Ärzteschaft
Honorarplus: Enttäuschte Reaktionen zum Verhandlungsergebnis
Donnerstag, 14. September 2023
Berlin – Ein Plus von 3,85 beim Orientierungswert (OW) und eine schnellere Berücksichtigung von Gehaltssteigerungen bei Medizinischen Fachangestellten (MFA): Die Verständigung von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband im Erweiterten Bewertungsausschuss (EBA) geht vielen Verbänden nicht weit genug.
„Dieser Abschluss ist extrem enttäuschend und wird die ambulante Versorgung schwächen“, sagte Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Die Steigerung des OW decke die gestiegenen Kosten der Praxen bei weitem nicht ab.
Dass die Tarifverträge für die Mitarbeiter zukünftig zeitnäher abgebildet werden sollten, bezeichnete er als einen „ersten Schritt“, der „längst überfällig“ sei. „Jetzt müssen diesen vagen Ankündigungen aber auch spürbare Taten folgen“, so Beier.
Die Steigerung könne „bestenfalls ein Anfang sein“ und berücksichtige nicht den wirklichen Bedarf, monierte der Medi-Vorsitzende Norbert Smetak. „Die Kassen verkennen eindeutig den Ernst der Lage im ambulanten Bereich, wenn sie diesen Abschluss als üppig bezeichnen. Er deckt nicht einmal die Kostensteigerungen durch die Inflation“, so Smetak.
Das Ergebnis der Finanzierungsverhandlungen zwischen KBV und Krankenkassen ist mehr als unbefriedigend, sagte Dirk Heinrich, Vorsitzender des Virchowbunds und Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), heute zum gestrigen Ergebnis.
Er monierte, das Ergebnis decke weder die Inflation noch den Kostendruck in den Praxen durch die seit Jahren andauernde Unterfinanzierung. Der Virchowbund hatte kürzlich als ersten Ausgleich für Inflation und Kostenexplosion in diesem Jahr ein notwendiges Plus von 15 Prozent errechnet.
Heinrich erwartet eine politische Reaktion von den Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV. „Nach diesem Abschluss der Finanzierungsvereinbarungen und dem erfolglosen Verstreichen des Ultimatums an Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist es für das KV-System jetzt an der Zeit, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Die Phase der Problembeschreibung und des Lamentierens ist vorbei. Jetzt müssen KVen und KBV in den Aktionsmodus schalten“, forderte Heinrich.
Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe (vmf), bezeichnete die Einigung als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings wirke der Plan erst ab 2025. „Damit werden die Personalkosten im Orientierungswert zwar ein Jahr früher als bisher berücksichtigt, aber es fehlt dennoch ein ganzes Jahr, das die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber zwischenfinanzieren müssen“, sagte sie.
Dazu gehört auch, den Praxisärzten Wege aufzuzeigen, wie sie mit den Ergebnissen dieser Gesundheitspolitik in ihrer Praxis umgehen könnten, beispielsweise durch Einschränkung des Leistungsangebotes, so Heinrich. Aus den Worten müssten jetzt Taten folgen.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hält das Ergebnis für „nicht ausreichend“. „Damit werden die Kosten durch die in 2022 und 2023 stattgefunden Preissteigerungen nicht aufgefangen“, sagte der KVRLP-Vorstandsvorsitzende Peter Heinz.
Sein Stellvertreter Andreas Bartels ergänzt: „Außerdem finden weder die tarifvertraglichen Gehaltssteigerungen der Medizinischen Fachangestellten noch die der angestellten Kolleginnen und Kollegen in unseren Praxen Berücksichtigung.“
Man muss leider feststellen, dass dieses Ergebnis nicht ausreichend ist, hieß es aus der KV Westfalen-Lippe. „Nicht ausreichend für die Refinanzierung der Aufgaben in den Praxen. Nicht ausreichend für die Deckung der massiv gestiegenen Kosten durch Inflation und Praxiskosten. Und vor allem nicht ausreichend, um die akute Schwächung der ambulanten Versorgung endlich aufzuhalten.“
„In normalen Zeiten hätten wir uns auch über das Erreichte gefreut. Doch die Zeiten sind krisengeschüttelt“, sagte Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA). In allen Branchen werde dies auch gesehen und bestmöglich honoriert. „Nur die Praxen bleiben auf sich alleine gestellt und sollen zusehen, wie sie selbst mit all dem klarkommen, was ihnen die Politik beschert.“
„Wir schauen sehr zwiespältig auf das, was die Verhandlungen im Erweiterten Bewertungsausschuss ergeben haben“, erklärten die Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych und Armin Beck. Das Ergebnis sei viel zu niedrig und nicht ansatzweise geeignet, die finanziellen Nöte in den Praxen zu lindern.
Andersherum sei das Ergebnis der Verhandlungen weit besser als in den Vorjahren. Trotzdem brauche es dringend eine neue Systematik für die Finanzierungsverhandlungen. „Diese muss sich an aktuellen Kennzahlen von Inflation und Lohnentwicklung orientieren, um auch nur annähernd die finanziellen Bedürfnisse der Niedergelassenen bedienen zu können.“
„Wenn bei Tarifverhandlungen in anderen Branchen solche Ergebnisse auf den Tisch gepackt werden, dann kommen wir in Deutschland nicht mehr aus dem Streiken heraus“, hieß es von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Das Ergebnis sei „desaströs“.
„Dieses Ergebnis ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel“, sagte Catrin Steiniger, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Die Problematik der Inflation „Ich hatte von den Krankenkassen erwartet, dass sie Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger übernehmen und einem echten Inflationsausgleich zustimmen.“
© may/EB/aerzteblatt.de

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