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Medizin

Rhinitis: FDA und Berater halten orales Phenylephrin in Erkältungs­medikamenten für unwirksam

Donnerstag, 14. September 2023

/Subbotina Anna, stock.adobe.com

Silver Spring/Maryland – Das Sympathomimetikum Phenylephrin, das seit der Verkaufsbeschränkung von Pseudoephedrin – um einen Missbrauch zur Synthese der Droge Crystal Meth zu verhindern – in den USA zum meist verkauften Dekongestivum zur Behandlung einer „verstopften“ Nase geworden ist, hat sich in neueren Studien bei einer oralen Anwendung als wirkungslos erwiesen.

Nachdem die externen Berater auf einer Tagung der Einschätzung der US-Arzneimittelbehörde FDA zuge­stimmt haben, droht das Ende des rezept­freien Verkaufs (OTC) der populären Erkältungsmedikamente, von deren Wirkung nicht nur der Verband der Hersteller, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung zutiefst überzeugt ist.

In den USA gehören Sudafed, Allegra und Dayquil zu den beliebtesten frei verkäuflichen Medikamenten gegen Erkältungskrankheiten. Bis 2006 enthielten solche Mittel in der Regel Pseudoephedrin, dessen Wirksamkeit außer Frage stand. Erkältungsmittel mit Phenylephrin spielten nur eine untergeordnete Rolle. Dies änderte sich ab 2006.

Mit dem „Methamphetamine Epidemic Act“ sind Pseudoephedrin-haltige Medikamente aus den Verkaufsrega­len verschwunden. Die Drogerien und Apotheken dürfen sie nur noch auf Anfrage (aber weiter ohne Rezept) abgeben.

Dabei müssen die Käufer sich ausweisen und die Menge wird auf eine monatliche Ration beschränkt. Die Maßnahmen sollen verhindern, dass Drogensüchtige sich ihr Crystal Meth mit den im Internet kursierenden Rezepten in der heimischen Küche aus Pseudoephedrin selbst kochen.

Das „Methamphetamine Epidemic Act“ hat dazu geführt, dass die meisten Amerikaner in den Regalen nun­mehr Mittel finden, die statt Pseudo­ephe­drin Phenylephrin enthalten. Dabei muss sich herumgesprochen haben, dass orales Phenylephrin in der zugelassenen Dosis von 10 mg nicht so gut wirkt.

Pharmazeuten der Universität von Florida starteten im Februar 2007 eine Citizen Petition an die FDA und baten um eine Erhöhung der Dosis für Patienten über 12 Jahre (für jüngere sollte das Mittel verboten werden). Im Dezember des Jahres beschäftigte sich ein Beraterausschuss mit dem Thema.

Die Experten wiesen darauf hin, dass die Wirksamkeitsnachweise haupt­säch­­lich auf Studien beruhten, die vor 40 Jahren durchgeführt wurden und an denen weniger als 200 Personen teilgenommen hatten. Die Ergeb­nisse der Studien wurden damals als „nicht konsistent“ eingestuft.

Phenylephrin hatte sich jedoch immer als sicher erwiesen (während es bei Pseudoephedrin zu einem Anstieg des Blutdrucks kommen kann). Der Konsens war damals, dass die Mittel weiter im Handel bleiben sollten mit der Empfehlung weiterer Studien. Die zugelassene Dosis wurde übrigens nicht erhöht.

Die Zweifel an der Wirkung gründeten sich auf einer pharmakokinetische Studie des Herstellers Schering-Plough aus dem Jahr 2005, in der die Bioverfügbarkeit des unveränderten Phenylephrin nur bei 1 % gelegen hatte, was als zu gering eingestuft wurde, um in der Nase eine dekonges­tive Wirkung durch die Verengung der dortigen Gefäße zu erzielen.

Der Herstellerverband beharrt auf eine Bioverfügbarkeit von 38 %, zählt dabei aber offenbar die nicht wirk­samen Metabolite mit.

Inzwischen waren auch zwei experimentelle Studien publiziert worden. Dort waren die Auswirkungen einer Einzeldosis auf eine bei Allergikern durch Allergenreizung ausgelöste nasale Kongestion untersucht worden. In der ersten Studie hatte eine Einzeldosis von Pseudoephedrin die erwartete Wirkung erzielt, Phenylephrin in der empfohlenen Dosis dagegen nicht.

In der zweiten Studie unterschied sich Phenylephrin nicht von Placebo, während eine Kombination aus dem Antihistaminikum Loratadin und dem Allergiemedikament Montelukast die Atemwege in der Nase wieder freilegte.

Hinzu kamen in den letzten Jahren noch zwei Studien des Herstellers Merck (NCT00874120 und NCT01330017) und eine Studie des Herstellers Johnson & Johnson (NCT03339726), in denen die Behandlung mit Phenylephrin die nasalen Symptome der Patienten nicht stärker linderte als Placebos.

Diese Ergebnisse haben die Pharmazeuten in einer zweiten Citizen-Petition vom November 2015 bewogen, die FDA zu bitten, Phenylephrin von der Liste der wirksamen Mittel für den OTC-Bereich zu streichen.

Auch die Experten der FDA kamen in der aktuellen Beratertagung zu dem Schluss, dass orales Phenylephrin bis zu einer Dosis von 40 mg am Tag vermutlich keine Wirkung erzielt. Bei einer höheren Dosis müsse dagegen mit systemischen Nebenwirkungen wie einem Anstieg der Blutdrucks gerechnet werden, die gegen einen freien Verkauf in Drogerien und Apotheken sprechen würde.

Die auf der Tagung eingeladenen Experten haben diese Ansicht der FDA unterstützt und sich am Ende einstimmig dafür ausgesprochen, dass Phenylephrinhaltige Mittel aus den Selbstbedienungsregalen verschwinden sollen.

Nur Vertreter der Consumer Healthcare Products Association (CHPA), einem Verband der Hersteller, sprachen sich dagegen aus und verwiesen unter anderem auf die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese gaben in einer Umfrage zu 83 % an, dass die Medikamente ihnen geholfen hätten, ihre verstopfte Nase oder Neben­höhlen frei zu bekommen.

Dass sich die FDA von der Evidenz einer Meinungsumfrage überzeugen lässt, erscheint unwahrscheinlich. Wenn sie den OTC-Verkauf tatsächlich verbieten sollte, müssten sich viele Verbraucher umgewöhnen und am Verkaufstresen nach einem wirksamen Mittel mit Pseudoephedrin fragen.

Eine Alternative wären Nasensprays zur topischen Anwendung, die allerdings nur per Rezept erhältlich sind und bei häufiger Anwendung zu einer Gewöhnung führen mit einer Atrophie der Nasenschleimhaut.

Laut den FDA-Angaben wurden im Jahr 2022 in den USA 242 Mio. Packungen von Erkältungsmedikamenten mit Phenylephrin verkauft gegenüber 51 Mio. Packungen mit Pseudoephedrin. Die Hersteller machten in dem Jahr einen Umsatz von 1,8 Mrd. US-Dollar und 0,5 Mrd. US-Dollar. © rme/aerzteblatt.de

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