die Planungssicherheit reduziere und zusätzliche administrative Aufwände nach sich ziehen werde, so die PKV.

Der Verband fürchtet zudem, dass das Versprechen, die Krankenhausreform kostenneutral gestalten zu können, nicht eingehalten werden könne. Dafür gebe es einige Anhaltspunkte, etwa geplante Zuschläge beispielsweise für koordinative Aufgaben der Universitätsklinika oder auch zusätzlicher Aufwand auf der administrativen Ebene.

Konkret schlägt der PKV einen „behutsamen Einstieg“ bezüglich der Vorhaltefinanzierung vor. Damit sollte ein Niveau deutlich unterhalb der aktuell formulierten 60 Prozent angestrebt werden. Zudem dürften nicht nur die Anzahl der Versicherten oder Fälle für die Vorhaltefinanzierung zugrunde gelegt werden, sondern auch eine Zu­ordnung der Fälle und deren Fallschwere.

Zudem müssten PKV, Beihilfe oder Selbstzahler bei der Ausgestaltung der Vorhaltevergütung mitgedacht wer­den, heißt es in der Analyse. „Da es sich um erhebliche Anteile am gesamten Leistungsumfang der Kostenträger handelt, hätten Fehlanreize massive Auswirkungen, die es zu vermeiden gilt.“

Eine Vorhaltefinanzierung nach dem Motto ‚Geld ohne Leistung‘ berge große Risiken, warnte PKV-Verbandsdi­rek­tor, Florian Reuther. „Es drohen massive Fehlanreize, wenn die Bezahlung sich nicht auf erbrachte Leistungen bezieht. Die Kliniken würden sich weniger am Bedarf der Patientinnen und Patienten ausrichten, sondern mehr an bürokratischen Verteilungskriterien. So blieben die wichtigsten Reformziele auf der Strecke: Qualität und Kosteneffizienz.“

Auch die Bundesländer müssten künftig stärker ihrer Verpflichtung einer angemessenen Finanzierung der Investitionskosten nachgehen, fordert die PKV. Dieser Aufgabe seien die Länder in den vergangenen Jahren nicht ausreichend nachgekommen. „So lange die Bundesländer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, wird auch trotz der Reform die strukturelle Unterfinanzierung des Krankenhaussektors fortbestehen“, heißt es im PKV-Gutachten.

Darüber hinaus könnte der entsprechende Druck auf die Länder, die Finanzierung auskömmlich zu gestalten, weiter abnehmen, wenn die wirtschaftlichen Lasten zwischen den Krankenhäusern im Zuge der Reform besser verteilt werden würden. © cmk/aerzteblatt.de

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