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Patienten mit seltenen Krankheiten brauchen „Kümmerer“

Mittwoch, 13. September 2023

/Karramba Production, stockadobecom

Marburg – In Deutschland braucht es bessere Versorgungsstruktur für Patienten mit seltenen Erkrankunten und „Kümmerer“. Das sagte der Leiter des Marburger Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen, Jürgen Schäfer, zum zehnjährigen Bestehen des Zentrums.

Gerade die Diagnose seltener und unerkannter Erkrankungen erfordere eine ausgiebige Analyse der Krank­heitsgeschichte der Betroffenen, einen genauen Blick auf ihre Daten und oft auch die Einbindung ihrer An­gehörigen.

Denn nur so lasse sich herausfinden, ob etwa genetische Veranlagungen oder Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten hinter einem Leiden steckten, ob die Ernährung oder andere Faktoren eine Rolle spielten.

Rund 9.500 Patienten haben sich bisher an das Zentrum am Universitätsklinikum Gießen und Marburg ge­wandt – etwa 3.000 davon konnten der Internist und sein Team helfen. Dies erfolgt mittlerweile nicht mehr direkt vor Ort – das Zentrum wird im Rahmen eines Zweitmeinungs­verfahrens sowie konziliarisch bei Patien­ten im eigenen Haus tätig.

Gelegentlich habe es dabei auch schnelle Erfolge gegeben, sagt Schäfer. So schildert der Internist den Fall einer Patientin, die ähnliche Symptome wie bei einer Querschnittlähmung zeigte, die auf einen Vitamin-B12-Mangel zurückzuführen waren. Als die Diabetikerin mit einem entsprechenden Präparat versorgt wurde, habe sich ihr Zustand rasch gebessert.

Ihre behandelnden Ärzte baten das Marburger Zentrum, der Ursache für den Mangel auf den Grund zu gehen, und das Team um Schäfer fand heraus, dass es sich um eine seltene Nebenwirkung eines Diabetesmedika­ments handelte. Daher sollte bei neurologischen Störungen von Diabetikern immer auch an einen Vitamin-B12-Mangel gedacht werden, sagte Schäfer.

In einem anderen Fall litt eine Frau unter starken Depressionen, die stationär behandelt werden mussten – bis sich herausstellte, dass es sich um Nebenwirkungen einer hormonfreisetzenden Spirale handelte, die sie sich zur Verhütung hatte einsetzen lassen.

Solche Beispiele zeigen für Schäfer, wie wichtig es ist, alle Patientendaten einzubeziehen und auch die Infor­mationen von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenzuführen. Eine „intelligente“ elektronische Patientenakte wäre aus seiner Sicht deshalb sinnvoll. Sie könnte beispiels­weise automatisch auf bestimmte Risiken von Medikamenten hinweisen.

Die Zahl der Ratsuchenden bei dem Zentrum ist groß. Auch aus ganz Deutschland gebe es Anfragen, wobei Schäfer darauf hinwies, dass es mittlerweile an allen Universitätskliniken ähnliche Zentren wie in Marburg gebe. Doch die Zahl der Betroffenen ist hoch: Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer seltenen Erkrankung.

Als selten gilt eine Krankheit dann, wenn sie höchstens fünf von 10.000 Personen betrifft. Viele Betroffene hätten einen langen Leidensweg hinter sich. Der sei auch häufig von der Angst geprägt, in eine „Kiste gesteckt zu werden“, sagte Schäfer – also unterstellt zu bekommen, dass ihre Leiden rein psychischer Natur seien.

Das Zentrum sähen sie dann als letzte Hoffnung, auch wenn sie extrem lange und belastende Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. Im Vergleich zu Herzinfarktpatienten, denen in Deutschland schnell und umfassend geholfen werde, sei dieser medizinische Bereich unterversorgt.

Engagements wie das der Ehefrau von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), Tanja Raab-Rhein, die die Schirmherrschaft für den Förder­verein für unerkannte und seltene Erkrankungen in Hessen übernommen hat, seien deshalb von großer Bedeutung. Mit Hilfe des Vereins soll sowohl die Erforschung solcher Krankheiten als auch die Versorgung der Betroffenen verbessert werden. © dpa/aerzteblatt.de

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